Wrestling in Israel

Wie das Wrestling beinah nach Israel kam

Nach sieben Jahren Aufbauarbeit gab ein junger Israeli den Versuch auf, aus Israel eine Catcher-Hochburg zu machen.

So eine Geschichte ist nicht leicht zu schreiben. Derjenige, der Auskunft geben kann, will nämlich nicht mehr. Dabei ist Gery Roif, ein 27jähriger ­Israeli, nicht viel passiert, er hat lediglich eine von ihm geleitete Agentur abwickeln müssen. Is­raels einzige Agentur, die Pro-Wrestling anbietet, in Deutschland sagt man auch Catchen dazu.
Seit 2001 hatte Gery Roif die Israeli Pro Wrest­ling Association, abgekürzt IPWA, aufgebaut und ­geleitet. Und ­damals war er, so kann man recht leicht bei ­Kollegen herausfinden, in ­punkto ­Medien­arbeit für das ­Catchen ausgesprochen rührig.
Bevor er die IPWA gründete und damit sein Hobby zum Beruf machte, war er in seinem Geburtsort Netanya im Norden Israels Vorsitzender eines Wrestling-Fanclubs. Roif wollte in der israelischen Gesellschaft, die in vielen kulturellen und politischen Aspekten von der amerikanischen geprägt ist, auch eine Sportart etablieren, die gemeinhin als typisch amerikanisch gilt, wenn man überhaupt zuzugeben bereit ist, dass es sich um eine Sportart handelt.
Andere amerikanische Sportarten unternahmen in dieser Zeit ähnliche Versuche: In Jeru­salem wurde ein großes American-Football-Sta­dion errichtet, der Sport entwickelt sich dort langsam und durchaus erfolgreich. Baseball konnte sich dagegen nicht durchsetzen, die im vergangenen Jahr gegründete Profiliga wird bereits wieder ­eingestellt – ein Absturz mit Ansage.
Völlig chancenlos schien Wrestling in Israel nicht zu sein, es musste sich nur einer trauen, und Gery Roif traute sich. Und wurde damit in Is­rael durchaus eine Berühmtheit.
Im Jahr 2004 zeigten die Fernsehnachrichten des zweiten Kanals, wie Roif über einen Wrestler namens »New York« Rozenfeld siegte und zum zweiten Schwergewichtstitel seiner Karriere kam; über eine ­Million israelischer Haushalte hatten da eingeschaltet.
Am 16. Juli 2005 holte Roif zum noch größeren Schlag aus. Die Fernsehserie »Makkat Me­dina« ging auf Sendung, eine, wie er selbst verkündete, Sozial­satire aus der Welt des Wrestling. Gery Roif spielte den »ringenden Rebbe«, sein Gegen­spieler war Roifs ­Wrestlingpartner Joey »the Moalm« Tylec, der einen Soldaten mimte. Der Plot offenbart, dass es sich bei »Makkat Medina« eher um sehr durch­geknallten Slapstick handelte: Ein ­Rabbiner und ein Soldat treffen sich zum Kampf. Wenn der Soldat verliert, wird er religiös; wenn aber der Rabbi unterliegt, meldet er sich zur Armee. Da diese Geschichte alleine noch keine ganze Fernsehserie trägt, wurde Sa’ar Fin verpflichtet, in den Achtzigern in einer bestimmten Szene mit dem Ruf des israelischen Sexsymbols ausgestattet.
»Makkat Medina« hielt lange durch. Auf verschiedenen Fernsehsendern ausgestrahlt, sogar auf dem britischen »Wrestling Channel«, gehört die Serie heute zur israelischen Fernseh­geschichte. Auf Youtube kann man sich noch besondere Highlights anschauen, deren Gehalt sich auch dann erschließt, wenn man kein He­bräisch spricht. Das gilt auch für die schauspielerischen Fähigkeiten von Roif und seinen Kol­legen.
Für Gery Roif und die IPWA hatte »Makkat Medina« aber interessante Auswirkungen: Die Serienstars wurden gerne für Geburtstage und Bar-Mitzvah-Feiern gebucht.
Ob das Roif genügte, weiß man nicht, und er selbst beantwortet ja keine Fragen mehr. Man kann vermuten, dass er mehr wollte: Begeisterung, volle Hallen, großes Samstagabendprogramm – etwa so, wie in den USA. Da wirkt die Einladung, auf einem Geburtstag aus der Torte zu springen, natürlich eher wie ein Abstieg.
