Mit Geld und Gottes Wort

Der Weg ins Weiße Haus ist beschwerlich und teuer. Wer Präsident der USA werden will, muss sich schon jetzt abmühen. Die wichtigsten Kandidaten stellt william hiscott vor

Ein Berater der Demokraten, James Carville, prophezeit, es werde »die Mutter aller Wahlkämpfe«. George W. Bush darf nach zwei Amtsperioden nicht mehr kandidieren, und Vizepräsident Dick Cheney will nicht. Die Vorwahlen, bei denen die Demokraten (Wappentier: Esel) und Republikaner (Wappentier: Elefant) ihren Kandidaten bestimmen, beginnen Anfang 2008. Der Wahlkampf ist jedoch bereits im Gange.

Denn wer Präsident der USA werden will, benötigt zunächst einmal Geld, viel Geld. Das stellt die Partei den potenziellen Kandidaten nicht zur Verfügung. Deshalb müssen Berater verpflichtet, Netzwerke aufgebaut, potenzielle Spender gewonnen und Wahlkampfmannschaften in den einzelnen Bundesstaaten zusammengestellt werden. Das muss bis zum Sommer 2007 erledigt sein, und wer dann noch nicht 50 Millionen Dollar eingesammelt hat, gilt als chancenlos. Der Gewinner der Vorwahlen benötigt später noch einmal die fünffache Summe für den Kampf um die Präsidentschaft.

Ohne gute Kontakte zur Geschäftswelt wird niemand Präsident. Doch die Nähe zum Kapital genügt nicht. Da es keine Parteiprogramme gibt, können die Kandidaten sich auch nicht auf sie berufen. Sie müssen ein individuelles Profil vorzeigen. Mehr als 90 Prozent der US-Amerikaner geben an, an Gott zu glauben. Die meisten erwarten das auch von ihrem Präsidenten, die Kandidaten werden auf ihre Nähe zu Gott überprüft, die ein wichtiger Maßstab ihrer Glaubwürdigkeit ist.

Allerdings gibt es auch Wähler, die die Frömmelei satt haben. Wichtig ist es daher, bei der Religion wie bei anderen Themen, eine möglichst populäre Mischung von Aussagen, die viele Wählergruppen anspricht. Damit die Botschaft die Wähler auch erreicht, muss jeder Kandidat sich ein Image zulegen und im Fernsehen eine gute Figur machen.

Doch sogar Favoriten, die alles richtig gemacht haben, müssen mit Überraschungen rechnen. Denn nicht die Parteibürokraten, sondern interessierte Bürger entscheiden die Vorwahlen. In der Regel stimmen die Anhänger der jeweiligen Partei ab. Allerdings ist die Zugehörigkeit nicht fest geregelt, die Bürger können am Tag der Vorwahl entscheiden, bei welcher Partei sie abstimmen wollen.

So erscheint es fast symbolisch, dass eine der ersten Vorwahlen im Glücksspielstaat Nevada stattfindet. Dort und in drei weiteren Bundesstaaten entscheidet sich im Januar 2008, wer eine Chance hat. Mit einem frühen Sieg kann ein Außenseiter sich noch den Weg ins Weiße Haus bahnen, Bill Clinton gelang das im Jahr 1992. Wer nach dem Super Tues­day, an dem in mindestens zehn Bundesstaaten Vorwahlen abgehalten werden, vorne liegt, hat es fast geschafft. Seinen Konkurrenten kann es kaum noch gelingen, genügend Delegierte für den Parteitag im Sommer zu sammeln. Die offizielle Kür des Kandidaten bei den Parteitagen ist nur noch Formsache, wichtiger ist die Show, mit der die heiße Phase des Wahlkampfes eröffnet wird. Drei Monate später, am 10. November 2008, wird dann der 44. Präsident gewählt. Oder die erste Präsidentin.

