Solidarität im Sinkflug

Nicht nur in Deutschland, auch in Frankreich protestieren Arbeiter gegen den Stellenabbau bei Airbus. Betroffen sind vor allem Angestellte in Subunternehmen. von bernhard schmid, paris

Heiliger Sankt Florian, verschone unseren Standort, mach den des Nachbarn platt! Nach diesem Prinzip verfahren der französische Gewerkschaftsbund Force Ouvrière (FO) und die deutsche IG Metall. FO ist zwar nur der drittstärkste Gewerkschaftsverband im Land, aber bei Airbus die stärkste Organisation.

In der vergangenen Woche wurden bei dem Flugzeugbauer, an dem seit dem Jahr 1970 mehrere europä­ische Länder beteiligt sind, die befürchteten Entlassungspläne bekannt gegeben. In Frankreich hatten die Betriebsratsmitglieder der FO bereits mehrere Studien erstellen lassen, die belegen sollten, dass die Produktivität in den französischen Standorten höher sei als in Deutschland und deshalb Niederlassungen dort geopfert werden müssten. Stärker der Solidarität unter allen abhängig Beschäftigten verpflichtet ist bislang die CGT, der größte französische Gewerkschaftsbund, bei Airbus aber die nur zweitstärkste gewerkschaftliche Organisation. Doch auch die CGT appelliert an nationale Interessen, wenngleich sie die Entlassungspläne bisher noch generell und überall ablehnt.

Tatsächlich sind die Kündigungspläne bei Airbus nur schwer nachvollziehbar. Das Luftfahrtunternehmen kämpft zwar mit Lieferproblemen beim Großraumjet A 380 und muss den Kunden – von den Vereinigten Arabischen Emiraten bis Singapur – möglicherweise Regress bezahlen. Aber es schreibt dennoch deutlich schwarze Zahlen, und die Auftragsbücher sind für die kommenden fünf Jahre randvoll gefüllt.

Offensichtlich will die Airbus-Direktion verhindern, dass die Profitrate absinkt. Mitte voriger Woche präsentierte sie den »Umstrukturierungsplan« mit dem schönen Namen »Power 8« dem europäischen Konzernbetriebsrat. Demnach sollen 10 000 Arbeitsplätze verschwinden. Am härtesten betroffen davon sind die französischen Werke, wo 4 300 Stellen eingespart werden sollen. Am Dienstag voriger Woche hatten die Beschäftigten in Méaulte in der Picardie, wo die Cockpits für Airbus hergestellt werden, spontan die Arbeit niedergelegt. Am nächsten Tag blockierten die Arbeiter der Fabrik in Saint-Nazaire, in der Rohre für Airbus hergestellt werden, 24 Stunden den Zugang. Weitere Aktionen sind geplant.

Betroffen von den Kündigungen sind vorrangig nicht die Kernbelegschaft, sondern die Mitarbeiter bei Subunternehmen. Die eine Hälfte der Arbeitsplätze soll durch Einsparungen bei Subunternehmen und die Entlassung von Zeitarbeitern abgebaut werden, die andere Hälfte dagegen über mehrere Jahre hinweg durch so genannte freiwillige Abgänge – gegen Abfindungen – und Vorruhestandsregelungen bei der Kernbelegschaft. Zugleich wird aber der Rückgriff auf Subunternehmen noch verstärkt werden, um die Kosten zu drücken. Bei der Herstellung des neuen Großraumjets soll der Anteil der externen Firmen bei 50 Prozent liegen, in der Vergangenheit waren es 25 Prozent gewesen. Die Mitarbeiter dieser Subunternehmen genießen nicht die gleiche soziale Absicherung wie die Kernbelegschaft. Diese soll allerdings nach Plänen der Airbus-Direktion künftig für dasselbe Gehalt 40 statt 35 Stunden wöchentlich arbeiten. In Frankreich steht dem derzeit aber noch die gesetzlich festgelegte Normarbeitszeit entgegen, die im Falle eines Wahlsiegs des Konservativen Nicolas Sarkozy möglicherweise zur Disposition steht.

Inzwischen haben sechs sozialistisch regierte französische Regionen, darunter Midi-Pyrénées, wo sich in Toulouse der Konzernsitz befindet und insgesamt 60 000 Menschen in der Luftfahrtindustrie arbeiten, angekündigt, nach dem Beispiel deutscher Bundesländer beim Mutterkonzern EADS einzusteigen.