Intrige im Elyséepalast

Nach dem Scheitern des CPE bringt eine Geheimdienstaffäre den französischen Premierminister Villepin aufs Neue in Bedrängnis. von bernhard schmid, paris

Der Machtkampf unter den französischen Konservativen steht kurz vor einem entscheidenden Wendepunkt. Der Versuch von Staatspräsident Jacques Chirac, den noch amtierenden, aber kaum noch handlungsfähigen Premierminister Dominique de Villepin zu seinem Nachfolger zu machen und den Aufstieg des Herausforderers Nicolas Sarkozy zu behindern, ist grandios gescheitert.

Die Vorgeschichte beginnt im Jahr 2003. Damals setzte der französische Auslandsgeheimdienst DGSE den zwielichtigen Informatiker Imad Lahoud auf die Vorgänge bei der luxemburgischen Bank Clearstream an. Die Bank, die seit sechs Jahren der Deutschen Börse in Frankfurt am Main gehört, geriet Anfang des Jahrzehnts in Verruf. Der Journalist und Buchautor Denis Robert enthüllte im Jahr 2001, dass sie eine entscheidende Rolle als internationale Geldwäscheanstalt spielte.

Lahoud war zunächst vom DGSE beauftragt wor­den, weil er behauptet hatte, geheimen Konten von al-Qaida durch Hacking auf die Spur kommen zu können. Für diese Aufgabe erwies er sich jedoch als absolut unfähig.Dafür konnte er seinen Vorgesetzten ausführliche Auszüge mit Namen angeblicher Geheimkunden aus Frankreich präsentieren, die bei den Geldtransfers von Clearstream eine Rolle spielten. Die Dienste begannen zu ermitteln.

Im Jahr 2004 tauchten dann weitere Auszüge durch ein anonymes Schreiben aus der Justiz auf, die wahrscheinlich aus derselben Quelle stammten. Diese aber waren gefälscht. Aus ihnen ging scheinbar hervor, dass mehrere führende französische Politiker geheime Konten über Clearstream unterhielten.

Unter ihnen befand sich angeblich auch Sarkozy, der mit den Decknamen Paul de Nagy und Stéphane Bocsa geführt worden sein soll. In Wirk­lichkeit war dies viel zu plump, um wahr sein zu können: Der Geburtsname des Innenministers, dessen Vater ein ungarischer Landadeliger war, lautet Nicolas Paul Stéphane Sarközy de Nagy-Bocsa. So dumm, seine sämtlichen wirklichen Namen zu benutzen, wäre der Mann wohl kaum gewesen.

Doch der damalige Außenminister und derzeitige Premierminister Villepin wähnte, ein sicheres Mittel gegen seinen Konkurrenten in Händen zu halten, und wollte nicht mehr von der Sache ablassen. So ließ er den General Rondot, einen Funktionär des militärischen Nachrichtendiensts, gegen Sarkozy weiter ermitteln.

Bei diesem förderte die Polizei während einer Hausdurchsuchung vor einem Monat belastendes Material zu Tage, aus dem die Anfänge seiner illegalen Ermittlungen hervorgehen sollen. Die Spur führt zu Villepin. Manche aufgefundenen Dokumente deuten zudem darauf hin, dass er dabei mit ausdrück­licher Unterstützung Präsident Chiracs handelte.

Auch Sarkozy war offensichtlich seit Ende des Jahres 2004 über die Affäre unterrichtet. Und auch er war nicht zimperlich, sondern bedrohte etwa einen Sicherheitsberater Chiracs mit den Worten: »Es wird Blut an den Wänden kleben, und es wird keiner DNA-Untersuchung bedürfen, um zu wissen, dass es deines ist.« Seit den neuesten Enthüllungen aber kann er sich öffentlichkeitswirksam als Opfer übler Machen­schaften darstellen.

Gleichzeitig demonstriert er, was er sich unter effektiver Regierungsarbeit vorstellt. In der vergangene Woche brachte er seinen Entwurf für ein drastisch verschärftes Ausländergesetz in erster Lesung durch die Nationalversammlung, während er zugleich in Interviews betonte, er wolle »jeden einzelnen« Wähler der extremen Rechten gewinnen. Und das alles, während die Öffentlichkeit bereits über den Abgang Villepins spekuliert. Das konservativ-liberale Wochenmagazin Le Point titelte: »Das Gespenst von Watergate«.