Das Rauchverbot in Amsterdamer Coffeeshops

Abholen und abhauen

Seit Juli besteht auch in den Niederlanden ein Rauchverbot in der Gastronomie. Für die Kunden und Betreiber von ­Coffeeshops hat das erhebliche Aus­wirkungen.

»Rookruimte« könnte zum Wort des Jahres in den Niederlanden werden – zumindest unter Cof­fee­shopkunden. Oder auch zum Unwort, die Meinungen sind da geteilt. Piet zum Beispiel ist froh, überhaupt noch seinen Spliff dort rauchen zu können, wo er ihn seit jeher am liebsten zu sich nimmt – zurückgelehnt im Coffeeshop »Blue­bird« im Zentrum Amsterdams. Seit neuestem je­doch darf Piet seine Mischung nur noch in einem sepa­raten Glaskasten, dem Rookruimte, zu sich neh­men – und tut das, notgedrungen. Carlos dagegen ist das zu viel. »Ich rauche jetzt zuhause«, sagt der 40jährige ohne Wehmut. Früher kam er oft hierher, doch seit der Genuss tabakhaltiger Joints in Coffeeshops untersagt ist, hat er eine jah­re­lange Gewohnheit einfach aufgegeben. Pur rauchen, damit ist der Brasilianer zwar aufgewach­sen, wie das in Amerika üblich ist. Aber das Gras in Holland ist zu stark. »Jetzt komme ich nur noch zum Kaufen.«
Eigentlich sind niederländische Arbeitgeber bereits seit Anfang 2004 verpflichtet, ihrem Personal einen rauchfreien Arbeitsplatz zur Verfügung zu stellen. Dass die Gastronomie nach einer Gnadenfrist von viereinhalb Jahren seit 1. Juli die gesetzlichen Bestimmungen auch einhalten muss, beschert nicht zuletzt den rund 700 Cof­fee­­shops eine ungewisse Zukunft. Viele haben sich den Auflagen angepasst und stellen ihrer Kundschaft einen abgetrennten Raum zur Verfügung, in dem diese weiterhin rauchen kann wie bisher. Silvio Walter vom Amsterdamer »Stud« hat rund 25 000 Euro investiert und zwei Drittel seines Lokals in einen brandneuen Glasverschlag verwandelt. Dieser ist mit gemütlichen Ledersitzen und großem Bildschirm ausgerüstet. »Lecker luxuriös«, freut sich der Inhaber.

