Teer kochen und Federn sammeln

Die Regierung Bushs wird immer unpo­pulärer, doch die Linken in den USA sind auch mit der Politik der Demokraten unzufrieden. von william hiscott

In den Umfragen sind die Unterschiede klar: Die New Yorker Senatorin Hillary Clinton liegt in Führung, zwischen 38 und 54 Prozent der demokratischen Wähler wünschen, dass sie ins Weiße Haus einzieht. Senator Barack Obama aus Illinois liegt bei 25 Prozent, außer ihm hat nur noch John Edwards eine Chance, der zwischen elf und 15 Prozent rangiert, während die restlichen sieben Mitbewerber um die Präsidentschaftskandidatur der Demokratischen Partei eigentlich schon aufgeben könnten.

Erfolg beflügelt den Eifer der Spender, und wer am fleißigsten Spenden einsammelt, kann viele von Unterstützerbüros finanzieren, was ihm wiederum die beste Medienpräsenz und noch mehr Spenden verschafft. In finanzieller Hinsicht liegen Clinton und Obama mit jeweils um die 60 Millionen Dollar gleichauf, Edwards stehen nur 23 Millionen Dollar zur Verfügung. Das harmoniert zwar mit seiner auf die Themen Armut und Zweiklassengesellschaft zugeschnittenen Kampagne, mindert jedoch seine Chancen erheblich.

Weniger klar ist, inwiefern sich die Kandidaten inhaltlich unterscheiden. Bei der Debatte am Montag voriger Woche, als sie ausgewählte, bei YouTube auf Videos eingereichte Fragen beantworteten, stritten sich Clinton, Obama und Edwards nur um Details. Alle drei wollen den Irak-Krieg beenden, befürworten einen Neubeginn in der US-Außenpolitik und wollen sich mehr um die kümmerlichen sozialstaatlichen Institutionen kümmern, etwa durch die Einführung einer allgemeinen Gesundheitsvorsorge. Im Prinzip zumindest, denn alle drei vermeiden es, konkrete Pläne vorzulegen und Aussagen zu machen, die konservative, aber nicht fest an die Republikaner gebundene Wähler erschrecken könnten.

Deshalb ist die US-amerikanische Linke unzufrieden mit dem Wahlkampf, vor allem mit den Aussagen zur Irak-Politik. Während die Kandidaten über komplizierte Zeitpläne für den Truppen­abzug debattieren, fordert die Antikriegsbewegung einen sofortigen Rückzug, wenigstens aber ein schnelleres Tempo.

Zu den bedeutendsten Gruppen gehört CodePink (der Name ist eine Anspielung auf die in Farbcodes angegebene Anschlagsgefahr), eine feministische Antikriegsorganisation, die in pinkfarbener Kleidung seit Jahren unter anderem bei Kongress-Ausschusssitzungen auftritt und dort laut vor den Politikern und den laufenden Kameras protestiert. Im Jahr 2002 gegründet, kämpft Code-Pink gegen die »auf Angst basierende und Gewalt rechtfertigende Politik der Bush-Regierung« und fordert stattdessen »eine auf Mit­ge­fühl, Kulanz und internationales Recht gegründete Politik«. Mit über 250 Ortsgruppen und 150 000 nominellen Mitgliedern bestimmt CodePink das Bild der Antikriegsbewegung wie keine andere Gruppe.

Auch die Organisation Move-On mit ihren über drei Millionen aktiven und passiven Mitgliedern kämpft seit 2002 gegen den Krieg, allerdings mit subtileren, überwiegend virtuellen Mitteln. Move­On sammelt Wahlkampfspenden für Antikriegskandidaten und führt eine Reihe von Aktionen wie »Virtual Marches« durch, bei denen Zehntausende innerhalb eines bestimmten Zeitraums ihre Kongressabgeordneten mit Antikriegsbotschaften überschütten.

Vor allem in den ländlichen Gebieten, wo Demons­trationen kaum möglich, aber Internetverbindungen und Telefonleitungen vorhanden sind, scheint diese Proteststrategie inzwischen Wirkung zu haben. Die Antikriegsbewegung hat das traditionell konservative Land erreicht, sie kann nicht mehr, wie noch vor etwa einem Jahr, als ein urbanes Phänomen abgetan werden. Die neuesten MoveOn-Aktionen finden im Gedenken an die im Januar 2007 an Krebs gestorbene linke US-Journalistin Molly Ivins statt, die in ihrer letzten Kolumne einen berühmt gewordenen Appell zum zivilen Ungehorsam gegen den Irak-Krieg verfasst hatte.

Wie die meisten Gruppen der Linken hofften auch die Antikriegsorganisationen zunächst auf die Demokraten. Doch das Verhältnis wird immer gespannter, denn seit die neu gewählten Kongressabgeordneten im Januar ihre Sitze einnahmen, ist nicht viel geschehen. Die Demokraten haben die Mehrheit im Kongress, doch eine Minderheit von 40 Senatoren kann Gesetze verhindern, und 49 Senatoren sind Republikaner. Sollten einmal mehr als neun von ihnen Präsident George W. Bush die Gefolgschaft verweigern, kann er immer noch ein Veto einlegen.

Den Demokraten bliebe die Möglichkeit, die Finanzierung abzulehnen, diese Strategie hat letztlich den Krieg in Vietnam beendet. Doch die Mehrheitsführung der Demokraten ist derzeit nicht bereit, diesen Weg zu beschreiten, wohl vor allem, weil die Republikaner dies als »unpatriotische« Politik auf Kosten der Soldaten bezeichnen würden. Ohnehin würde ein Abzug der US-Truppen aus dem Irak acht bis zwölf Monate andauern.

