»Es reicht nicht, schwarz zu sein«

Elaine Brown, Autorin

Von 1974 bis 1977 war Elaine Brown die erste und einzige weibliche Vorsitzende der Black Panther Party. Auf Grundlage ihrer Biografie »A Taste of Power. A Black Woman’s Story« wird derzeit eine Fernsehreihe über die Black Panthers produziert. Um ihrer politischen Arbeit rund um eine Reform der Strafjustiz mehr Gewicht zu geben, kandidierte sie als Bürgermeisterin von Brunswick im Bundesstaat Georgia. Man entzog ihr jedoch die Kandidatur wegen vermeintlicher Unstimmigkeiten bei der Angabe ihres Wohnsitzes. Vergangenes Jahr ließ sie sich als Präsidentschaftskandidatin der Green Party aufstellen. Kürzlich hat sie ihre Kandidatur zurückgezogen. interview: doris akrap

Seit über 30 Jahren kämpfen Sie gegen Rassismus, Sexismus und Kapitalismus. Der nächste Präsident der USA könnte ein Schwarzer, eine Frau oder ein Linker sein. Wen würden Sie bevorzugen?

Wenn es einen linken Kandidaten gäbe, würde ich den selbstverständlich bevorzugen. Es gibt aber keinen. Keiner von den moderaten Liberalen wie John Edwards oder Dennis Kucinich wünscht den Kapitalismus zum Teufel. Die Frau und der Schwarze hingegen sind nur eine Variante des Status quo.

Sie hätten die linke Präsidentschaftskandidatin werden können. Vergangenes Jahr haben Sie sich für die Green Party aufstellen lassen. Warum ausgerechnet diese Partei?

Alle meine Freunde sind Hardcore-Linke und Marxisten und diskutieren den ganzen Tag über den Unterschied zwischen Marxismus und Maoismus, während das Leben ohne sie weitergeht. Die kleinen linken Parteien wie die Socialist Workers Party haben nicht das nötige Kleingeld, um die Wahlen als Propagandamittel benutzen zu können. Ich habe mich nicht um der Partei willen als Präsidentschaftskandidatin aufstellen lassen, sondern weil ich die große Wahlmaschine nutzen wollte, um die Nichtwähler aus den unteren Milieus zur Wahl zu bewegen, damit sie mit ihrer Stimme eine revolutionäre Veränderung der amerikanischen Gesellschaft unterstützen.

Die Green Party ist die einzige Partei, die sich gegen Bill Clintons »three strikes«-Gesetz ausgesprochen hat, durch das sich die Zahl der Häftlinge innerhalb von zehn Jahren verdoppelt hat. Nach diesem Gesetz wird man nach drei Straftaten egal welcher Schwere mit einer lebenslänglichen Haft bestraft. Ich will, dass dieses Gesetz abgeschafft wird, und dachte, die Green Party würde dabei sehr nützlich sein.

Ende Dezember haben Sie Ihre Kandidatur und ihre Mitgliedschaft bei der Green Party zurückgezogen. Warum?

Einflussreiche Leute in der Partei haben von Anfang an versucht, mich zu diskreditieren. Sie haben Gerüchte in die Welt gesetzt, die von dem Vorwurf, ich sei eine FBI-Agentin, bis zu der Beschuldigung reichten, ich sei für den Mord eines ehemaligen Mitglieds der Black Panther verantwortlich.

Der Grund für ihre Attacken war, dass sie Angst vor meinen politischen Forderungen hatten. Ich trete für die Öffnung aller Grenzen der USA ein, für einen gesetzlichen Mindestlohn von 25 Dollar die Stunde und hatte damit begonnen Gangmitglieder der Crips und der Bloods aus Los Angeles als Wähler für die Green Party zu regis­trieren. Ich erhielt dafür auch große Unterstützung im ganzen Land. Aber die Führungsriege der Green Party wurde nervös und begann, allerlei Dreck über mich zu veröffentlichen. Darauf hatte ich irgendwann keine Lust mehr. Außerdem hielt ich es nicht mehr für vertretbar, Leute dazu aufzufordern, eine Partei zu wählen, die gar kein Interesse hat, sich mit diesen Leuten zu beschäftigen.

Eines Ihrer Bücher trägt den Titel »New Age Racism«. Was verstehen Sie unter diesem Begriff?

New Age ist ein Konzept aus den späten sechziger Jahren, mit dem an die Selbstverantwortung appelliert wurde, nach dem Motto: Wenn du dich richtig ernährst, erkrankst du auch nicht an Krebs. Ich benutze den Begriff New Age Racism deswegen, weil heute die Ursache der sozialen Probleme nicht mehr in der Gesellschaft gesucht wird, sondern bei den Individuen. Bill Clinton hat einmal gesagt, dass Martin Luther King beim Anblick der heutigen Situation der Schwarzen sagen würde: Ich starb für eure Freiheit, und was habt ihr damit gemacht?

