Apocalypse Now

Die Kritik an Ahmadinejad von jörn schulz

Wo es an Informationen über die Herrschenden fehlt, behelfen sich die Menschen damit, ihnen das zuzuschreiben, was sie ihnen zutrauen. Präsident Mah­moud Ahmadinejad und seine engsten Mitarbeiter haben, so ein im Iran kursierendes Gerücht, einen Vertrag mit dem »verborgenen Imam« unterzeichnet. Das Abkommen sei in den Brunnen von Jamkaran geworfen worden, in dessen Nähe der Imam vor mehr als 1 000 Jahren entrückt wurde.

Der Glaube an den »verborgenen Imam«, mit dessen Wiedererscheinen auf der Erde ein Zeitalter der Gerechtigkeit beginnt, gehört zum schiitischen Dogma. Doch die meisten Geistlichen betonen, dass der Wille des verborgenen Imams unergründlich und der Zeitpunkt seines Wiedererscheinens nicht berechenbar sei. Eine Ausnahme ist Ayatollah Misbah Yazdi, der die apokalyptischen Elemente der Schia betont und dem sogar Khomeini einst »unverantwortlichen Radikalismus« bescheinigt hatte. Seine Lehren gelten als Inspirationsquelle des Präsidenten. Viele Mitarbeiter Ahmadinejads wurden an Yazdis Hochschule ausgebildet, an der auch Mohsen Gharavian studierte. Er erließ eine Fatwa, derzufolge der Einsatz von Atomwaffen mit der Sharia vereinbar ist. Unter den schiitischen Apokalyptikern wird zurzeit darüber debattiert, ob die Vernichtung Israels das Wiedererscheinen des verborgenen Imams bewirken könne.

Es scheint, als würde dieses Treiben nun selbst dem religiösen Führer Ali Khamenei und anderen hartgesottenen Ayatollahs unheimlich. Auch sie wollen die Atombombe, auch sie hassen die Juden. Doch sie fürchten offenbar, dass Ahmadinejads provokatives Auftreten ihren Plänen schaden könnte, möglicherweise aber auch, dass er sich zu eigenmächtigen Aktionen berufen fühlt.

Indem er jeden Kompromiss verweigert und darauf besteht, dass die Urananreicherung »nicht einmal für einen Tag« ausgesetzt werden könne, hat Ahmadinejad auch Staaten, die eigentlich gar keine Sanktionen befürworten, gegen den Iran aufgebracht. Sanktionen aber würden der iranischen Wirtschaft schwer schaden und »könnten soziale Unruhen verursachen«, stellt der im September 2006 erstellte Bericht einer Parlamentskommission fest.

In den vergangenen Wochen häufte sich offene Kritik. Ein von 150 Parlamentsabgeordneten unterzeichneter Brief kritisiert Ahmadinejads Außenpolitik und fordert ihn auf, sich der Bekämpfung der Inflation und der Arbeitslosigkeit zu widmen. »Wenn die Menschen den Eindruck haben, dass die Regierung die Bedeutung der nuklearen Angelegenheit übertreibt, um von ihren Forderungen abzulenken, wird dieses nationale Anliegen an Unterstützung verlieren«, mahnt die Zeitung Jomhouri Islami. Sie gibt die Ansichten Khameneis wieder. Sogar über eine Absetzung Ahmadinejads wird im Iran bereits spekuliert.

Nach dem »Reformer« Muhammad Khatami ist nun auch Ahmadinejad gescheitert, der den Geist der »islamischen Revolution« wiederbeleben wollte. Das Regime dürfte nun seine Möglichkeiten der ideologischen Mobilisierung erschöpft haben. An der Gefährlichkeit des iranischen Atomprogramms würde es wenig ändern, wenn ein diskreter auftretender Antisemit die Regierungsführung übernimmt. Erfreulich ist jedoch, dass selbst die Vertreter des Regimes die wachsende Unzufriedenheit in der Bevölkerung nicht mehr leugnen können.