Der Neffe vor dem Palast

Die EU und die Kämpfe im Tschad. kommentar von jörn schulz

Der erste Angriff war ein dilettantisches Unternehmen. Bereits im April 2006 waren tschadische Guerilleros bis in die Haupstadt N’Djamena vorgedrungen, doch sie griffen statt des Präsidentenpalastes das Parlamentsgebäude an und wurden schnell geschlagen. Diesmal belagerten die Feinde Präsident Idriss Débys das richtige Gebäude, bereits beim Vormarsch auf N’Djamena töteten sie den Generalstabschef Daoud Soumain, und nur der Einsatz von Panzern und Kampfhubschraubern hielt sie bislang auf.

Eigentlich sollte in dieser Woche die Eufor-Truppe im Tschad stationiert werden, doch die Flüge werden »für einige Tage unterbrochen«, sagte der französische Verteidigungsminister Hervé Morin am Sonntag. Frankreich stellt zwei Drittel der vorgesehenen 3 700 Soldaten. Offizieller Auftrag der Truppe ist der Schutz der Flüchtlinge aus Darfur, doch Frankreich, das beim Angriff im Jahr 2006 Déby militärisch unterstützte, wurde von Oppositionellen und Guerilleros verdächtigt, vor allem einen Regime Change verhindern zu wollen.

Auch viele EU-Staaten mutmaßten, die Militärmission diene vor allem den französischen Inter­essen. Sie stimmten nur widerwillig der Truppenentsendung zu, und wenn Frankreich die Eufor in Kämpfe mit Guerilleros verwickelt, würde das ganze Unternehmen wohl scheitern. Nachschub über den von französischen Soldaten gehaltenen Flughafen wird Déby weiterhin bekommen. Ansonsten aber muss der Präsident, »ein hervorragender Kämpfer«, wie Morin meint, selbst sehen, wie er zurechtkommt. In Frankreich hat sich die Einsicht durchgesetzt, dass nicht jedes zerfallende Regime mit ein paar hundert Soldaten gerettet werden kann. Déby hat die Kontrolle über weite Teile des Landes bereits verloren, viele seiner Funktionäre und Offiziere liefen zur Guerilla über.

Allzuviel würde sich bei einem Regime Change daher auch nicht ändern. Vielleicht bliebe die Macht sogar in der Familie, denn zu den Guerilla­führern gehört Débys Neffe Timane Erdimi. Die bewaffnete Opposition wird vom Sudan unterstützt, dessen Luftwaffe in die Kämpfe im Osten des Tschad eingegriffen haben soll. Größer als das Interesse an einem dauerhaften Bündnis mit dem islamistischen Regime in Khartoum dürfte bei den tschadischen Warlords jedoch das Bestreben sein, sich die Öleinnahmen anzueignen. Sie wollen die Eufor akzeptieren, wenn sie sich auf ihren offiziellen Auftrag beschränkt.

Fraglich ist, ob sich die Guerilla, ein fragiles Bündnis dreier Dachverbände, die wiederum jeweils mehrere Milizen zusammenschließen, bei der Teilung der Beute einigen könnten. Der Zerfall des Tschad wird wohl voranschreiten, wer auch immer die Schlacht um N’Djamena gewinnt.