Onlinespiel »Fantasy Tour de France«

Hoffen auf die rote Laterne

Chaotisch, unübersichtlich, bunt und ein bisschen sinnlos: Das Onlinespiel »Fantasy Tour de France« ist fast so wie die Tour selbst, nur erfolgsorientierter.

Nur dasitzen und die Tour de ­France angucken, ist ein bisschen langweilig, denn natürlich hat man selbst nach vielen Stunden noch keine Ahnung, wie man sich als Manager eines Radteams so fühlen mag. Rechtzeitig zum Beginn der Tour de France startete Eurosport mit der »Fantasy Tour de France« ein passendes Spiel, bei dem man ein eigenes Team mit zehn Fahrern aus dem Teilnehmerfeld füllen kann.
Bis Kvikk Sportswire als Rennstall etabliert ist, gibt es jedoch einige Hindernisse zu überwinden …
Sich bei einem Onlinespiel zu registrieren, heißt zunächst: warten, denn die angekündigte Mail, mit der die Anmeldung bestätigt wird, kommt einfach nicht.
Für jemanden, der eine gewisse Erfahrung mit Onlinespielen hat, eigentlich kein Problem, weil registrieren und sofort danach im Spamordner nach der Begrüßungsmail schauen prak­tisch zum Grundrepertoire gehören.
Eigentlich. Die Eurosport-Mail ist nämlich einfach nirgendwo zu finden, und das derartig nirgendwo, dass das zweifellos blöde Spiel in der Folge einfach vergessen wird.
Endlich, nach einigen Stunden, hat die Bestätigungsmail von Eurosport den Spamordner erreicht.
Was allerdings nicht bedeutet, dass nun auch gleich das Spiel beginnen kann. Die euro­sport’sche Begrüßungsmail enthält nämlich eine höchst verwirrende Mitteilung:
»Ihr Benutzername ist: XXX@XXX.comIhr Passwort ist: XXX@XXX.com«
Das hatte man zwar anders in Erinnerung, aber gut, wenn Eurosport meint, dass man die eigene E-Mail-Adresse auch als Passwort angegeben hat, dann wird das wohl auch so sein – die Anmeldeprozedur ist schließlich schon lange genug her, deswegen kann nicht ausgeschlossen werden, dass man irgendeinen Fehler gemacht hat.
Das Einloggen mit den von Eurosport ver­schick­ten Details klappt jedoch nicht. Nicht im ersten, nicht im zweiten, nicht im dritten Versuch und auch nicht im neunten. Statt des kleinen Kästchens, in das man den mitgeschickten Aktivierungscode hineinkopieren soll, erscheint mit stupider Beharrlichkeit die Meldung, dass der Login nicht klappe, denn: »Der eingegebene Benutzername/das eingegebene Kennwort ist falsch.«
Das ist grob gelogen, denn korrekt müsste die Mitteilung lauten »Der eingegebene Be­nut­zer­name/das eingegebene Kennwort ist falsch, weil wir so dusselig sind und den Usern verwirrende falsche PW schicken«, aber egal.
Mit dem bei der Anmeldung angegebenen Passwort klappt es schließlich, und Kvikk Sports­wire kann den Betrieb aufnehmen. Korrigiere: Könnte, denn schon fangen die Probleme an.
Dem hoffnungsvollen jungen Rennstall steht nämlich nur ein begrenztes Budget zur Verfügung, mit dem eine Mannschaft aus den tatsäch­lich bei der Tour startenden Fahrern zusammen­gestellt werden muss.
Muss. Nur auf einen der Favoriten zu setzen und beispielsweise Cadel Evans zu kaufen, geht nicht, das Team hat aus zehn Radprofis und einer favorisierten Etappe zu bestehen.
Na dann. Der erste Einkauf ist selbstverständlich der Norweger Thor Hushovd, gefolgt von Cadel Evans.
Dann aber ist plötzlich kein Geld mehr da, um die letzten drei Teammitglieder zu erwerben, wes­wegen Evans wieder rausgeschmissen und aus rechnerischen Gründen durch den billigsten Fah­rer im gesamten Spiel, Wim Vanseve­nant, ersetzt wird.
Am Ende sieht die Mannschaft von Kvikk Sports­wire so aus:

Thor Hushovd Crédit Agricole 0 0 0 0Robert Forster Gerolsteiner 0 0 0 0Denis Menchov Rabobank 0 0 0 0Robbie McEwen Silence-Lotto 0 0 0 0Christophe Moreau Agritubel 0 0 0 0Wim Vansevenant Silence-Lotto 0 0 0 0Rik Verbrugghe Cofidis 0 0 0 0Nicolas Jalabert Agritubel 0 0 0 0Leif Hoste Silence-Lotto 0 0 0 0