Clintons Botschaft war, dass es keinen Rassismus mehr gibt. Die Schwarzen waren doch frei, aber sie haben ihre Freiheit vermasselt. So wie man uns weismachen will, dass der Klimawandel deswegen eintritt, weil wir das falsche Haarspray benutzen, will man nicht länger über die Verhältnisse reden, die dazu führen, dass die Hälfte aller Gefängnisinsassen der USA schwarz sind, obwohl der Anteil der Schwarzen an der Gesamtbevölkerung nur 13 Prozent beträgt. Die Missstände seien nicht länger eine Frage des Kapitalismus oder des Rassismus, sondern eine Frage des schlechten Benehmens Einzelner. Das ist die Ideologie des New Age.

Ist die amerikanische Gesellschaft seit der Bürgerrechtsbewegung nicht weniger rassistisch geworden?

Doch. Der Kampf der Schwarzen hat dazu geführt, dass zumindest Leute wie Colin Powell oder Condoleezza Rice als Politiker akzeptiert werden. Aber das ist nicht der Gutmütigkeit der Weißen, sondern dem Kampf der Schwarzen zu verdanken. Auch der Sieg von Barack Obama in Iowa ist eine Folge dieses Kampfes. Aber Obama spielt eine perfekte Rolle. Er legitimiert das Bedürfnis der weißen und schwarzen Mittelklasse, endlich nicht mehr über Sklaverei, Rassismus und soziale Probleme reden zu müssen. Die Geschichte ist vom Tisch.

Aber Obamas Kandidatur hat doch immerhin zu einer breiteren Diskussion über die Situation der Schwarzen in den USA geführt.

Seine Kandidatur hat überhaupt nicht zu einer solchen Diskussion geführt, weil Obama sich selbst nicht als Schwarzer sieht. Er ist unsichtbar schwarz. Er ist mehr als schwarz, nicht ganz schwarz, jenseits von schwarz. Genauso wenig wie er über die Armen der USA spricht, spricht er über die Schwarzen. Er selbst sagt, es gehe nicht darum, ob Amerika konservativ oder liberal werde, sondern um die Vereinigung aller Amerikaner. In der Tat gibt es Leute, die Obama mit Martin Luther King in Verbindung bringen und darauf hoffen, dass Obama, wenn er erstmal Präsident ist, auch etwas für die Gleichberechtigung der Schwarzen tun wird. Doch dafür gibt es keine konkreten Hinweise. Martin Luther King ist zu einer Karikatur seiner selbst gemacht worden. Er ist nur noch ein gewaltfreier Schwarzer, der einen Traum hatte. Dass sein Traum ein revolutionärer war, der den Marsch nach Washington mit der Forderung verbunden hatte, die ausstehen­den Schecks der Arbeiter und Armen einzulösen, daran erinnert man sich nur ungern. Und so kann suggeriert werden, dass auch Obama einen Traum hat. Nur weiß keiner, wovon er träumt.

Man könnte Obamas Auftreten aber auch so deuten, dass er mit dem Vorurteil aufräumt, politische Positionen würden von der Herkunft bestimmt.

Als Präsidentschaftsanwärter der USA, ob weiß oder schwarz, kann man nicht so tun, als gäbe es keine Schwarzen, und ihre Situation ignorieren. Die Schwarzen sind die Nachfahren derjenigen, die dieses Land kultiviert und aufgebaut haben, es sind die Nachfahren der Sklaven. Und die Folgen dieser Gründungsgeschichte bestimmen immer noch das Leben eines Großteils dieser Menschen. Es sollte jeden amerikanischen Präsidentschaftsanwärter interessieren, dass es die schwarze Community ist, in der die höchste Armutsrate, das niedrigste Bildungsniveau und die höchste Kindersterblichkeitsrate des Landes besteht.

Nach dem Sieg in South Carolina scheint es aber doch, als ob Obama eine große Unterstützung seitens der Schwarzen erfährt.

Es gibt eine Reihe Schwarzer, vor allem aus der Mittelklasse, die ihn unterstützen. Aber in den Ghettos, in den armen Familien, unter den Crack-Abhängigen, in den Familien, deren Angehörige im Gefängnis sitzen, gilt Obama nicht als eine Figur der Hoffnung. Die Leute, die in Obama eine Hoffnung sehen, sind mit den bestehenden Verhältnissen zufrieden. Aber schauen Sie sich an, wie viele Schwarze die Präsidentschaftskandidatur von Jesse Jackson unterstützt haben. Der Enthusiasmus war viel größer. Abgesehen von der Show, die Oprah Winfrey für Obama gemacht hat, kommen kaum Schwarze zu seinen Wahlkampfveranstaltungen.

Die Spekulationen über den Grund für die zurückhaltende Unterstützung der Schwarzen, Amerika sei nicht reif für einen schwarzen Präsidenten, sind also Augenwischerei?

Das ist eine Analyse, die auch Michelle Obama gerne glauben würde, wenn ihr Ehemann nicht gewählt wird. Das ist alles Quatsch und basiert nicht auf konkreten Informationen. Warum bekamen denn die früheren Präsidentschaftskandidaten Jesse Jackson oder Al Sharpton so viele Stimmen? Es reicht nicht, schwarz zu sein. Powell oder Rice sind auch schwarz, und sie wurden nicht wegen, sondern trotz ihrer Hautfarbe gewählt.