»Die WM tue ich mir nicht an«

Yildiray Bastürk

Die Fußballwelt freut sich auf die Welt­meisterschaft, die in sechs Monaten beginnt. Aber was machen die, die nicht dabei sind? Die Türken zum Beispiel?

Einer der türkischen Nationalspieler, die die Qualifikation verpasst haben, ist Yildiray Bastürk. Der »kämpfende Künstler« und Sohn eines Bergmanns aus Herne spielt seit anderthalb Jahren im Mittelfeld von Hertha BSC Berlin. Im Jahr 2002 wurde er mit seinem damaligen Verein Bayer Lever­kusen dreimal Zweiter, in der Cham­pions League, der Bundesliga und dem DFB-Pokalwettbewerb. Im selben Jahr wurde er mit der Türkei WM-Dritter. Mit ihm sprach Deniz Yücel.

Haben Sie schon Karten für die Fußballweltmeisterschaft?

Nein. Ich werde mir auch keine Karten besorgen und in der Zeit Urlaub machen. Ich will mir das nicht antun, mir die Spiele auch noch anzusehen.

Was bedeutet es für die Türkei und für Sie persönlich, sich nicht für die WM qualifiziert zu haben?

Das ist sehr schade. Im Fußball ist die Weltmeisterschaft das Maß aller Dinge, das weiß ich von der letzten WM, als wir mit der Türkei Dritter wurden. Für die türkischen Fans ist es auch sehr schade, dass wir nicht dabei sind – zumal die WM in Deutschland stattfindet und wir hier nur Heimspiele gehabt hätten. Mit der Niederlage gegen die Schweiz haben wir viele Leute traurig gemacht.

Ohne Sie scheint in der türkischen Nationalmannschaft nicht viel zu laufen. Vor zwei Jahren fehlten Sie verletzt bei den Relega­tionsspielen gegen Lettland, prompt verfehlte die Türkei die Teilnahme an der Europameisterschaft. Und gegen die Schweiz konnten Sie auch nur ein paar Minuten spie­len.

Ja, leider. Ich hatte das Pech, dass ich in den letzten zwei Jahren bei den wichtigsten Spielen der Nationalmannschaft oft verletzt war.

Wäre es mit Ihnen besser gelaufen?

Darüber kann man nur spekulieren. Ich wäre liebend gerne dabei gewesen, obwohl ich alles versucht habe, um für die Spiele fit zu sein. Aber die Verletzung war zu schwer.

Sie waren in Istanbul dabei, als es nach dem Spiel gegen die Schweiz zu Tumulten kam. Wie haben Sie die Ereignisse wahrgenommen?

Der türkische Fußball hat durch diese Geschichte viele Sympathien verloren. Das ­haben wir uns selbst zuzuschreiben, es hilft nicht, jemand anderem die Schuld dafür zu geben. Die Spieler und die Verantwortlichen hätten sich sportlicher verhalten müssen. Man sollte nicht vergessen, dass Fußball ein Sport ist, wo es nicht nur Sieger, sondern auch Verlierer gibt, selbst wenn diese Niederlage für die Türkei und den türkischen Fußball sehr schmerzlich war. Aber das darf kein Grund dafür sein, solche Aktionen zu veranstalten. Die Schweizer haben zwar auch provoziert – zu solchen Dingen gehören immer zwei. Dennoch hätten wir Größe zeigen und den Schweizern zu ihrem Sieg gratulieren können.

Mit der deutschen Nationalmannschaft hätten Sie vermutlich bei der WM mitspielen können. Warum haben Sie sich für die Türkei entschieden?

Die Frage, für welches Land ich spielen soll, hat sich mir nie gestellt. Ich bin Türke, ich habe türkische Eltern, ich wurde türkisch erzogen, so einfach war das. Und ich habe schon sehr früh für die türkische U-16 gespielt. Die Regelung war damals noch so, dass man sich schon mit einem Spiel für eine Jugendnationalmannschaft festgelegt hat. Damit hatte sich diese Frage für mich in sehr jungen Jahren geklärt. Als ich später vom DFB angesprochen wurde, war nichts mehr zu machen. Trotz­dem würde ich mich heute wieder für die Türkei entscheiden, wenn ich jetzt vor der Wahl stünde.