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Hillary Rodham Clinton

»Wenn ich auf die Titelseiten will, muss ich nur meine Frisur ändern.«

Ist Amerika reif für eine Präsidentin? Und für einen ehemaligen Präsidenten als First Gentleman? Hillary Clinton hat langjährige politische Erfahrung und kennt den Betrieb im Weißen Haus schon, dennoch repräsentiert sie den Willen, dort etwas zu ändern. Von bedingungslos gezahlten Sozialleistungen hält sie nichts, doch sie befürwortet Reformen für mehr Chancengleichheit. Ob sie es wagt, nach ihrer Niederlage bei der Reform des Gesundheitssystems 1994 so etwas noch einmal zu versuchen, ist zweifelhaft. Sie ist für strengere Waffengesetze und gegen ein Abtreibungsverbot, insgesamt sind ihre Ansichten eher konservativ. Der republikanischen Rechten gilt sie dennoch als Verkörperung liberaler Sündhaftigkeit. Ihre Gegner können sich für einen Persönlichkeitswahlkampf aus dem reichen Schatz der Anti-Hillary-Literatur bedienen (Jonah Goldberg, »Liberal Fascism: The Totalitarian Temptation from Mussolini to Hillary Clinton« und mehr als 20 weitere Titel).

Nähe zu Gott: Clinton ist Methodistin und sagt von sich: »Ich habe immer gebetet.« Bill lernte sie 1969 kennen, heiratete ihn jedoch erst sechs Jahre später. Es gilt als sicher, dass die beiden in der Zwischenzeit gesündigt haben. Nun empfiehlt sie »religiöse und moralische Werte« als Mittel gegen Tee­n­ager­schwanger­schaf­ten und bemüht sich um Kontakte zur religiösen Rechten. Konservative Christen halten sie für eine Heuchlerin.

Nähe zum Kapital: Sie verfügt über ein großes Netzwerk an Spendern und eine effiziente Wahlkampforganisation, die schon jetzt knapp neun Millionen Dollar für ihre Kasse verbuchen konnte. In der Wirtschaft erinnert man sich gerne an die hohen Wachstumsraten der neunziger Jahre, die mit dem Namen Clinton verbunden sind.

Image: Selbst viele Demokraten meinen, sie wirke kühl und abgeklärt. Emotionslosigkeit und Arroganz werden ihr nachgesagt, ihre Reden wirken einschläfernd. Sie weiß sehr gut, dass eine Frau in einer Führungsrolle sich zwar als stark und kompetent präsentieren muss, jedoch nicht als zu stark, sonst erschreckt sie viele Männer und auch manche Frauen.

Größtes Plus: Sie ist eine Frau.Größtes Handicap: Sie ist eine Frau.

Barack Hussein Obama

»Ich stehe so sehr im Rampenlicht, dass Paris Hilton neben mir wie eine Einsiedlerin wirkt.«

Seine Mutter war eine Weiße, dennoch würde Obama, wenn er es schafft, als der erste afro-amerikanische Präsident gelten. Vielen Demokraten erscheint er als Retter der müde gewordenen Partei. Der einstmalige Landespolitiker aus Illinois absolvierte im Jahr 2004 einen glänzenden Auftritt auf dem Parteitag und gewann seinen Senatssitz mit 70 Prozent der Stimmen. Obwohl er noch zögert, würde es überraschen, wenn er nicht kandidieren würde. Und wenn er die Vorwahlen nicht gewinnt: Vizepräsident Obama klingt auch gut. Bei innenpolitischen Themen hat er sich noch nicht profiliert, er gehörte jedoch zu den wenigen Demokraten, die von Anfang an gegen den Irak-Krieg waren. Rechten Demagogen ist allerdings schon aufgefallen, dass sein mittlerer Name dem eines gestürzten Diktators gleicht und sein Nachname sich auf den Vornamen eines gesuchten Terroristen reimt. Obamas Vater war Muslim – betet Barack womöglich heimlich zu Allah?

Nähe zu Gott: Obama gehört einer ganz normalen protestantischen Kirche an und stellt sich in die christliche Tradition der Afro-Amerikaner. Laizisten müssen nicht besorgt sein, für ihn ist Religion eine erbauliche Privatangelegenheit und kein politisches Machtinstrument.

