Linker geht’s nicht

Etwas bewegt sich links von Romano Prodi. In Rom versammelte sich die »andere Opposition« und diskutierte, wie man Berlusconi loswird. von federica matteoni

Das Treffen der alternativen Linken, das von der Tageszeitung il manifesto organisiert wurde und vor zwei Wochen in Rom stattfand, war ein großes Ereignis. Die Vorbereitung der Veranstaltung, die den Titel »Richtung links« trug, begleitete die Zeitung mit einer monatelangen Debatte zwischen der parlamentarischen und der außerparlamentarischen Linken. Daran beteiligten sich vor allem Vertreter jener Linken, die nach ihrer großen Zeit während der Massendemonstrationen in eine Identitätskrise geraten sind und nun den Parlamentarismus bevorzugen. Etwa 3 000 Personen besuchten die Veranstaltung, deren anspruchsvolles Ziel es war, »eine neue mögliche Linke« jenseits von Mitte-Links zu definieren und sich mit einer Neubesetzung des Begriffs »linke Politik« auf das Wahljahr 2006 vorzubereiten.

Ausgangspunkt der Veranstaltung war das Ergebnis der Europawahl am 13. Juni vorigen Jahres. Es zeige, so der ehemalige kommunistische Professor Alberto Asor Rosa, dass es Leben gebe links von der Mitte-Links-Koalition. 13,5 Prozent der Stimmen gingen bei der Wahl an Parteien, die sich links des zentristischen, sich um Romano Prodi sammelnden Projekts der Liste »Uniti nell’Ulivo« (»Vereinigt im Olivenbaum«) positionieren, und zwar Rifondazione Comunista (PRC), die Altstalinisten der Comunisti Italiani und die Grünen. Diese Parteien, so Asor Rosa, hätten Menschen gewählt, die sich nicht mit der reformistischen Linken identifizierten.

Obwohl der Professor nicht so weit ging, für diese Wählerschaft das Wort »radikal« zu benutzen, meinte er damit all jene, die man seit einigen Jahren mit dem Etikett »soziale Bewegung« versieht. Und so stellte er in einem Kommentar, der in il manifesto erschien, die Frage: Was tun mit diesem Potenzial links von Mitte-Links? Dem heutigen Linksdemokraten ging es dabei nicht um eine begriffliche Neudefinition, sondern um die konkrete Frage, ob die reformistische Linkskoalition mit diesem Potenzial arbeiten kann, um bei den Parlamentswahlen 2006 Berlusconi loszuwerden. Asor Rosa stellte aber nicht nur die Frage, sondern beantwortete sie auch. Seine Antwort lautete: Vereinigung. Diese Kräfte sollten nach einer gemeinsamen Basis suchen, die sie als politische Kraft schärfer profilieren könne, nicht um sich als neue – mit dem Olivenbaum rivalisierende – »Ware« auf dem politischen Markt zu präsentieren, sondern um der Linksallianz einen Stoß »Richtung links« zu geben.

Wahrscheinlich ahnte Asor Rosa nicht, wie nötig diese nicht genauer definierte »linkere« Linke die Auseinandersetzung mit dieser Frage hatte. Sein Kommentar löste eine Welle von Reaktionen aus, welche die manifesto-Redaktion im Oktober dazu brachte, eine Veranstaltung zu organisieren, um die »andere Linke«, die über die Formen des Widerstands gegen das von Prodi geführte reformistische Manöver debattiert, in einem großen Treffen sich materialisieren zu lassen. Vertreter des radikaleren Flügels der parlamentarischen Opposition sowie Universitätsprofessoren, Basisgewerkschafter, Chefredakteure linker Zeitschriften, Vertreter der Friedensbewegung und viele andere waren dabei. Jeder brachte seine eigene Vorstellung von »linker Politik« mit, und alle waren mit einer Frage beschäftigt: Sind wir hier, um eine am grünen Tisch entworfene Allianz zu schaffen, oder brauchen wir Inhalte, um ein gemeinsames Vorgehen entwickeln zu können?

