Da schau her!

Die NPD hat im oberpfälzischen Cham eine Immobilie erworben. Im Juni will sie dort den »Bayerntag« abhalten. von robert andreasch

Vermögend scheint Uwe Meenen nicht zu sein. Der Vorsitzende des NPD-Bezirksverbands Unterfranken gab in einem Prozess im März 2005 an, er habe als »selbständiger Verlagskaufmann« nur 600 Euro Einkommen. Das von ihm als Geschäftsführer des »Fränkischen Kulturbunds« seit Februar betriebene Antiquariat »Pfeiferhans« in Würzburg ist schon wieder geschlossen. Trotzdem tritt der 43jährige Würzburger, der mit Horst Mahler und Reinhold Oberlercher einst das »Deutsche Kolleg« gründete, in ganz Deutschland als Käufer von Immobilien auf, die der Neonazi-Szene zur Verfügung gestellt werden sollen.

Im Jahr 2001 kaufte er für Steffen Hupka das Schloss Trebnitz in Sachsen-Anhalt. Im April 2005 bot er 500 000 Euro für eine Tennishalle im ober­pfälzischen Grafenwöhr. Die bayerische NPD, die seit Jahren über kein Landesbüro für ihre rund 850 Mitglieder mehr verfügte, triumphierte mit ihren Parolen von der »befreiten Zone Grafenwöhr« und der »Stadt der Landesparteitage« allerdings zu früh, denn die Stadt konnte sich die Halle noch per nachträglichem Vorkaufsrecht sichern.

Danach soll sich die NPD erfolglos um Fabrikhallen im Raum Landshut bemüht haben. Ende März erwarb Meenen treuhänderisch für die bayerische NPD an der Badstraße 23 in Cham die jahrelang leer stehenden Diskotheken »Frosch­könig« und »Sax« und den ehemaligen Comet-Markt mit dem dazugehörigen Gelände. Für das Ensemble mit einem Schätzwert von 862 000 Euro soll Meenen nach einem Bericht der Mittelbayerischen Zeitung 1,2 Millionen Euro gezahlt haben. Nach seinen Angaben sei geplant, eine Gastwirtschaft und ein »Jugendkulturzentrum« für die örtlichen Kameradschaften einzurichten, später sollen die Gebäude auch für Schulungen und Parteitage dienen.

Cham und die Oberpfalz sind nicht zufällig ausgewählt worden. Antifas registrierten in der Gegend in den vergangenen Jahren eine enorme Zunahme neonazistischer Aktionen, etwa von der Kameradschaft »Asgard Ratisbona« in Regensburg. Am Standort der U.S. Army in Grafenwöhr kam es wiederholt zu Neonaziaufmärschen. Zahlreiche Neonazikonzerte, unter anderem in Etzenricht und Wackersdorf, dürften die Szene auch gestärkt haben. Auf Wahlveranstaltungen der Linkspartei versuchten Rechtsextreme zu stören, im September 2005 lösten Unbekannte die Radmuttern am Auto von Siegfried Stoiber, dem Direktkandidaten der Linkspartei in Cham. Sechs Neonazis der »Kameradschaft Niederbayern/Oberpfalz« wurden im Dezember wegen eines Raubüberfalls zu mehr­jährigen Haftstrafen verurteilt. Das Polizeipräsidium Niederbayern/Oberpfalz verzeichnete im vergangenen Jahr 311 rechte Straftaten, 22 Prozent mehr als 2004.

In Cham sind mit den »Weissen Wölfen Cham-Roding« , den »Weissen Wölfen Weiden« um Dieter Schwank und Patrick Schrö­der und den »Freien Nationalisten Cham« um Michael »Pongo« Pongratz mehrere Neonazigruppen aktiv. Im April wurde außerdem noch ein Stützpunkt der Jungen Nationaldemokraten (JN) gegründet und der NPD-Bezirksverband Oberpfalz wiederbelebt.

