»Man will immer Ghetto, Gewalt und Gefahr«

Elyas M’Barek

Was passiert, wenn eine alternative Psychotherapeutin und ein mustergültig integrierter Polizist mitsamt ihrer pubertierenden Kinder zusammen­ziehen? Es wird komisch. Jedenfalls, wenn das im Fernsehen passiert, die Serie »Türkisch für Anfänger« heißt und die Figuren so überzeichnet sind wie diese Eltern und diese Kinder – der kreuzbrave Nils, die zickige Lena, die nicht minder schlag­fertige und streng­gläu­bige Yagmur und der prollige Jung­türke Cem. Die erste Staffel erhielt im vorigen Jahr überschwängliche Kritiken, am Freitag wird das Autorenteam um Bora Dagtekin mit dem Grimme-Preis ausgezeichnet. Zugleich beginnen in dieser Woche die 24 Folgen der zweiten Staffel.

Elyas M’Barek spielt Cem. Er wuchs in München als Kind einer tunesisch-österreichi­schen Familie auf und war im vorigen Jahr im Sprayerfilm »Wholetrain« im Kino zu sehen. Mit ihm sprach Deniz Yücel.

»Türkisch für Anfänger« erhielt im vorigen Jahr den Deutschen Fernsehpreis, nun folgt der Grimme-Preis. Wie erklären Sie sich diesen Erfolg?

Vielleicht liegt er daran, dass das Ganze sehr innovativ ist und es etwas ähnliches vor­her nicht gab; also eine Fernsehserie, in der Nicht­deutsche herausragende Rollen spielen und die mit schnellen, mutigen und politisch unkorrekten Dialogwitzen daherkommt. Aber die Geschichte ist nicht nur lustig, manch­mal ist sie traurig oder regt zum Nachdenken an, sie ist sehr abwechslungsreich.

Ebenfalls einen Grimme-Preis bekommt der Fernsehfilm »Meine verrückte türkische Hochzeit«, eine weitere Komödie »mit Migrationshintergrund«. Was bedeutet das?

Es scheint ein großes Interesse für türkische Themen zu geben, vor allem wenn sie in einer komischen Weise aufbereitet werden. In den Medien gibt es viele Dokumentationen über die negativen Seiten, die multikulturelles Zusammenleben mit sich bringt. Wir zeigen hingegen, wie eine glückliche Familie zusammenwächst und dass alle von der jeweils anderen Kultur profitieren können.

Bei Kritikern scheint »Türkisch für Anfänger« beliebter zu sein als bei den Zuschauern. Jedenfalls blieb die Quote unter den Erwartungen der ARD, weshalb der Sender die Serie zunächst nicht fortführen wollte.

Ich glaube, das lag daran, dass die Serie nur drei Wochen lang lief und nicht viel Wer­bung für sie gemacht wurde. Und drei Wochen sind eine sehr kurze Zeit, um ein neues Format zu etablieren. Die zweite Staffel wird besser beworben und läuft länger. Wenn’s wieder nicht so optimal funktioniert, muss ich mir eine andere Ausrede überlegen.

Wie würden Sie die Figur Cem beschreiben?

Oberflächlich betrachtet ist er ein Macho und Proll. Aber wenn man genauer hinsieht, merkt man, dass er ein netter Typ ist, der sehr romantisch sein kann, der für seine Liebe kämpft und der seine weichen Seiten hat, auch wenn er diese nicht zeigen will.

Man kann es sich nur schwer vorstellen, dass ein so vorbildlich integrierter Türke, ein Softie und Polizeibeamter, einen so prolligen Sohn hat, der mustergültiges Krass-Konkret-Deutsch spricht und in der passenden Jogginghose herumläuft.

Sicher, aber die Serie ist keine Dokumentation, sondern Fiktion. Alle Figuren sind stark überzeichnet, auch die zickige Toch­ter Lena oder ihre Mutter, die alternative Psychotante Doris. Und Cem ist mitten in der Pubertät, in der man sich gerne von den Eltern abhebt.

Finden Sie in der Serie Ihre eigenen familiären Erfahrungen widergespiegelt?

Nicht so richtig und irgendwie doch. Mein Vater ist Muslim, meine Mutter katholisch, aber sie waren sehr liberal und haben nie versucht, mir und meinen Geschwistern einen Glauben aufzuzwingen. Auch dieses Multi-Kulti-Ding war bei uns kein Thema.

Liebesbeziehungen zwischen Herkunftsdeutschen und Neudeutschen sind statistisch betrachtet recht selten. Was sind die Gründe dafür?

