Proteste in Peru gegen den Präsidenten

Der Präsident lässt ermitteln

In Peru mehren sich die Proteste gegen die wirtschaftsliberale Politik Präsident Garcías. Doch auch von den konkurrierenden Politikern hat die Bevölkerung wenig zu erwarten.

Angel Pueda lenkt seinen Wagen durch den dichten Berufsverkehr an der Plaza Bolognesi im Zentrum von Lima. An einem Haus in der Avenida Alfonso Ugarte hängt das riesige Konterfei des ehemaligen Präsidenten Alberto Fujimori. Für den Taxifahrer ist das Transparent, welches über eine Hauswand gespannt ist, schon Alltag. »Einige Wochen hängt es schon, und kaum einer stört sich daran. Ich glaube, seine Tochter beziehungsweise deren Partei hat es aufhängen lassen«, erklärt Angel Pueda und schaltet einen Gang zurück. Wieder einmal ist die Straße verstopft.
»Fuerza 2011« heißt das jüngste Projekt des Fujimori-Clans. Alberto Fujimori, der Peru zwischen 1990 und 2000 autoritär regierte, ist inhaftiert und wurde bereits zu sechs Jahren Gefängnis wegen Amtsmissbrauchs verurteilt. Über weitere Anklagepunkte, u.a. Korruption, Entführung und Mord, wird noch verhandelt. Seine Tochter Keiko Fujimori ist jedoch überaus populär. Die Parlamentsabgeordnete will »mit den Waffen der Demokratie die wirkliche Unterstützung, die mein Vater genießt, zeigen«. Deshalb hat sie Anfang Januar die Kampagne »Fuerza 2011« lanciert, deren Ziel es ist, ihren Vater 2011 erneut in den Präsidentenpalast wählen zu lassen. Echte Chancen räumt Parteienforscher Carlos Reyna der Kampagne, die vorerst alle Parteigänger Fujimoris zusammenführen soll, jedoch nicht ein. »Heute gibt es einen größeren Einfluss von Seiten der Parteien wie der Apra (von Alan García), der Unidad Nacional oder anderen Regionalparteien«, sagt der Wissenschaftler.
Ein Argument, das bei Angel Pueda nur ein bitteres Lachen auslöst. »Hier in Peru wählen wir zwischen Pest und Cholera. Denken Sie doch nur an die letzte Präsidentenwahl, wo wir die Wahl hatten zwischen Alan García, der das Land schon einmal zugrunde richtete und Fujimori erst ermöglichte, und Ollanta Humala. Was für grandiose Aussichten«, sagt der Taxifahrer. Der Nationalist Humala unterlag bei den Wahlen im Jahr 2006. Pueda, der Ökonomie studiert und früher in einer Bank gearbeitet hat, befürchtet, dass sich unter García, dessen erste Präsidentschaft mit einer schweren Wirtschaftskrise im Jahr 1990 endete, die Hyperinflation wiederholen wird.

