Ernten jenseits des Limpopo

Die ländlichen Regionen von Zimbabwe steuern auf eine ökonomische Katastrophe zu. Viele Menschen versuchen deshalb, im benachbarten Südafrika Arbeit zu finden. von wolfgang stadter

Wenn das Volk kein Brot hat, soll es wenigstens gut genährte Menschen sehen. Ende April wurde im Hauptquartier der Zanu-PF, der Partei des zimbabwischen Diktators Robert Mugabe, in einer nationalen Schönheitskonkurrenz die Miss Biggy-Matofotofo gekürt. Matofotofo heißt so viel wie groß und flauschig. Der Wettbewerb, der die fülligeren weiblichen Formen feiert, kontrastiert schroff mit der Realität weiter Teile der Bevölkerung.

Die UN gehen besonders für den ländlichen Raum Zimbabwes von über drei Millionen Menschen aus, die auf Nahrungsmittelhilfe angewiesen sind. Derzeit hat das Land eine Inflationsrate von über 900 Prozent, die Lebenserwartung von weniger als 40 Jahren ist die niedrigste der Welt. So versuchen täglich Hunder­te über den Grenzfluss Limpopo ins benachbarte Süd­afrika vorzudringen. Diejenigen, die nicht sofort wie­der abgeschoben werden, finden häufig illegale Beschäftigung in der Landwirtschaft, wo patriarchalische Arbeitsverhältnisse und ungewisse Entlohnung auf sie warten und ihnen ständig die Ausweisung droht. Schätzungen gehen von 1,2 bis 3,5 Millionen solcher »Gastarbeiter« aus.

Das ökonomische Desaster verschärfte sich nach der im Jahr 2002 begonnenen Enteignungskampagne. Das Land der weißen Großgrundbesitzer wurde überwiegend an Anhänger Mugabes verteilt, während die Landarbeiter leer ausgingen. Die Nahrungsmittelproduktion und Agrarexporte gingen stark zurück. Von Mai bis Juli vorigen Jahres wurden im städtischen Bereich die Häuser und »illegalen Handelsstrukturen« von circa 700 000 Menschen in der »Operation Murambatsvina« (»Müll­entsorgung«) zerstört (Jungle World, 24/05). Es handelte sich dabei häufig um Veteranen des Kampfes gegen die Apartheid, die einen für Mugabe bedrohlichen politischen Faktor darstellten. Viele dieser Vertriebenen suchen nun ihr Glück im Nachbarland.

In Südafrika, auf der anderen Seite des Limpopo, versucht man Zustände wie in Zimbabwe zu vermeiden. So wurden bis heute weniger als vier Prozent des Farmlands aus weißem Besitz an Menschen vergeben, die unter dem Apartheid-Regime benachteiligt waren. Die Regierung Thabo Mbekis sieht bis zum Jahr 2014 aber eine Übergabe von 30 Prozent des kommerziell nutzbaren Landes vor. Wegen des öffentlichen Drucks soll der Prozess beschleunigt werden. Galt bisher die Freiwilligkeit als Grundlage der Umverteilung, drohen jetzt Enteignungen. Zwar stimmte in einem Präzedenzfall am 26. April ein Besitzer noch in letzter Sekunde dem vorgeschlagenen Kaufpreis zu, doch hat die Regierung 355 weiteren Großgrundbesitzern Ultimaten gestellt.

Zur propagierten gesellschaftlichen Harmonisierung durch die Landreform wird es wohl nicht kommen. Südafrika kann sich als drittgrößter Agrar­­ex­porteur der Welt kaum eine Zersplitterung seiner hochtechnologisierten Landwirtschaft in winzige Subsistenzbetriebe leisten. Zudem verzeichnen die unter der Apartheid entstandenen Townships seit der Einführung gesetzlicher Mindest­löhne enorme Zuwächse aus ländlichen Gegenden. Viele der Landarbeiter, die für die Großgrundbesitzer zu teuer geworden sind, fristen in den Armenvierteln der Städte ein miserables Dasein.

An diesem Punkt verbindet die kapitalistische Logik die beiden Landreformen: Das scheinbar progressive Reformprojekt der südafrikanischen Regierung darf den marktwirtschaftlichen Status Quo nicht gefährden. Dort, wo der politische Druck sozialpolitische Maßnahmen wie Mindestlöhne erzwungen hat, können die Agrarkapitalisten auf noch billigere Migranten aus Zimbabwe zurückgreifen, die durch eine Landreform arbeitslos wurden, die den Herrschaftsinteressen der politischen Oligarchie dient.