Die Antikriegsbewegung möchte jedoch zumin­dest, das irgendetwas geschieht, der Stillstand ist für viele inakzeptabel. Vor allem die Kriegsgegnerin Cindy Sheehan schafft es durch spektakuläre Aktionen, die Aufmerksamkeit auf sich und ihre Gruppe, die Gold Star Families for Peace, zu ziehen. Die vormals unpolitische Mutter eines im Irak getöteten Soldaten wurde im August 2005 zur Galionsfigur der Bewegung, als sie mit anderen Kriegsgegnern medienwirksam nahe der Ranch Bushs im texanischen Crawford campierte und dem Präsidenten den Urlaub vermasselte.

Sheehan ist nun eine entschiedene Gegnerin selbst der Linken in der Demokratischen Partei. Anfang der vergangenen Woche besetzte sie mit Freunden kurzzeitig das Büro des Vorsitzenden des Justizausschusses im US-Repräsentantenhaus und einflussreichen Demokraten John Conyers. Kurz darauf kündigte sie ihre parteiunabhängige Kandidatur für das Kongressmandat der Sprecherin des Repräsentantenhauses und Demokratin Nancy Pelosi an. Sheehan wirft der aus San Francisco stammenden Pelosi, einer erklärten Gegnerin des Irak-Kriegs, die sich jedoch bislang als Sprecherin eher vorsichtig äußerte, die indirekte Unterstützung der Kriegspolitik Bushs vor.

Pelosi ist in San Francisco populär, sie bekam gut 80 Prozent der Stimmen bei der vorigen Wahl. Eine Gegenkandidatur dürfte ihr nicht ernst­haft gefährlich werden, zumal Sheehan auch in der Antikriegsbewegung umstritten ist. Jüngst warf sie im San Francisco Chronicle den Demokraten vor, sie seien nach wie vor die »Partei der Sklaverei« und zudem verantwortlich für die beiden Weltkriege. Kontrovers ist auch ihre of­fen­bar antiisraelische Einstellung. Im Hinblick auf die Meinung zu den Demokraten entsprechen ihre Ansichten dem Trend, der in den einschlägigen Diskussionsforen und in der Antikriegs­bewegung seit einigen Monaten erkennbar ist.

Der Wiederaufstieg der Linken in den USA, die sich oftmals selbst als progressives bezeichnen, ist allerdings nicht unmittelbar abhängig von der Ent­wicklung der Antikriegsbewegung. Bereits seit gut fünf Jahren hat sich langsam, aber stetig eine me­diale Gegenmacht zu den rechten Radiosendern und Kabelfernsehkanälen wie Fox News gebildet.

Die konservative Hegemonie wurde gerade recht­zeitig gebrochen, um den kritischen Stimmen zur Politik Bushs, die nicht mehr nur von den üblichen linken Verdächtigen kommen, eine größere Öffentlichkeit zu verschaffen. Internetblogs wie DailyKos und Talking Points Memo, die Comedy-Central-Persönlichkeiten Jon Stewart und Stephen Colbert in ihrer täglichen Show und der Fernsehjournalist Keith Olbermann attackieren die Kriegspolitik und die zahlreichen innenpolitischen Skandale der Regierung. Bei den progressiven Blogs gibt es Hunderttausende aktive Nutzer und Millionen von Hits im Monat.

An jedem Nachmittag kritisiert der zur Thea­tralik neigende Olbermann die Regierung für das Fehlverhalten des Tages. Abends sind die Komiker dran. Nicht nur für sie ist Bush zur Witz­figur geworden, in vielen Blogs wird vorgeschlagen, einer alten amerikanischen Tradition folgend Bush geteert und gefedert aus der Stadt zu jagen.

Die moderne und weniger rabiate Variante dieses Verfahrens heißt impeachment. Für ein solches Amtsenthebungsverfahren gegen Bush sprechen sich einer Umfrage zufolge 46 Prozent der Bevölkerung aus, Vizepräsident Dick Cheney wollen sogar 54 Prozent auf diese Weise loswerden. Doch für ein solches Verfahren müssen Beweise für kriminelles Handeln gesammelt werden, und einer Amtsenthebung müssen zwei Drittel der Senatoren, also auch 17 Republikaner, zustimmen.

Die Demokraten arbeiten fleißig an der Beweisaufnahme, doch gefährdet sind derzeit nur enge Verbündete Bushs wie Justizminister Alberto Gonzales, dem die Entlassung von Staatsanwälten aus politischen Gründen vorgeworfen wird. Selbst wenn ein Amtsenthebungsverfahren in Gang kommt, würde es viel Zeit in Anspruch nehmen und wohl vor den Wahlen nicht abgeschlossen werden können. Wichtiger ist im Wahlkampf ohnehin die weitere Diskreditierung ­Bushs und die Beschneidung seiner Handlungsfähigkeit. Wenn viele Republikaner sich aus Furcht vor einer Niederlage bei den Wahlen im November 2008 von Bush abwenden, nutzt das den Demokraten. Tun sie es nicht, nutzt auch das den Demokraten. Sie könnten die Unterstützung vieler Linker verlieren, doch sie gewinnen die Sympathie vieler anderer Amerikaner, nicht zuletzt, weil der immer unpopulärer werdende Präsident ihnen die Wähler zutreibt.