Die vielen Nullen wirken gar nicht schön, aber vielleicht ändert sich das ja und Vansevenant überrascht sie alle.
Was – zugegeben – nicht sehr wahrscheinlich ist, denn der 36jährige hatte in den 13 Jahren, die seine Profikarriere nun schon dauert, bis auf ei­nen Etappensieg bei der Tour de Vaucluse keine großen Erfolge zu verzeichnen. Viel wahrschein­licher ist es, dass Vansevenant am Ende der dies­­jährigen Tour den inoffiziellen Titel »rote Laterne« erhält, weil er wie bereits 2006 und 2007 Letzter geworden ist. Den Belgier stört das aller­dings nicht, denn er ist das, was man einen mann­schaftsdienli­chen Fahrer nennt, oh­ne Fah­rer wie ihn wären die Topsprinter bei den Mas­sen­ankünften und die Bergspezialisten bei den lan­gen Aufstiegen auf sich allein gestellt. Vanse­ve­nant gilt als zuverlässiger Fahrer, seine Speziali­tät ist es, den Sprint anzuziehen; im vorigen Jahr gewann Robby McEwan dank ihm das grüne Tri­kot.
Daran lag es aber nicht, dass der Träger der lanterne rouge plötzlich nicht nur Insidern bekannt wurde – nach den vielen Dopingskandalen während der Tour 2007 erklärte die französische Tageszeitung Libération, nunmehr nur noch den Letztplatzierten zu bejubeln. Andere Medien griffen die Idee auf, und schließlich wur­de der ironische Vorschlag gemacht, einfach den Letztplatzierten zum Sieger zu erklären, schließlich könne der angesichts solch schlech­ter Leistungen nicht gedopt sein.
Trotz des Denkfehlers – ein mannschaftsdien­licher Fahrer muss genauso fit sein wie ein Spit­zenradler, läuft allerdings weit weniger Gefahr, zum Dopingtest ausgelost zu werden – machte die lustige Idee rasch die Runde, und Vanseve­nant musste eine Menge Interviews geben. Nein, er träume nicht heimlich davon, im gelben Trikot über die Champs Élysées zu fahren, sagte er immer wieder, er sei eigentlich sehr zufrieden mit seiner Rolle als Helfer. »Meine Frau ist Friseuse und berichtet mir immer wieder, wie viel Respekt die Leute vor mir haben, davor, dass ich noch auf der Strecke leide, wenn die anderen schon längst angekommen sind.«
In diesem Jahr wird man zum letzten Mal Mit­leid mit dem Profi haben müssen, Vansevenant wird nach der Tour seine Karriere beenden. Und vielleicht wird er vorher noch einmal Letzter werden.
Was Kvikk bei der Fantasy-Tour jedoch absolut kein Stück weiterhelfen würde, denn im Game zählen nur finale Spitzenleistungen. Es gibt weder Punkte für Zwischenergebnisse noch für Ausreißversuche, es zählt lediglich das jeweilige Tagesergebnis.
Das ist langweilig, deswegen hat man Zeit genug, um – nein, natürlich nicht die Spielregeln zu lesen, sondern auf alle vorhandenen Knöpfchen zu drücken.
Eines erstellt eigene Ligen, und deswegen gibt es nun im Spiel eine eigene Sportswire-Liga. Passender hätte die Veranstaltung allerdings »Öööööde!« benannt werden sollen, denn, wie es ein Ligakollege ausdrückt: »Ich kann eigentlich gar nichts außer ausgeloggt werden.« Die Ligen sind reiner Selbstzweck ohne irgendwelche zusätzlichen Features, gerade einmal ein rudimentärer Tabellenstand wird angezeigt.
Dieser sieht schon zu Beginn der zweiten Tour­woche nicht gut aus, außerdem bereitet Spitzenfahrer Evans Sorgen. Er ist am Sonntag gestürzt und sieht ziemlich lädiert aus. Was passiert eigentlich, wenn er oder ein anderer der Kvikk-Fahrer ganz ausfällt? Bekommt man dann noch so etwas wie den Restwert erstattet, oder muss man hoffen, dass man genug Geld für Ersatz übrig behalten hat?
Das zu erfahren, würde allerdings bedeuten, dass man in den Regeln nachguckt. Wenn die nun aber auch nur halb so unübersichtlich und schlecht zu verstehen sind wie das dazugehö­rige Game, kann man sich das gleich sparen und die gewonnene Zeit mit exzessivem Daumendrücken verbringen. Vielleicht gelingt Wim Vanse­venant ja doch noch die Fahrt seines Lebens, und er steht am Ende einer Etappe ganz oben auf dem Treppchen.