Schneller zahlen

Generalstreik in Israel von andrea livnat

Es war mal wieder so weit: Für Mittwoch der vergangenen Woche hatte der israelische Gewerkschaftsbund Histadrut einen Generalstreik ausgerufen. Doch diesmal mussten die Israelis nicht zusehen, wie sich die Müllberge stetig in den Straßen vergrößerten. Nach nur neun Stunden wurde der Streik beendet, es kam zu einer Einigung.

Die Histadrut wollte die Auszahlung ausstehender Löhne erzwingen. Etwa 3 000 Angestellte im öffentlichen Dienst haben seit Monaten, teilweise seit Jahren, keine Gehälter bekommen. Ein unakzeptabler und skan­da­löser Zustand, dessen Ursache im maroden is­raeli­schen Kommunalwesen liegt. Es sind bis auf eine Ausnahme arabische Gemeinden, die mit den Lohnzahlungen im Rückstand waren. Sie treiben bei ihren Einwohnern deutlich weniger Grundsteuer ein, zudem gibt es viele illegale Bauten, für die gar keine Steuern gezahlt werden. Die arabischen Kommunen verfügen auch nicht über Gewerbegebiete, die Geld in die Kassen bringen könnten.

Die Regierung ermöglicht den bankrotten Ge­meinden nun mit Krediten, die Löhne zu zahlen. Die Histadrut forderte jedoch auch, dass ein Weg gefunden wird, um in Zukunft eine pünktliche Bezahlung der Gehälter zu garantieren. Das aber würde eine Reform des gesamten Kommunalwesens erfordern.

Auch wenn das Problem weiterhin einer Lösung harrt, hat sich der Generalstreik als effektives Druckmittel erwiesen. Genau hier setzt die Kritik an, denn von dem Streik waren auch Bereiche wie der Flughafen und die Post betroffen, die mit den Kommunen wenig zu tun haben. Der Histadrut sollte keine Möglich­keit gegeben werden, so die Kritiker, die endlich zaghaft aufblühende Wirtschaft durch einen Generalstreik zu schädigen.

Doch mit der in Medienberichten oft be­schwo­renen »Macht« der Histadrut ist es nicht mehr weit her. 1920 als Arbeitnehmerorganisation der linkssozialistischen Parteien gegründet, entwickelte sie sich vor der Staats­grün­dung zum eigentlichen Zentrum politischer Macht. Nach 1948 waren zeitweilig 70 Prozent der Erwachsenen Mitglied der Histadrut. Mit ihren zahlreichen Unternehmen und sozialen Einrichtungen war sie lange Zeit wesentlich mehr als nur eine Gewerkschaft.

Ende der siebziger Jahre gerieten die verschiedenen Gesellschaften der Histadrut in eine schwere Krise, Verluste mussten immer mehr durch Subventionen der Regierung ausgeglichen werden. Ein 1985 ausgehandelter Stabilitätsplan leitete weit reichende strukturelle Veränderungen auf dem israelischen Arbeitsmarkt ein, vor allem die Privatisierung der Histadrut zugehöriger Gesellschaften sorgte für die Zunahme der Arbeitslosigkeit. Mitte der neunziger Jahre setzten die Vorsitzenden Chaim Ramon und Amir Peretz die Trennung der Histadrut von ihrer Krankenkasse durch, der Verband verlor zwei Drittel seiner Mitglieder.

Einfluss hat er derzeit vor allem im öffentlichen Dienst und in den verbliebenen Staats­betrieben wie den Stromwerken. Das ermöglicht wirksame Streiks, und die Histradut hat dieses Mittel in den vergangenen Jahren immer wieder genutzt. Das ließ allerdings auch die Frage aufkommen, ob die Männer in der Gewerkschaftsführung dabei nicht auch an ihre eigene Karriere denken. Chaim Ramon wurde Minister, musste allerdings wegen eines Skandals im August des vergangenen Jahres zurücktreten. Amir Peretz, der Mann, der die Streiktaktik besonders ausgefeilt hat, nutzte ebenfalls sein Amt, um den Sprung in die Politik zu schaffen. Seit er Minister ist, war von ihm zu sozialen Themen nichts mehr zu hören.