Aus meiner Erfahrung kann ich das nicht bestätigen, ich kenne viele Leute aus der zweiten Generation, die mit Deutschen zusammen sind. Ich habe meine Freundinnen auch nie danach ausgesucht, aus welchem Land sie stammen.

Bekommt man als Schauspieler nichtdeutscher Herkunft die Chance, mal etwas anderes zu spielen, oder bleibt man auf die Kanakenrollen abonniert?

Manchmal habe ich das Gefühl, dass die Zuschauer, aber auch die Programm­macher nicht wollen, dass ein Ausländer als normaler und lieber Typ erscheint. Man will immer Ghetto, Gewalt und Gefahr. Ich weiß es von vielen Kollegen, die, bloß weil sie ausländischer Herkunft sind, immer nur die Verbrecherrollen bekommen.

Bei mir war das anfangs nicht anders. Als ich mit 16 meine ersten Dreherfahrungen gemacht habe, habe ich auch immer den Schlägertypen oder den Gangster gespielt, obwohl ich das gar nicht bin – ich komme nicht aus dem Ghetto, sondern aus »ganz normalen« Verhältnissen. Dann kam »Türkisch für Anfänger«. Meine dortige Rolle ist zwar auf den ersten Blick ähnlich, nur hat sie auch andere Seiten, und das macht ihren Reiz aus. Ich hoffe, dass unsereins in Zukunft mehr Rollen kriegt, bei denen es nicht um die Herkunft der Personen geht. In England ist es inzwischen normal, dass farbige Schauspieler Bankiers oder ähnliches spielen.

Mussten Sie sich je Kritik für Ihr schlech­tes Türkisch anhören, das Sie als Cem sprechen?

Nicht so oft, vielleicht sind die Leute zu höflich. Aber es stimmt, in der ersten Staffel war das nicht gut. Ich habe die Rolle bekommen, eine Woche später haben wir angefangen zu drehen. Für Sprachunterricht blieb keine Zeit. In der zweiten Staffel habe ich mir Mühe gegeben, dass mein Türkisch besser klingt.

Im Gegensatz zu den Deutsch-Türken sind die Deutsch-Araber in den hiesigen Medien kaum präsent. Warum gibt es keinen Film, in dem arabische Einwanderer im Zentrum stehen?

Das dürfte den einfachen Grund haben, dass die meisten Ausländer in Deutschland aus der Türkei stammen. In Frankreich leben viel mehr Araber, und das sieht man auch in französischen Filmen. Trotzdem – »Arabisch für Anfänger« wäre eine gute Idee.

In Berlin gibt es eine Debatte um Jugendgewalt und den hohen Anteil von Jugendlichen aus Einwandererfamilien unter den Straftätern. Obwohl es in »Türkisch für Anfänger« um Berliner Jugendliche geht, ist von solchen Dingen nichts zu sehen.

Die Serie will vorrangig unterhalten. Und sie will zeigen, dass neben dieser Realität, die wir fast ausschließlich durch die Medien vermittelt bekommen, ein Zusammenleben verschiedener Kulturen funktionieren kann. Insbesondere die erste Staffel handelt davon, dass die beiden Kulturen und Religionen auf­einander­prallen. Oder besser gesagt: Die eine Religion prallt auf ein spezifisches Deutschtum. Darum geht’s. Aber wir machen keinen Lehrfilm, der zeigt, wie man handeln muss, damit es zwischen den Kulturen keine Probleme gibt.

Pegah Ferydoni, die Darstellerin von Yagmur, hat in einem Interview gesagt, der Islam habe für sie nach dem 11. September an Bedeutung gewonnen. Wie ist das bei Ihnen?

Ganz ehrlich? Nein.

Werden Sie häufiger auf diese Dinge angesprochen?

Bislang nicht, privat nicht, und auch in den Interviews ging es den Journalisten mehr darum, ob ich persönlich ein Macho bin.

In der zweiten Staffel scheinen die kulturellen Differenzen in den Hintergrund zu treten.

Die Öztürk-Schneiders leben jetzt eine Zeit lang zusammen und haben sich zusammengerauft, die Probleme vom Anfang sind überwunden. Wir schließen an das Liebesding zwischen Lena, Cem und Axel an, das in der ersten Staffel nicht zu Ende geführt wurde. Insgesamt geht es viel um Liebe, Nähe, Eifersucht und Familienbeziehungen. Aber die kulturellen Dinge bleiben ein Thema; so bekommt Yagmur Gewissenskonflikte, weil sie sich verliebt und zugleich ihre Religion ausleben will.

Finden Cem und Lena zueinander?

Wer sich dafür interessiert, soll einschalten. Es wird spannend bleiben!

»Türkisch für Anfänger«, dienstags bis freitags, ARD, 18.50 Uhr