Mord für Euskadi

Mit dem Bombenanschlag in Madrid hat die Eta die Waffenruhe beendet. Selbst Angehörige der Führungsebene der baskischen Terrororganisation scheinen davon überrascht. von thorsten mense

Der Friedensprozess ist zerstört, liquidiert und beendet«, erklärte der spanische Innenminister Alfredo Pérez Rubalcaba Anfang vergangener Woche im Hinblick auf die Gespräche mit der Eta. Die hatte wenige Tage zuvor mit einer halben Tonne Sprengstoff deutlich gemacht, dass sie die Verhandlungen für gescheitert hält.

Am Tag vor Jahresende explodierten im Parkhaus des Madrider Flughafens Barajas mehrere hundert Kilo Sprengstoff und zerstörten dabei große Teile des Terminals. Bei dem Attentat wurden 19 Personen leicht verletzt, zwei Arbeiter aus Ecuador, die in ihren Autos schliefen, kamen ums Leben. Eine Stunde vor der Explosion hatte ein Anrufer im Namen der Eta den Anschlag angekündigt. Damit sind seit dem Mai 2003 zum ersten Mal wieder Menschen bei einem Anschlag der baskischen Terroristen getötet worden.

Die Aufkündigung der Waffenruhe durch die Eta überraschte die Sicherheitsbehörden, die Politiker und die Bevölkerung im Baskenland gleichermaßen. Erst im März 2006 hatte die Eta eine »permanente Feuerpause« verkündet und angekündigt, in den »politischen Dialog« mit der sozialdemokratischen Regierung von José Luis Rodríguez Zapatero treten zu wollen. Bereits im Mai 2005 hatte das spanische Parlament Regierungschef Zapatero die Erlaubnis erteilt, der Eta den Dialog anzubieten, sollte sie ihre Waffen ablegen. Nach der Erklärung der Guerilla vom März 2006 nahmen die Kontakte, wenn auch im Geheimen, konkrete Formen an. Zapatero versuchte in den folgenden Monaten, in der Öffentlichkeit stets den Eindruck zu vermitteln, dass ein Ende der na­tio­nalistischen Gewalt in Sicht sei. Noch am Tag vor den Anschlägen verbreitete er Hoffnung auf ein mögliches Ende der Eta. Auf Kritik an seinem Optimismus antwortete er, es sei eine Frage des »gesunden Menschenverstandes« anzuerkennen, dass die Situation besser sei, wenn es »eine dauerhafte Waffenruhe gibt, wo es vorher Bomben gab«. Einen Tag später wurde ein fünfstöckiges Parkhaus dem Erdboden gleichgemacht.

Die Realität widersprach schon längere Zeit Zapateros optimistischer Darstellung. Ende Oktober raubte ein Eta-Kommando in Frankreich 350 Pistolen und Munition, einen Tag vor Weihnachten entdeckte die Polizei im Baskenland ein neu angelegtes Versteck mit Material zum Bombenbau. Während einer Feierstunde zum »Tag des baskischen Soldaten« im September traten in der kleinen Ortschaft Oiartzun drei bewaffnete Vermummte auf die Bühne und verlasen eine Erklärung der Eta, in der sie ankündigte, »mit den Waffen in der Hand« bis zur Unabhängigkeit zu kämpfen. »Wir sind bereit, unser Blut dafür zu geben«, verkündeten sie, bevor sie ein paar Schüsse in die Luft abgaben und im Wald verschwanden.

Kurz darauf äußerte die Eta konkret ihre Unzufriedenheit. In der Oktoberausgabe ihres internen Rundschreibens Zutabe erklärte sie, die Regierung habe »wertvolle Zeit« verloren, in der sie »nicht einen sichtbaren Schritt im demokratischen Prozess« unternommen habe und die »Unterdrückung und Aggressionen gegen das Baskenland« fortgeführt habe. Sollte die Regierung ihren Verpflichtungen nicht nachkommen, werde der Friedensprozess zerbrechen. »Wenn diese Attacken auf das Baskenland andauern, wird die Eta antworten.«