»Die ersten Anzeichen dafür haben wir doch schon. Alle Preise gehen nach oben«, klagt der 38jährige. »Der Warenkorb der Lebensmittel für eine einfache Familie kostet derzeit 30 Soles (umgerechnet 7,50 Euro) am Tag. Im Monat sind das 900 Soles, das Mindesteinkommen beläuft sich jedoch gerade auf 520 Soles«, rechnet Pueda vor. Taxifahrer wie er verdienen etwa 50 Soles pro Tag und damit mehr als ein Lehrer in Peru. Die müssen sich mit 800 Soles monatlich begnügen und haben oft einen Zweitjob, um über die Runden zu kommen. Die Folgen für das nationale Bildungssystem sind verheerend, wie eine Untersuchung Anfang März ergab. Den Test bestanden von 170 000 Lehrern gerade 3 000, davon nur sehr wenige mit Auszeichnung.
Für die Regierung von Präsident Alan García, die den Test in Auftrag gab, ist das ein Desaster. Entgegen allen Wahlkampfversprechen hat Señor Presidente die Ausgaben für das Bildungssystem nach seinem Amtsantritt zusammengestrichen. Ein Grund, weshalb Peru beim Pisa-Test für Lateinamerika ausgesprochen schlecht dasteht. »Wir sind Letzter in Lateinamerika, nur Haiti rangiert hinter uns«, ärgert sich Ada Mejia von Via Libre, einer der großen Aids-Stiftungen in Peru. Davon ist auch Via Libre betroffen, denn für Prävention und Aufklärung ist ein gewisses Bildungsniveau Vorraussetzung, ebenso ein Interesse und Entgegenkommen der Lehrer. »Das ist jedoch nur rudimentär vorhanden, dabei ist Bildung die einzige Chance, um endlich weiterzukommen«, sagt die Soziologin.
Im Präsidentenpalast an der Plaza Mayor in Limas Altstadt scheint das nicht angekommen zu sein. Gute Noten geben nur wenige Peruaner ihrem Präsidenten nach gut eineinhalb Jahren Amtszeit. Einer Umfrage zufolge hielten im März 68 Prozent der Peruaner seine Amtsführung für schlecht. Ein Beispiel für die Unfähigkeit der Administration ist die Nothilfe nach dem Erdbeben vom August 2007 im Großraum der Hafenstadt Pisco. Sie kam erst mit erheblicher Verspätung ins Rollen, berichten internationale Entwicklungsexperten in Lima, die auf eigene Faust Konvois mit Decken, Zelten und Nahrungsmitteln organisierten, weil die Regierung auf eine derartige Situation kaum vorbereitet war.
Auf internationale Hilfe hat sich auch Lundú gestützt, eine Selbsthilfeorganisation der farbigen Minderheit in Peru. »Wir haben Fertighäuser in Chincha, eine Fahrtstunde im Süden Limas, mit den Gemeinden aufgebaut. Hilfe von Seiten der Regierung ist da kaum angekommen«, sagt Monica Carillo, die Präsidentin des Vereins. Ähnlich ist die Situation im benachbarten Cañete, wo deutsche Helfer tätig sind. Dabei fehlt es der Regierung nicht an Ressourcen, denn seit mehr als sechs Jahren wächst die peruanische Wirtschaft mit beachtlicher Geschwindigkeit.
Um knapp neun Prozent wuchs die Ökonomie 2007, und in den ersten Monaten dieses Jahres wurden durchschnittliche Wachstumsquoten von über zehn Prozent verzeichnet. »Doch von dem Boom kommt unten wenig an, und dagegen regt sich zunehmend Widerstand«, erklärt María Elena Foronda von der Nichtregierungsorganisation Naturaleza. So kämpfen in Chimbote, dem wichtigsten Fischereiort Perus, die Bewohner gegen die Umweltverschmutzung durch Fisch- und Metallverarbeitung. »Die haben mit ihren Abwässern dafür gesorgt, dass die gesamte Bucht ökologisch tot ist«, sagt Foronda. »In Peru wird nicht an morgen gedacht und die Ressourcen werden gnadenlos ausgeplündert«, kritisiert die Umweltschützerin.
Alan García lädt die Unternehmer aus aller Welt ein, in Peru zu investieren. Vor allem am Bergbau, dem wichtigsten Wirtschaftssektor des Landes, der rund 60 Prozent der Exporteinnahmen einbringt, ist das internationale Interesse groß. »Die Regierung kommt dem nach und hat selbst in touristisch wichtigen Regionen des Landes wie in Baños del Inca, nahe der Stadt Cajamarca, Konzessionen vergeben«, erzählt Julia Cuardos von der Nichtregierungsorganisation Cooperación. Die setzt sich für die Rechte der lokalen Bevölkerung ein und vertritt auch schon mal Gemeinden, die sich gegen die Ansiedlung von Bergbauunternehmen wehren wollen. Deren Zahl nimmt zu, und die Regierung geht mit allen Mitteln gegen sie vor.

Ende März wurde Anzeige wegen Terrorismus gegen Fachleute von Nichtregierungsorganisationen, Biologen und Gemeindevertreter erstattet, weil sie sich einem Bergbauprojekt im Norden des Landes widersetzen. Dort, in der Region von Piura, soll ein großes Kupferminenprojekt namens Rio Blanco verwirklicht werden. Doch das Projekt bedroht die Umwelt, das legen zumindest ökologische Studien des in der Region ansässigen Biologen Fidel Torres nahe. Gegen ihn wird ebenfalls ermittelt, und es ist unstrittig in Peru, dass die Regierung von Alan García dahintersteckt.
Der Präsident, der einst als Linker für die gesellschaftliche Umverteilung eintrat, ist nun ein strammer Wirtschaftsliberaler. Bei seinem Besuch Mitte März in China warb er um Investitionen im peruanischen Bergbau, wo bereits 250 Minen in Betrieb sind. Quasi nebenbei gab der Präsident dabei bekannt, dass auch das Projekt Rio Blanco durchgesetzt werden soll. Dass er damit gegen die verfassungsmäßigen Rechte der lokalen Bevölkerung verstößt, die in einem Referendum gegen das Projekt gestimmt hatte, scheint García egal zu sein.