Von Januar bis April dieses Jahres hatten vier Neonazis der Umgebung die Diskothek »Froschkönig« beim Schwandorfer Unternehmer Josef Jäger, dem späteren Verkäufer, angemietet und als »Sturmlokal 23« betrieben. Allein in dieser Zeit fanden mindestens drei Rechts­rock-Konzerte u.a. der Bands »Jagd­staffel« aus Stuttgart, »Braune Brüder« aus Wunsiedel und »Feldherren« aus München statt. Nur eine weitere »Geburtstagsfeier« im März mit der Band »Oidoxie« aus Dortmund wurde von der Stadtverwaltung untersagt.

Die Bürger von Cham interessierten sich bisher kaum für diese Vorgänge. Überhaupt scheint hier nicht viel los zu sein, auch in der Chronologie der Stadt auf ihrer Homepage klafft eine bemerkenswerte Lücke von 1861 bis 1945. Stolz ist man immer noch, dass Bernhard Wicki hier 1959 mit Günther Pfitzmann und Volker Lechtenbrink den Film »Die Brücke« über den Kampf der deutschen NS-Kindersoldaten im »Volks­sturm« drehte, keine 1 000 Meter von der heutigen Immobilie der NPD entfernt.

Als Neonazis im November 2005 zu einem Aufmarsch unter dem Motto »Zerschlagt den roten Terror« gegen eine Konferenz der Linkspartei aufriefen, riet Bürgermeister Leo Hackenspiel von den »Freien Wählern« seinen Bürgern von Protestaktionen ab: »Bleibt weg!« Die Chamer Friedensinitiative meinte: »Wir akzeptieren weder rechten noch linken Extremismus.« Als am 1. April 100 Neonazis für den inhaftierten Sänger der Band Landser, Michael »Lunikoff« Regener, aufmarschierten, empfahlen die SPD und die Friedensinitiative allen Ernstes: »Nicht hinsehen«. Lediglich 250 Jugendliche und angereiste Antifas fanden sich an der Aufmarschroute zusammen, um gegen das rechte Treiben zu demonstrieren.

In der Nacht zum 5. April schließlich schlugen vier Neonazis einen irakischen Asylbewerber am Bahnhof in Cham zusammen und verletzten ihn schwer. Dieser Vorfall und die Randale von Rechten in einer Kirche sorgten für etwas Bewegung in der Stadt. »Wir sind entsetzt und werden alle Hebel in Bewegung setzen, um das zu verhindern«, sagte nun die Stadtverwaltung zu dem Immobilienkauf. Auf die Gesetzgebung des bayerischen Hochwasserschutzes gestützt, könne es eventuell noch eine Chance geben. Eine »Front der Demokraten«, wie die SPD sie nennt, aus der Feuerwehr, verschiedenen Vereinen und politischer Prominenz ruft zu einer Demonstration »gegen Extremismus« am 3. Juni auf, die Linkspartei wird dabei nicht geduldet.

Zwei Wochen danach, am 17. Juni, lädt die NPD zum »Bayerntag« erstmals auf das Gelände ein. Den 800 Neonazis, die der Anmelder Axel Michaelis aus Bamberg erwartet, soll dort nicht nur eine Rede des Vorsitzenden der NPD, Udo Voigt, geboten werden. Ein Bierzelt und eine Hüpfburg sollen aufgebaut werden und die kalifornischen Zwillinge »Prussian Blue« sowie die Bands »Braune Brüder«, »Burning Hate« und »Hauptkampflinie« sollen auftreten.

Antifa-Gruppen aus ganz Bayern und die Linkspartei in Cham haben inzwischen mit den Vorbereitungen zu Gegenaktionen begonnen. Sie sollen zugleich den Auftakt bilden zu einer Antifakampagne unter dem Titel: »Nazis unplugged«. Sie orientiert sich an dem sächsischen Vorbild »Schöner leben ohne Naziläden« und will in Bayern der »Nazi-Infrastruktur den Saft abdrehen«.