Nach der ersten direkten Attacke der Islamischen Republik Iran auf Israel

Untragbare Situation

Trotz aufgezwungener Zurückhaltung dürfte Israel langfristig die Beseitigung der militärischen Stärke seiner antisemitischen Feinde ins Auge fassen.

Der Herausgeber der Times of Israel, David Horowitz, hat treffend auf den Punkt gebracht, dass die Verteidigungsaktionen Israels und seiner Alliierten gegen den iranischen Angriff vom Wochenende zwar ein Erfolg waren, aber kein Sieg in dem Sinne, dass die israelische Abschreckung wiederhergestellt wäre. Dementsprechend dreht sich die Diskussion im israelischen Kriegskabinett nicht um die Frage, ob Israel auf die heftige iranische Drohnen- und Raketenattacke reagieren soll, sondern um die Art und den Zeitpunkt der Reaktion.

Verteidigungsminister Yoav Galant und der ehemalige Verteidigungsminister Benny Gantz, der nach jetzigem Stand der aussichtsreichste Kandidat für die Nachfolge von Benjamin Netanyahu als Ministerpräsident ist, suchen nach Möglichkeiten eines deutlichen Vergeltungsschlags, der dennoch zwei Bedingungen erfüllen soll: erstens eine Eskalation im großen Maßstab zumindest zum jetzigen Zeitpunkt zu verhindern, und zweitens die antiiranische Verteidigungskoalition, die am Wochenende erstmals ihre Effektivität demonstriert hat, nicht zu gefährden. Gallant und Gantz betonen die momentanen strategischen Möglichkeiten für das Festigen einer langfristigen Allianz gegen die Gefahren aus dem Iran, an der Israel seit über einer Dekade arbeitet.

Die anhaltende Weigerung der Bundesregierung, die iranischen Revolutionsgarden auf jene Terrorliste zu setzen, auf die sie schon seit Jahrzehnten gehören, lässt den Machthabern in Teheran weiterhin freie Hand – auch nach dem präzedenzlosen direkten Angriff aus dem Iran am Wochenende.

Dass solch eine Allianz überhaupt notwendig ist, liegt neben dem antisemitischen Charakter des iranischen Regimes an der iranischen Aufrüstung – und zu deren Voraussetzungen gehören die Milliardengeschäfte deutscher Unternehmen mit dem iranischen Regime, die in den vergangenen Jahrzehnten von ausnahmslos allen deutschen Regierungen gefördert wurden.

Die Deutsch-Iranische Industrie- und Handelskammer konnte Anfang des Jahres freudig verkünden, dass Deutschland weiterhin »der wichtigste Handelspartner des Iran in Europa« ist, und die anhaltende Weigerung der Bundesregierung, die iranischen Revolutionsgarden auf jene Terrorliste zu setzen, auf die sie schon seit Jahrzehnten gehören, lässt den Machthabern in Teheran weiterhin freie Hand – auch nach dem 7. Oktober und auch nach dem präzedenzlosen direkten Angriff aus dem Iran am Wochenende.

Konsens gegen Terrorarmeen und nukleare Bewaffnung

Unabhängig davon, in welchem Ausmaß Israel sich in der gegenwärtigen Situation genötigt sieht, den Aufrufen zur »Zurückhaltung« zu folgen, besteht im israelischen Sicherheitsestablishment nach dem 7. Oktober weitgehend Konsens darüber, dass der jüdische Staat sich auf lange Sicht mit hochgerüsteten, vom Iran finanzierten antisemitischen Terrorarmeen direkt an seinen Grenzen ebenso wenig abfinden kann wie mit einem nach nuklearer Bewaffnung strebenden iranischen Regime. Beide Gegner lassen sich nicht dauerhaft abschrecken. Ganz egal, wie man sich ihnen gegenüber verhält, weichen sie keinen Millimeter von ihrem erklärten Ziel ab, den jüdischen Staat zu vernichten.

Die Hizbollah hat Israel seit dem 7. Oktober fast täglich beschossen und Teile Nordisraels nahezu unbewohnbar gemacht.

