Public Enemy Numéro Deux

Die französische Regierung hat die Organisation Tribu K wegen Rassismus verboten. Deren ausschließlich schwarze Mitglieder sind militante Antisemiten. von bernhard schmid, paris

Es ist das erste Mal, dass in Frankreich eine Organisation von Nicht-Weißen wegen Rassismus verboten wird. Am Mittwoch der vergangenen Woche beschloss das Kabinett, die ethnozentristische, neuheidnische und antisemitische Gruppierung Tribu K aufzulösen. Der Organisation, deren Mitglieder ausschließlich französische Schwarze sind, gehören nach Schätzungen der Staatsschutzabteilung der Polizei etwa 30 Personen an.

Um sie zu verbieten, wurde ein Gesetz aus dem Jahr 1936 zur Auflösung von »Kampfgruppen und privaten Milizen« herangezogen, das in der Zwischenkriegszeit dazu diente, faschistische Ligen oder Bünde zu bekämpfen. Auch in den vergangenen Jahren wurde dieses Gesetz bemüht, um beispielsweise politische Gruppierungen, die mit Gewalt drohten, aufzulösen. Tribu K gehört in die Kategorie der politischen Gewalttäter. Innenminister Nicolas Sarkozy drohte das erste Mal mit einem Verbot, nachdem die Gruppierung im Mai mit etwa 20 Mitgliedern in den Marais, das älteste jüdische Viertel von Paris, eingedrungen war.

Dort marschierten sie in der Rue des Rosiers, einer Straße mit zahlreichen Restaurants und Geschäften im Zentrum des Marais, auf. Sie bedroh­ten Bewohner und Besucher und beschimpften jüdische Ladenbesitzer. Nach Angaben von Tribu K galt ihr Auftritt der Jüdischen Verteidigungsliga (LDJ), dem französischen Ableger der rassistischen Kach-Bewegung, die von dem im Jahr 1990 getöteten Rabbi Meir Kahane gegründet wor­den war. Diejenigen, die von den Schwarzen bedroht wurden, hatten aber natürlich gar nichts mit der LDJ zu tun. Die Kach-Bewegung ist in Israel verboten worden, nachdem ihr Anhänger Baruch Goldstein in Hebron im Jahr 1994 30 betende Palästinenser ermordet hatte. Die Bewegung ist auch in den USA nicht zugelassen.

Doch vor allem war der Aufmarsch des Schlägerkommandos der Tribu K im Viertel eine Drohgebärde gegen die dort lebenden Juden. Denn die Mitglieder der Gruppe sind der Meinung, es gebe keine politischen Strömungen, sondern nur Juden, Schwarze und andere »naturgegebene« Gruppen, die strikt voneinander getrennt leben sollten. Für den darauf folgenden Sonntag hatte Tribu K angekündigt, erneut in den Marais einzudringen, was aber nicht geschah.

Vor einem Monat tauchte die Organisa­tion das letzte Mal in der Öffentlichkeit auf. Eine Abordnung der Schlägertruppe begab sich nach Compiègne – 65 Kilometer nördlich von Paris – an das Krankenbett eines Schwarzen, der Opfer eines rassistischen Amokschützen geworden war. Der Verletzte erklärte dazu, er schätze die Geste der Aufmerksamkeit, könne sich mit den Ideen der Gruppe aber überhaupt nicht identifizieren. Vertreter von Tribu K forderten Innenminister Sarkozy sowie den Bürgermeister von Compiègne dazu auf, dem schwarzen Gewaltopfer einen Besuch abzustatten. Ansonsten werde es »Aufruhr« geben.

Ideologisch zeichnet sich die sektenartige Gruppierung dadurch aus, dass ihre Mitglieder von sich behaupten, eine neue Religion erfunden bzw. wiederentdeckt zu haben. So betrieben sie kultische Handlungen um den alt­ägyp­tischen Gott Aton. Die Gruppe schreibt sich zuweilen auch »Tribu KA« statt »Tribu K«, wobei der Buchstabe dann auch für Atoniens, Aton-Anhänger, steht. Das »K« hingegen fungiert als Platzhalter für den ebenfalls von der Gruppierung geschaffenen Begriff kémites. »Kemiten« ist in der Sprache der Anhänger von Tribu K das Wort für »Menschen, die aus Afrika stammen«. Sie bezeichnen sie als das »auserwählte Volk der Geschichte«.

Dieses Volk habe sich im alten Ägypten als Träger einer überlegenen Zivilisation erwiesen. Nunmehr müsse es den Platz »an der Spitze der Menschheit«, der ihm von Natur aus bzw. vom göttlichen Schöpfungsplan her zustehe, zurücker­obern. Auf dem Weg dahin müsse das auserwählte Volk sich selbst »rein halten« und dürfe sich nicht mit anderen Menschengruppen »vermischen«. Die Weißen, von den Tribu K-Mitgliedern mit einem aus dem Altgriechischen abgeleiteten Doppelbegriff als Leukoderme (Weißhäutige) bezeichnet, seien dabei ebenso Konkurrenten bzw. Feinde des kemitischen Volkes wie Juden und Araber. Die Existenz menschlicher »Rassen« wird von ihnen als gegeben hingenommen, auch glauben sie an eine Hierarchie der »Rassen«, wobei diese spiegelverkehrt zu den Vorstellungen weißer Rassisten funktioniert. Als Antwort auf die tatsächlich bestehenden Benachteiligungen und rassistischen Herabsetzungen von Schwarzen, die etwa der 25jährige Gründer und Anführer von Tribu K, Sémi Kéba, in seiner Jugend in Strasbourg erfahren musste, hat die Gruppierung ein eigenes rassistisches Weltbild entworfen.

Nicht zufällig nimmt sie dabei mit dem Begriff des »auserwählten Volkes« Bezug auf das Alte Testament. Die Wortschöpfung »Kemiten« ist eine Nachahmung des eigentlich eine Sprachengruppe bezeichnenden Begriffs Semiten. Die Schaffung einer neuen Religion sollte dabei den geringen Stellenwert kritisieren, der den Schwarzen in den bestehenden monotheistischen Weltreligionen und den ihnen zugrunde gelegten Schriften zukomme. Zudem hegt ein Teil der schwarzen Bevölkerung – wie auch andere Minderheiten – Ressentiments gegen die jüdische Bevölkerung in Frankreich. Behauptet wird, die Juden, obwohl ebenfalls eine Minderheit, seien besser integriert, stärker im öffentlichen Leben präsent und übten bessere Berufen als »die eigenen Leute« aus.

Einige Schwarze pflegen zudem einen neidvollen Hass auf die Juden, der aus einer Art Opferkonkurrenz resultiert: Ihnen wird vorgeworfen, durch das Wachhalten der Erinnerung an die Shoah zu verhindern, dass andere Menschheitsverbrechen wie die Sklaverei wahrgenommen würden. Diese Ideologie, die in den USA von dem antisemitischen Prediger Louis Farrakhan und seinen Black Muslims, die in den Communities einige Zeit sehr einflussreich waren, verbreitet wird, hat in Frankreich in den vergangenen Jahren vor allem der Theatermacher Dieudonné M’bala M’bala verbreitet. Bisher finden diese Vorstellungen unter den Schwarzen in Frankreich noch relativ wenig Anklang. Deren Zentralrat, der vergangenes Jahr gegründet wurde, distanziert sich von jeder Form von Rassismus und Antisemitismus. Dass Dieudonné noch vor zwei Jahren die Muskelpakete der Tribu K als Ordnertruppe einsetzte, trägt nun zusätzlich zu seiner Diskreditierung bei.