Was die Eta mit der Rückkehr zum bewaffneten Kampf zu diesem Zeitpunkt bezweckt, bleibt unklar. Viele sehen den Anschlag in Madrid als Beweis für interne Konflikte innerhalb der Führungsebene. Dem Anführer der Eta, Juso Ternera, soll Berichten zufolge bereits im August die Kompetenz für die Verhandlungen mit der Regierung abgesprochen worden sein, da keine Fortschritte erzielt wurden. Anscheinend hat Ternera den Führungsstreit mit dem Chef des militärischen Sektors, Garikoitz Aspiazu, nun verloren. Unter Berufung auf staatliche Stellen hieß es, dass Ternera, der sich noch Mitte Dezember in Ankara mit Regierungsvertretern getroffen hat, womöglich überhaupt nicht über den Anschlag informiert war.

Joseba Álvarez, der Sprecher der verbotenen Partei Batasuna, die als politischer Arm der Eta gilt, machte vergangene Woche ebenfalls einen überraschten und etwas ratlosen Eindruck: »Ein Attentat wie das in Madrid hat niemand erwartet.« Dennoch müsse man am politischen Dialog festhalten, so Álvarez weiter. Auch er weiß, dass eine Legalisierung der Batasuna nun in weite Ferne gerückt ist.

Der Rückhalt in der Bevölkerung wird zudem immer schwächer. Einer aktuellen Umfrage zufolge identifiziert sich nur knapp ein Fünftel der Basken mit den Zielen der Eta, nur noch drei Prozent akzeptieren Gewalt als politisches Mittel. Insbesondere nach den brutalen Anschlägen auf die Nahverkehrszüge in Madrid im März 2004 sind Bombenattentate geächtet. Wie bei vielen nationalen Befreiungsbewegungen ersetzt auch bei der Eta eine völkische Argumentation immer mehr die linken Inhalte. Aus dem ehemals notwendigen Widerstand gegen Unterdrückung ist ein inhaltsloser Kampf geworden, in dem die Unabhängigkeit zum Selbstzweck wurde. Dafür wird sogar der Tod von Arbeitern, wie im Fall der in die Luft gesprengen Migranten aus Ecuador, in Kauf genommen.

Die Linke in Spanien, die sich grundsätzlich auf der Seite des baskischen Unabhängigkeitskampfes sieht, steht der tödlichen Gewalt hilflos gegenüber. In den meisten Erklärungen und Kommentaren stehen jedoch die politischen Schäden, die die Bomben verursacht haben, und nicht die Toten und Verletzten im Vordergrund. Zudem werden der Regierungspartei Psoe politischer Unwille und Untätigkeit bezüglich der Verhandlungen vorgeworfen, ihr Verhalten habe das Attentat provoziert. Joan Ridao, Fraktionssprecher der Republikanischen Linken Kataloniens, glaubt sogar, die Eta habe trotz des Anschlages mehr für die Rettung des Dialoges getan als die Regierung, die zu »keiner Geste« bereit war.

Die konservative Opposition und die Opferverbände sehen sich dagegen in ihrer Überzeugung bestätigt, dass es mit Terroristen, zu denen sie die gesamte baskische Linke zählen, keinen Dialog geben darf. Bereits im Juni hat Maria­no Rajoy, der Vorsitzende der konservativen Volkspartei PP, aufgrund der geplanten Verhandlungen jeglichen Kontakt zu Regierungschef Zapatero abgebrochen. Die Demonstrationen an den Tagen nach dem Anschlag richteten sich dann vor allem gegen die Regierung n dihre Verhandlungspolitik. Am Samstag kam es dagegen auf einer Demonstration für die Freilassung von inhaftierten Eta-Mitgliedern in San Sebastian zu Ausschreitungen.

Offen bleibt, ob die Eta nur ein Zeichen setzen wollte oder ob sie prinzipiell zu gewaltsamen Praktiken zurückkehren wird. Am vergangenen Donnerstag entdeckte die baskische Polizei 100 Kilo vorbereiteten Sprengstoff auf einem Parkplatz. Nur die Zünder fehlten.