Geschäfte mit Saddam
Am Montag vergangener Woche wurde der 68jährige Jean-Bernard Mérimée, der von 1991 bis 1995 als französischer UN-Botschafter amtierte, von Fahndern der Steuerpolizei festgenommen. Am Mittwoch folgte die Eröffnung eines Strafverfahrens gegen ihn durch den Untersuchungsrichter Philippe Courroye, der seit über einem Jahr gegen ehemalige französische Günstlinge des Regimes von Saddam Hussein ermittelt. Inzwischen hat Mérimée zugegeben, 156 000 US-Dollar illegal vom ehemaligen irakischen Regime kassiert zu haben, mit denen er seine Villa in Marokko bezahlt hat.
Den Hintergrund dieser Vorgänge bildet das frühere enge geostrategische Bündnis, das Frankreich in den siebziger und achtziger Jahren mit dem Irak unterhielt. Nach dem Verlust seiner Kolonien kam Frankreich damals bei der Aufteilung der Einflusssphären zwischen den USA (Saudi-Arabien, Iran), der UdSSR (Syrien und Libyen) und Großbritannien zu spät. Nachdem das irakische Regime in den siebziger Jahren durch die Erdöleinnahmen plötzlich zum kaufkräftigen Partner geworden war, entdeckte Frankreich doch noch einen Alliierten. Dieses Bündnis wurde damals stark ideologisch überhöht, in der politischen Klasse Frankreichs feierte man das Regime als Vertreter eines »arabischen Gaullismus«, es sei zudem »laizistisch« und deshalb der französischen Staatsideologie verbunden. Frankreich wurde vor allem im Bereich der konventionellen Waffen und der Atomtechnologie zum begehrten Lieferanten, dagegen bezog der Irak biologische und chemische Waffen aus den USA oder Westdeutschland.
1991 zerbrach das Bündnis jedoch: Frankreich nahm am Krieg gegen den Irak teil, und die UN-Resolution zur Einrichtung einer Schutzzone für die bedrohten Kurden im Nordirak ging im April 1991 auf eine französische Initiative zurück.
Doch in der Nachkriegszeit wurde Frankreich kaum bei den attraktiven Wiederaufbauverträgen im reichen Kuwait berücksichtigt. Daher ging die Pariser Diplomatie später wieder auf Distanz zur US-Politik und versuchte, auf internationaler Ebene als »Vermittler« zwischen den USA und dem Irak aufzutreten. Aber bis zum Krieg 2003 wurden keine offiziellen diplomatischen Beziehungen zum Irak wieder aufgenommen. Ein harter pro-irakischer Kern innerhalb der politischen Klasse jedoch setzte sich für eine Rückkehr zum alten Kurs ein. Diese Lobbygruppe hatte einen sozialdemokratischen, einen gaullistischen und einen rechtsextremen Flügel. Ihre Mitglieder wurden vom irakischen Regime, das sich unter der Hand politische Gunst durch einen gesteuerten Ölhandel zu erkaufen suchte, mit Kontingenten von Rohöl belohnt. Diese Ölmengen konnten an interessierte Firmen weiter verkauft werden. Pro Barrel Rohöl wurde eine Kommission von circa einem halben Dollar abgeschöpft, die irakische Regimefunktionäre und die ausländischen Günstlinge unter sich aufteilten. Dadurch wurden Millionen US-Dollar auf Kosten der notleidenden irakischen Bevölkerung umgeleitet.
Einer der führenden Köpfe dieser Lobbygruppe war auch Serge Boidevaix, der 1974 bis 1976 diplomatischer Berater des damaligen Premierministers Jacques Chirac gewesen war und drei Treffen zwischen ihm und Saddam Hussein organisiert hatte. Gegen ihn läuft seit September ebenfalls ein Strafverfahren wegen Hinterziehung von Geld aus dem Uno-Programm »Oil for food«.
Mérimée und Boidevaix gehörten früher zu den ranghöchsten französischen Diplomaten. Doch ihre Lobbyaktivitäten in Bagdad waren, nachdem beide altersbedingt aus dem aktiven Dienst ausgeschieden waren, unangenehm aufgefallen: Im September 2001 erteilte der damalige Außenminister Hubert Védrine beiden Herren eine schriftliche Abmahnung. In näherer Zukunft werden sie sich gerichtlich verantworten müssen.