Halil und Hamit Altintop, Nuri Sahin und vor ihnen viele andere haben die­selbe Wahl getroffen. Warum ziehen ­junge Menschen, die ihr ganzes Leben hier verbracht haben, das Land ihrer Eltern oder gar ihrer Großeltern vor?

Ich kann nur für mich sprechen, nicht für andere. Aber ich denke, dass viele türkische Mitbürger, auch wenn sie gerne hier leben und sich in Deutschland heimisch fühlen, stolz auf die Türkei sind und deshalb lieber für sie spielen.

Gibt es die Überlegung, dass man als Spieler türkischer Herkunft schlechtere Aussichten hat, in die deutsche Nationalmannschaft berufen zu werden?

Nein. Inzwischen gibt es doch in der deutschen Mannschaft viele, die selbst oder deren Eltern aus einem anderen Land stammen, Kevin Kuranyi zum Beispiel oder Gerald Asamoah. Ich glau­be nicht, dass das hier ein Problem ist.

Sind Sie mit dem bisherigen Verlauf der Saison für Hertha BSC Berlin zufrieden?

Vom Tabellenplatz her schon. Wir sind Fünfter, und das entspricht un­serem Anspruch, international dabei zu sein. Wir sind ganz gut in die Saison gestartet, hatten aber zum Ende der Vorrunde einige Probleme. Die letzten Wochen waren nicht so toll, da haben wir es versäumt, einige Punkte mehr zu holen, und sind außerdem im DFB-Pokal gegen St. Pauli ausgeschieden. Im Großen und Ganzen können wir trotzdem mit der Saison zufrieden sein.

Als vor zwei Jahren Ihr Vertrag in Leverkusen endete, hat sich außer Her­tha BSC auch Werder Bremen stark um Sie bemüht. Mit Bremen hätten Sie in der Champions League spielen können. Haben Sie es je bereut, nach Berlin gekommen zu sein?

Überhaupt nicht. Ich denke, dass ich mich in den anderthalb Jahren in Berlin fußballerisch sehr gut entwickelt habe. Bislang ist für mich bei Hertha alles so gelaufen, wie ich es mir vorgestellt habe. Natürlich will ich irgendwann wieder in der Champions ­League spielen. Dieses Jahr wird das für uns sehr schwer, aber ich hoffe, dass wir im nächsten mit Hertha so weit kommen.

Wie gefällt Ihnen Berlin?

Ich mag die Stadt. Ich habe hier viele Freundschaften geschlossen, und Berlin ist eine Stadt, in der man sich nie langweilt.

Und Kreuzberg?

Ich bin da öfter. Jemand, der aus dem Ausland nach Deutschland kommt, kann sich schon darüber wundern, wenn er dorthin kommt und am Eingang nicht nur »Zentrum Kreuzberg« liest, sondern auch die Aufschrift »Kreuz­berg Merkezi«. Aber mir gefällt das, manchmal jedenfalls.

Woran liegt es, dass von den überdurchschnittlich vielen türkischen Kindern und Jugendlichen, die in deutschen Vereinen spielen, nur die wenigsten den Sprung zum Profifußballer schaffen?

Es gibt viele talentierte Jugendliche, das war schon in meiner Jugendzeit bei den Sportfreunden Wanne-Eickel so. Aber je weiter man nach oben kommt, desto weniger türkische Spieler gibt es. Vielleicht liegt es daran, dass vielen der unbedingte Wille fehlt, Profi zu werden und dafür alles zu tun.

Wo würden Sie gerne noch mal spielen?

Ich will unbedingt noch mal in der Cham­pions League spielen und hoffe, dass wir uns spätestens nächstes Jahr mit Hertha BSC dafür qualifizieren. Ich bin jetzt 27 und nicht mehr der Jüngste. Ich habe noch einen Vertrag von anderthalb Jahren, dann werde ich fast zehn Jahre Bundesliga hinter mir haben. Danach könnte ich es mir gut vorstellen, es noch einmal im Ausland zu probieren, in Spanien vielleicht oder in England. Ich kenne das Gefühl, im Finale der Champions League zu stehen, es wäre schön, das noch einmal erleben zu dürfen.