Spaß zu zweit

Happy Family IV

Ich bin so eine. Ich bin eins dieser Monster, das, wenn die Sonne, »die gelbe Sau« (Peter Licht), scheint, das Haus verlässt und grinsend durch die Gegend spaziert. Ich bin eine Kinderwagenschieberin. Ich traue mich nicht nur zum nächsten Bioladen, um Folgemilch 2 zu kaufen, oder zum nächsten Drogeriemarkt, um noch eine Packung Ökowindeln zu holen. Ich besuche auch Cafés und Kneipen – nur wenn man draußen sitzen kann, selbstverständlich. Doch am allerliebsten gehe ich in Parks. Was meinem Sohn und mir am meisten Spaß macht, ist, dort Leute zu ärgern.

Der Park ist voll mit Leuten, die gelassen auf der Wiese sitzen, entspannt Bier trinken, Joints rauchen, Frisbee spielen, sich küssen oder laut lachen. Im Vorbeigehen bemerke ich eine Gestalt der etwas anderen Art. Er ist ungefähr so jung – oder so alt? – wie ich und sieht eigentlich ganz gut aus. Steif sitzt er auf einer Bank. Seine dunklen Klamotten sind an diesem Tag eine Beleidigung fürs Auge. Der Wiese, die heute so schön riecht, misstraut er, aus Gründen, die vielleicht auf besonders schwere Kindheitstrauma­ta zurückzuführen sind. Er hat ein Buch in der Hand, doch ich kann den Titel leider nicht lesen; es würde mich interessieren, was so ein Mensch an so einem Tag auf so einer Bank in so einem Park so liest. Eine Tages- und eine Wochenzeitung liegen neben ihm, noch ungelesen. Er sieht in die Ferne oder beobachtet die Menschen, die das Leben, oder vielleicht auch nur diese paar Stunden am Nachmittag, schön finden. Vielleicht beneidet er sie. Vielleicht verachtet er sie. Vielleicht hält er ihre Freude für total dumm. Ich versuche immer wieder zu entziffern, was er gerade liest oder gelesen hat.

Jedenfalls wollen mein Sohn und ich unseren Spaß haben. Nicht unweit der Bank, wo unser Opfer sitzt, breite ich meine bunte Decke aus. Das Buch mit den Tieren vom Bauernhof habe ich natürlich dabei. »Muuuu, muuuu!« Mit dem Buch in der Hand nähert sich der Kleine, noch ein wenig unsicher auf den Beinen, dem düsteren Mann. Er will ihm die Kuh zeigen. »Muuu! Muuu, muuu!« Er wird immer lauter. Der Mann bemüht sich angestrengt, das Kind nicht zu bemerken. »Muuuuuu!« Ich fange an zu telefonieren. Meine beste Freundin ist im neunten Monat schwanger. Der Muttermund öffne sich bereits langsam, hat ihr die Ärztin gesagt. »Muuuuuuuuuuu!« Hoffentlich muss bei ihr kein Dammschnitt gemacht werden. Das fand ich so furchtbar…

Das Spiel war nicht so lustig. Der Mann hat den Kleinen beharrlich ignoriert und angefangen, in seinem Buch zu blättern. Ich sitze nur ein bisschen zu weit entfernt, ich kann nicht sehen, was er liest.

Es wird Zeit, etwas zu essen. Ich habe Brot, Joghurt und natürlich »Naaane« dabei. Mit einem Stück Banane in der Hand geht mein Sohn wieder in Richtung Bank, das Stück fällt auf den Boden, er hebt es wieder auf. Jetzt hat er den Mann erreicht und will ihm die zermatschte Banane schenken. Er sucht seine Hand. Der Mann versucht zu lächeln, schaut sich um und scheint zu denken: Wo ist die verdammte Mutter, wo sind die Mitarbeiter des Ordnungsamts? Ich bleibe auf meiner Decke liegen und kucke zu, wie der Kleine dem Mann das abgelutschte und staubige Stück »Naaane« in den Mund steckt. Glücklich kommt er zu Mama zurück.

Auch heute war es wieder wunderschön im Park.

bianca ravel