Knüppel frei zum Gebet

Trotz der ökonomischen und politischen Krise in Zimbabwe ist die Opposition noch nicht in der Lage, das Regime zu gefährden. von alex veit
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Oppositionelle zu verprügeln, ist nicht unbedingt ein Zeichen von Stärke. In der vergangenen Woche überfiel die Polizei eine friedliche Andacht in der Hauptstadt Harare, erschoss einen Teilnehmer und führte den offensichtlich in der Haft misshandelte Oppositionsführer den Kameras der Medien vor. Das Regime scheint exemplarische Gewalt als letztes Mittel des Machterhalts anzusehen. Die Inflationsrate hat 1 730 Prozent erreicht, 80 Prozent der Bevölkerung leben unterhalb der Armutsgrenze, Nahrungsmittel und Benzin sind knapp, das Gesundheitssystem kollabiert. Welche Regierung kann unter solchen Umständen an der Macht bleiben?

Obwohl die wirtschaftliche und politische Krise sich in den vergangenen zehn Jahren immer weiter zugespitzt hat, gelang es der Oppositionspartei MDC (Bewegung für Demokratischen Wandel) bislang nicht, dauerhaften Druck auf Präsident Robert Mugabe auszuüben. Das Regime konnte im Jahr 2005 sogar Slums in den Großstädten mit Bulldozern zerstören, ohne dass die Oppositionsführung wirksamen Widerstand gegen die Vertreibung ihrer so­zialen Basis organisierte. Die Bilder des ge­schwollenen und misshandelten Körpers Morgan Tsvangirais könnten dem MDC-Präsidenten nun zwar das Charisma eines Widerstandskämpfers verleihen. Doch seine Partei ist gespalten und kann sich nicht auf die Unterstützung der Bevölkerung ver­lassen.

Möglicherweise radikalisiert sich ein Teil der Anhängerschaft der MDC. Die Kampagne »Save Zimbabwe«, an der sich Gewerkschaften, Kirchen, Studierende, die MDC und bürgerliche Organisationen beteiligen, soll sich auf »zivilen Ungehorsam« und friedliche Proteste beschränken. Doch es häufen sich Berichte über Scharmützel zwischen Jugendlichen und der Polizei.

Wie viele dieser Berichte von der Regierung fabriziert wurden, um die Oppositions­kampagne zu diskreditieren, ist zwar unklar. Die MDC bestreitet, dass ihre Anhänger für Ausschreitungen verantwortlich sind. Jacob Mafume, Koordinator der aus 300 Organisationen bestehenden Koalition »Crisis in Zimbabwe«, hält jedoch eine Zunahme der Aufstände für wahrschein­lich: »Die Gewalt, die wir in den vergangenen Wochen beobachtet haben, stellt eine schwere Menschen­rechtsverletzung dar. Die Polizei hat legitime Zusammenkünfte von Bürgern dieses Landes vereitelt, sie verhaftet und gefoltert. Sie werden zunehmend desillusioniert über die Polizei, die sie eigentlich beschützen sollte. Die anschwellende Wut ist offenkundig.«

Ein Vorbild für einen Aufstand gäbe es in der Nach­barschaft. Auch der ANC, mittlerweile Regierungspartei, schien Mitte der siebziger Jahre machtlos gegen das Apartheidregime in Südafrika. Erst die anfänglich spontanen Aufstände von arbeitslosen Jugendlichen, Schülern und Studenten seit 1976 regten neue Proteste an. Nachdem große Teile der Arbeiterschaft und anderer Bevölkerungsgruppen sich angeschlossen hatten, willigte die Apartheid­regierung schließlich in den Machtwechsel ein.

Dass die südafrikanischen Weißen zum Erhalt ihres Lebensstandards auf die schwarzen Arbeiter angewiesen waren, hat ihre Kompromissbereitschaft gefördert. Das Regime in Zim­babwe hingegen hat den wirtschaftlichen Niedergang nicht nur in Kauf genommen, die Oligarchie profitiert von der Krisenökonomie. Durch Streiks ist Mugabe kaum angreifbar, zudem scheinen die Zimbabwer so sehr mit der Organisation des Überlebens beschäftigt, dass wenig Zeit für Widerstand bleibt. Die Zer­störung der Slums hat Hungeraufständen bislang vorgebeugt. Selbst in der Regierungspartei wächst die Unruhe, es gibt jedoch noch keine Anzeichen dafür, dass Mugabe die Loyalität der Sicherheitskräfte verliert. Millionen Zimbabwer haben deshalb die Migration dem Widerstand vorgezogen. Sie sind nach Südafri­ka und Botswana abgewandert, wo sich nur eine Minderheit politisch organisiert.