Als Roif 2001 anfing, war er nicht gerade ein klassischer Wrestler. Aber er trainierte fleißig, nahm an Muskelmasse zu, wurde immer mehr zu einer beeindruckenden Wrestler-Erscheinung, und in Anlehnung an den populären Hulk Hogan nannte er sich bald »Hulk«.
Roif organisierte Veranstaltungen für die zwar immer größer werdende, aber unter dem Strich immer noch kleine Gemeinde der israe­lischen Wrestling-Fans. Jeden Sommer gab es den »Summer Splash«, bald ergänzt durch den »Pessach Bash« im Frühjahr, im November bot er den »Kosher Clash« an, und dann gab es noch die »IPWA Election Day Anarchy«.
Splash, Bash, Clash oder gleich Anarchie – was sich martialisch anhört, waren schlichte Kampf­abende in Turnhallen vor ordentlich angeordne­ten Plastikstuhlreihen. Meist kamen etwa 100 Gäste, um sich Roifs Kämpfer anzuschauen: Evgeny »Russian Sickle« Lyder war einer der Stars, »Chief Inspector Rosenberg« und Ben »Iceman« Rozin begeisterten die Fans. Auch Frauen stiegen für Roifs IPWA in den Ring: Michal Gavrielov oder Jezebel.
Langsam wuchs die Fangemeinde – der Rekord waren 300 zahlende Gäste im Ben-Gurion-Sportcenter von Netanya. Aber wirklich große Erfolge gab es nicht.
Die Entwicklung des israelischen Wrestling lebte von kleinen Erfolgen. Das internationale »Total Wrestling Magazine« begann beispielsweise Ende 2003 damit, monatliche Rankings zu veröffentlichen, in denen auch die israelischen Kämpfer gelistet wurden. Diese Aufmerksamkeit nutzte Roif, um internationale Stars ins Land zu holen. Zunächst Kämpfer aus den USA oder Großbritannien wie Aviv Maayan, Hawaii Allen, Jumping Lee oder Yossi the Bull.
Im September 2004 investierte er noch einmal eine für ihn und seine Firma größere Summe: Ein eigener Pro-Wrestling-Ring wurde für umge­rech­net 10 000 Euro in Tel Aviv gebaut, nun muss­te er nicht mehr in die Ringe der Boxer ausweichen.
Und er konnte auch richtige Stars buchen: Kevin von Erich, ein legendärer amerikanischer Wrestler, der eigentlich schon längst zurückgetreten war, stieg für Roif 2005 noch einmal in den Ring. Von Erich sollte und wollte »Makkat Medina« promoten. Gemeinsam entwickelten Roif und er eine Kampagne unter dem schönen Titel »Don’t do it at home«. Doch zum großen Kampfabend mit Kevin von Erich kamen gerade mal 400 Fans nach Tel Aviv. Wer amerika­nisches Wrestling kennt, weiß, dass das nicht die ganz große Kulisse ist.
2008 zogen sich die zwei großen US-Wrestling-Anbieter WWE und TNA aus Roifs Firma zurück. Sie hatten ihm bislang immer halbwegs den Rücken freigehalten und ihm beispielsweise Sendelizenzen für seine Sozialsatire besorgt.
»Niemand ist mehr bereit, in Pro-Wrestling-Events zu investieren«, heißt es in einer Pressemitteilung; im März wickelte Roif dann seine Agentur ab.
Immerhin, von seinen Fans hat sich Roif ­alias der »ringende Rebbe« alias »Hulk« verabschiedet: »Wir werden weiter trainieren und hoffen, dass uns jemand künftig genügend Mittel gibt. Dann gründen wir wieder eine Agentur, die es israelischen Wrestlern ermöglichen wird, ihr Talent zu zeigen.«
Sieben lange Jahre hat Gery Roif versucht, das Wrestling nach Israel zu bringen. Im März 2008 schrieb er auf eine Interviewanfrage: »Ich schließe meine Agentur in diesem Monat.« Seine Telefonnummer verriet er nicht, und bei wei­teren E-Mail-Anfragen verwies er nur auf seine Web­site. Irgendwann hörte er auch auf, E‑Mail-Fragen zu beantworten, und seine Website www.ipwa.co.il ist nun abgeschaltet.