Zwar war die Idee einer Allianz bereits von der Mehrheit der Beteiligten abgelehnt worden, doch vor allem die Vertreter der Linksparteien, wie der Linksdemokrat Cesare Salvi, beharrten auf der Notwendigkeit, alle Streitigkeiten und Differenzen beiseite zu schieben und zum Angriff auf die Regierung überzugehen. Darüber, dass dieses Ziel Priorität hat, herrschte weitgehend Einigkeit. Nur am Rande wurde, etwa von Rossana Rossanda, einer der GründerInnen von il manifesto, auf die Gefahr hingewiesen, die in der Betonung taktischer Überlegungen, wie man an die Macht kommt, liegt. Die Gefahr, alles auf einen Wahlsieg zu setzen und danach das verwalten zu müssen, was der Politologe Marco Revelli einst »Berlusconismus ohne Berlusconi« nannte.

Inhalte müssen her, das war das Leitmotiv des Treffens. Und die holt man sich am besten aus der Agenda der sozialen Bewegungen. Denn was hat Millionen von Menschen in den vergangenen Jahren auf die Straße gebracht? Es waren die Globalisierungsgegner in Genua 2001, die Mobilisierungen gegen Sozialabbau und Prekarisierung der Arbeitsverhältnisse, die Proteste gegen das rassistische Immigrationsgesetz Bossi-Fini, die Massendemonstrationen gegen den Irak-Krieg … Die Inhalte dieser Proteste – so die Botschaft der Versammlung in Rom – sollten in den Mittelpunkt einer neuen linken Politik rücken. Möglich sei eine Föderation linker Kräfte erst dann, wenn die sozialen Bewegungen daran beteiligt werden.

Nun stellt sich die Frage, ob eine solche groß angelegte Veranstaltung notwendig war, um zu diesem Ergebnis zu kommen. Denn neu ist der Vorschlag keineswegs. Seit den Anti-G 8-Protesten in Genua 2001 versucht die PRC nichts anderes, als diese Strategie zu verfolgen. Doch im vergangenen Jahr führten die Bemühungen von PRC-Chef Fausto Bertinotti, die Regierungsfähigkeit seiner Partei zu beweisen, dazu, dass sich Teile der Bewegung von der PRC distanzierten. Das galt insbesondere für die Disobbedienti (Ungehorsame), die sich an Kampagnen beteiligten, die von der PRC wegen ihrer »Illegalität« scharf kritisiert wurden, wie die Enteignungsaktionen des Heiligen Prekarius (Jungle World, 51/04).

Bereits vorher hatten Angehörige verschiedener Teile der sozialen Bewegungen ihre Skepsis bezüglich des Treffens von Rom geäußert. »Wir müssen uns vor den Parteien und ihren Dynamiken schützen«, hatte Luca Casarini, Sprecher der Bewegung der Ungehorsamen aus Norditalien, erklärt. Er boykottierte die Versammlung in Rom, und das taten auch die radikaleren Flügel der Bewegung, die Centri sociali und das Netzwerk der Prekären. Anwesend war dagegen Francesco Caruso, Sprecher des von der staatlichen Repression stark betroffenen Netzwerkes Sud ribelle (Jungle World, 53/04). Auch Caruso äußerte Skepsis: »Wir müssen es vermeiden, dass sich die Bewegung in zwei Richtungen spaltet«, sagte er: eine, die in die Regierung strebe, und eine, auf die der Knast wartet. Andere, wie etwa Marco Bersani von Attac oder Vittorio Agnoletto, ehemaliger Sprecher des Genoa Social Forum und heute Europaparlamentarier der PRC, zeigten weniger Berührungsängste.

Dass das Treffen der alternativen Linken kaum eine der Strategiefragen beantwortete, von denen man ausgegangen war, ist wenig verwunderlich. Vielmehr blieb man mit dem Eindruck zurück, dass die Parteien wieder versuchen, eine Stagnationsphase in der Saison der sozialen Bewegungen zu nutzen, um das politische Personal zu erneuern.