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Bis vor kurzem wurde Biotreibstoff von der EU als Wundermittel im Kampf gegen den Klimawandel gepriesen. Umweltschutz- und Entwicklungsorganisationen hatten zwar immer wieder auf die schädlichen Folgen der Biospritproduktion hingewiesen, der Widerspruch wurde jedoch ignoriert. Am Freitag veröffentlichte die britische Tageszeitung The Guardian einen »Geheimbericht« der Weltbank, demzufolge die Biospritproduktion zu 75 Prozent für den Preisanstieg bei Nahrungsmitteln verantwortlich ist. Die Nahrungsmittelpreise stiegen seit 2002 um 140 Prozent, in zahlreichen Ländern kam es zu Hungerrevolten. Die westlichen Regie­rungen hatten stets behauptet, die Produktion von Biosprit habe kaum Einfluss auf den Preisanstieg, die US-Regierung schätzte den Anteil an der Preiserhöhung auf weniger als drei Prozent und verwies auf die wachsende Nachfrage in Asien. Doch die Studie spricht die viel zitierten Spekulanten, aber auch die chinesischen Fleischkonsumenten weitgehend frei: »Der schnelle Einkom­menszuwachs in Entwicklungsländern hat nicht zu einer großen Zunahme des weltweiten Getreidekonsums geführt und war keine Hauptursache für den starken Preisanstieg.«
Dass nun ausgerechnet die Weltbank sich gegen sie stellte, brachte die EU in Legitimationsnot. Bislang war vorgesehen, bis zum Jahr 2020 zehn Prozent des Treibstoffbedarfs durch Biosprit zu decken. Der Umweltauschuss des EU-Parlaments schlug vor, diesen Anteil auf fünf Prozent zu reduzieren. Die Energieminister der EU wollen sich nicht auf eine Zahl festlegen, halten aber auch nicht mehr an den einst gesteckten Zielen fest. Der bereits im April erstellte Bericht der Weltbank sei geheim gehalten worden, um die US-Regierung nicht zu brüskieren, schrieb der Guardian unter Berufung auf Entwicklungsexperten. Das dementierte ein Sprecher der Weltbank in London, der die Bedeutung des Berichts herunterzuspielen versuchte: »Hier wurde die Meinung eines einzelnen Experten zitiert, den die Weltbank zu Rate gezogen hat, wie viele andere auch.« Von einer Geheimstudie könne nicht die Rede sein. Der Guardian hingegen spricht von der »bislang detailliertesten Analyse der Krise«.