Nähe zum Kapital: Freunde aus Hollywood und Chicago bringt er mit, doch als politisches Greenhorn muss er erst einmal auf nationaler Ebene Spender suchen. Ein kompliziertes Geschäft, für das Obama bereits einige Spitzenkampagnenberater gewinnen konnte. Er kritisiert die soziale Ungleichheit, stellt aber die herrschenden Dogmen der Wirtschaftspolitik nicht in Frage und zeigt damit, so David Sirota in The Nation, »die seltene Fähigkeit, Charisma und Fügsamkeit gegenüber dem Establishment zu vereinen«.

Image: Obama kann nicht nur gut aussehen, er ist auch ein hervorragender Redner, der sogar Worte wie »Hoffnung« und »Optimismus« aussprechen kann, ohne dass es peinlich und abgeschmackt wirkt. Kaum jemand würde offen sagen, dass seine Hautfarbe ihn für das höchste Staatsamt disqualifiziert. Doch niemand weiß, wie viele Wähler so denken.

Größtes Plus: Er heißt nicht Hillary.Größtes Handicap: Auch Rassisten gehen wählen.

Die restlichen Esel

»Ich werde den Esel schlagen, bis er Bush mit einem Tritt aus dem Weißen Haus befördert.« Al Sharpton, demokratischer Prediger

Obgleich es momentan nach einem Wettkampf zwischen Clinton und Obama aussieht, gibt es noch eine Reihe von demokratischen Politikern, die gerne Präsident werden wollen. Als aussichtsreichster Kandidat unter ihnen gilt John Edwards. Er erfüllt die von ihm selbst genannte Mindestqualifikation für einen Präsidenten (»sollte in der Lage sein, gleichzeitig zu gehen und Kaugummi zu kauen«) und schafft es, wie John F. Kennedy auszusehen. Das Magazin People nannte Edwards im Jahr 2000 den »sexiest politician alive«. In Armut aufgewachsen, spricht der zu Wohlstand gelangte Anwalt über die »zwei Amerikas«. Er will die soziale Ungleichheit zum zentralen politischen Thema machen und unter anderem die Steuern für Konzerne und Reiche wieder erhöhen. Das macht ihm zum Liebling der Gewerkschaften und der linken Blogger-Community, die mittlerweile zu einer einflussreichen Lobbygruppe geworden ist, obwohl er dem Irak-Krieg ursprünglich zustimmte. Im vergangenen Jahr bezeichnete er das als Fehler.

Einige Demokraten wünschen, dass der ehemalige Präsidentschaftskandidat und Erderwärmungsexperte Al Gore noch einmal antritt. Mittlerweile halten auch rechte Amerikaner Umweltschutz nicht mehr für unpatriotisch, doch nun, wo sein Lieblingsthema populär ist, will Gore nicht mehr antreten – so schön kann das Leben außerhalb Washingtons sein. John Kerry hingegen würde gerne noch einmal kandidieren, doch offenbar wollen das nicht einmal seine engsten Berater. Der Rudolf Scharping der US-Politik und Verlierer der Präsidentschaftswahlen 2004 minderte seine Chancen im November weiter durch die Warnung, wer nicht fleißig lerne, »bleibt im Irak hängen«. Tom Vilsack, bis 2007 Gouverneur von Iowa, hat seine Kandidatur bereits angemeldet. Er gilt als kompetent und nett, aber seine Chancen sind gering.

Dann gibt es noch Dennis Kucinich aus der Arbeitslosenstadt Cleveland in Ohio. Er sammelt die vereinzelten Sozialdemokraten und Sozialisten in seiner Partei um sich und prangert alles an, was schlecht ist am US-Establishment. Kucinich verdankt seinen Ruhm seiner Entscheidung als Bürgermeister von Cleveland im Jahr 1978, lieber die Kreditwürdigkeit bei den Banken zu verlieren als die städtischen Elektrizitätswerke zu verkaufen. Er verlor sein Amt, doch die E-Werke wurden nicht verkauft und lieferten später der Stadt gute Renditen und den Bürgern billigen Strom. Der Dank der Wähler verschaffte Kucinich einen Sitz im Kongress. Bereits im Jahr 2004 trat er als Kandidat an. Er liebt wohl die Vorwahlen an sich, denn eine Chance hat er eigentlich nicht.

John McCain

»Der Ehrgeiz, Präsident zu werden, ist eine Krankheit, die nur durch Einbalsamierungsflüssigkeit geheilt werden kann.«