Dementsprechend wurde die Regierung Netanyahus schon vor Jahren von israelischen Analysten unterschiedlichster Couleur dafür kritisiert, nicht präventiv zumindest gegen die immer bedrohlichere Aufrüstung des gefährlichsten iranischen Verbündeten, der Hizbollah im Libanon, vorzugehen. Die Hizbollah, deren Shura-Rat der beim israelischen Angriff in Damaskus Anfang April getötete iranische Revolutionsgarden-General Mohammad Reza Zahedi als einziger Nichtlibanese nach Angaben einer der Terrorgruppe nahestehenden Quelle angehörte, hat Israel seit dem 7. Oktober fast täglich beschossen und Teile Nordisraels nahezu unbewohnbar gemacht.

Wie untragbar die gegenwärtige Situation ist, wird bereits daran deutlich, dass die Abwehr des iranischen Drohnen- und Raketenangriffs allein Israel in wenigen Stunden deutlich über eine Milliarde US-Dollar gekostet hat. Der Abschuss einer einzigen Abwehrrakete des hocheffizienten Arrow-Systems in Israel soll je nach Modell zwischen vier und 20 Millionen US-Dollar kosten. Auch der Einsatz der Abwehrsysteme Iron Dome und David’s Sling verursacht enorm hohe Kosten.

Kosten von etwa zweieinhalb Milliarden US-Dollar

Dazu kommt eine weitere Milliarde, welche die USA für die unmittelbare Verteidigung Israels aufbringen mussten, sowie die immensen Kosten, die auch den weiteren Alliierten – insbesondere Großbritannien, Jordanien und Frankreich – entstanden sind. Die erfolgreiche Abwehr von etwa 200 Drohnen sowie knapp 100 Marschflugkörpern und ballistischen Raketen hat Kosten von etwa zweieinhalb Milliarden US-Dollar verursacht. Schon deshalb wird der iranische Angriff vom Wochenende in Israel die Diskussionen befeuern, inwiefern es einer grundlegenden Umorientierung in der Verteidigungsdoktrin bedarf.

Unabhängig von der Art und dem Zeitpunkt der israelischen Antwort auf den iranischen Angriff vom Wochenende ist klar, dass das iranische Regime seine in den vergangenen Jahren erlangten Machtpositionen in arabischen Ländern, mit denen es einen ring of fire um Israel legen will, nicht von alleine aufgeben wird. Es kann nur militärisch zurückgedrängt werden. Und das antisemitische Terrorregime im Iran kann perspektivisch nur gestürzt werden, wenn die Macht der Revolutionsgarden im Land und in der Region gebrochen wird. Die mit dem iranischen Regime verbündete Hizbollah allein verfügt über 150.000 auf Israel gerichtete Raketen, von ihren Radwan-Einheiten droht ein schlimmerer Angriff auf Nord­israel als jener der Hamas auf Südisrael vom 7. Oktober.

Nach dem iranischen Angriff vom Wochenende ist es noch wahrscheinlicher geworden, dass die kommenden Monate und Jahre von heftigen kriegerischen Auseinandersetzungen Israels mit seinen Todfeinden geprägt sein werden. Es deutet sich bereits an, dass Israel sich durch die Erfahrung des 7. Oktober und der eskalierenden Konfrontation mit dem Terrorregime in Teheran genötigt sieht, zu einem Verhalten zurückzukehren, dessen Notwendigkeit Max Horkheimer bereits anlässlich des Sinai-Kriegs in den fünfziger Jahren betont hat: Israel muss sich zeitweise aggressiv und präventiv verhalten, weil es keine Weltmacht, sondern lediglich eine Regionalmacht mit dauerhaft prekärer Sicherheitslage ist. Dazu kommt, dass gegenüber zum Äußersten entschlossenen islamfaschistischen Feinden klassische Abschreckungspolitik nur sehr begrenzt funktioniert – was bedeutet, dass Israel ab einem gewissen Punkt gar nichts anderes übrig bleibt, als die Beseitigung der militärischen Macht der antisemitischen Feinde anzugehen.