Die meisten seiner Kollegen dagegen halten ­ih­re Etablissements für zu klein für einen solchen kost­spieligen Umbau – und riskieren damit Bußgelder von 300 Euro bis 2 400 Euro im Wie­der­holungs­fall. Zuletzt droht die Schließung. Im »Cafe Stone’s«, nur ein kleines Stück vom Rot­licht­­viertel entfernt, soll dennoch alles bleiben, wie es ist. Mitarbeiter Richard Sandbergen macht keinen Hehl daraus, was er vom Rauchverbot hält. »Wenn du hier arbeiten willst, weißt du, dass du im Rauch stehst. Ich arbeite schon seit 16 Jahren im Coffeeshop. Würde ich lieber am Schalter sitzen, wäre ich zur Eisenbahn gegangen.«
Dass die Einrichtung Coffeeshop auch unter ver­änderten Bedingungen überleben kann, davon ist Michael Veling überzeugt, auch wenn sich solch ein Laden natürlich zu einer Art Takeaway entwickeln werde. »Abholen und abhauen, so wird es sein.« Doch der Inhaber des »Café 420« in Amsterdam verweist auch auf Möglichkeiten, wie man nicht nur zu Hause tabakfrei high werden kann. Wasserpfeifen gehören ohnehin zur Standardausstattung, und der Trend der Zukunft könn­te der Vaporiser werden, aus dem seit einigen Jahren in manchen Coffeeshops Cannabisdampf inhaliert werden kann. Eine treue Gemeinde schwört auf diese Variante, bei der weniger Schad­stoffe freigesetzt werden als beim Verbrennen. Veling will innerhalb eines Jahres pro Tisch ein solches Gerät anschaffen. »Eigentlich«, sinniert er, »ist es Wahnsinn, das teure Cannabis mit Tabak zu mischen.«
Anders als in Amsterdam, das wie jeden Sommer von internationalen Kiff-Touristen eingenommen wird, stellt sich die Lage in einer eher unauffälligen Stadt wie etwa Tilburg dar. Die meisten der 13 Coffeeshops dort werden von ihren Besitzern ebenfalls für zu klein für einen Umbau gehalten. Zudem sieht man eine Reduktion des Coffeshops zur reinen Abgabestelle als Zerstörung einer Politik, die den Verkauf weicher Drogen toleriert, um deren Konsumenten von den harten Drogen zu trennen. Aus diesem Grund entschlossen sich die Inhaber, das Rauchverbot kollektiv zu ignorieren. Ihre Gründe haben sie in einem gemeinsamen Schreiben formuliert, das in jedem Coffeeshop für Vertreter der Kontrollbehörde bereitliegt. »Rauchen ist ein fundamen­taler Bestandteil unserer Betriebsführung und un­sere Einnahmequelle«, erklärt Freek Hoek­sema von The Grass Company. »Darum machen wir bei diesem Verbot nicht mit.«
Die Coffeeshops in Maastricht dagegen haben mehrheitlich bereits umgebaut oder einen solchen Umbau bei der Kommune beantragt. Maas­tricht ist die südlichste Stadt der Niederlande und damit ein Wochenenddorado für die THC-affine Jugend Nordrhein-Westfalens, Belgiens und Nordfrankreichs. Mehr als anderthalb Mil­lionen Besucher werden jährlich durch Cannabisprodukte angelockt. Marc Josemans, Vorsitzender der Vereinigung Offizieller Coffeeshops Maas­tricht, erzählt denn auch, man könne »ziemlich gut« mit dem neuen Tabakgesetz umgehen. Allerdings macht auch er sich Sorgen um den erzie­herischen Aspekt der Institution Coffeeshop. Schließlich wünsche auch das zuständige Ministerium für Volksgesundheit, dass dort über den Gebrauch von THC informiert werde. »Doch wie ist das möglich, wenn meine Gäste und die Mitarbeiter sich in verschiedenen Räumen befinden?«

Die Diskussion erwischt die Coffeeshops in einer ohnehin unsicheren Lage. Nicht zuletzt aufgrund des Drucks anderer EU-Staaten wurde die Anzahl solcher Läden in den letzten zehn Jahren von knapp 1 400 auf etwa die Hälfte reduziert. Die für 2011 vorgesehene »Harmonisierung« der EU-Justizpolitik gilt Betreibern von Coffeeshops als weitere Gefährdung ihrer Existenzgrundlage. Die niederländische Duldungspolitik ist bisher allein deshalb aufrechtzuerhalten, weil der Gebrauch weicher Drogen in die Zuständigkeit des Ministers für Volksgesundheit fällt und nicht wie in anderen Ländern in die des Justizressorts. Auch betreiben viele Gemeinden eine Politik, die die Anzahl von Coffeeshops weiter begrenzen will. Zudem geht die Justiz inzwischen immer stren­ger gegen Cannabisplantagen und gegen Coffeeshops vor, in denen mehr als die zulässige Menge von 500 Gramm gefunden wird. Das ungelöste Nachschubproblem wird weithin kritisiert, denn die Duldungspolitik beschränkt sich nur auf die Abgabe weicher Drogen, nicht auf deren Produktion und den Einkauf.
Ab Klink, der zuständige Minister, bemühte sich bereits im vorigen Sommer, dem Eindruck zu widersprechen, dass sich ein Rauchverbot bestens in dieses zunehmend repressive Bild füge. Eine Mehrheit des Parlaments hatte damals gefordert, ein solches Gesetz dürfe nicht die Existenz der Coffeeshops gefährden. Mit einem geschätzten Umsatz von jährlich zwei Milliarden und einem Steuervolumen von 400 Millionen Euro sind diese ein bedeutender Wirtschaftszweig, was wiederum selbst den Kritikern einer liberalen Drogenpolitik einleuchtet. Gegenwärtig vernimmt man aus dieser Ecke vor allem Klagen darüber, dass in der Gastronomie keine Zigaretten, wohl aber in Coffeeshops pures Cannabis geraucht werden darf. Für Marc Josemans, der in Maastricht auch das »Easy Going« betreibt, ist das kein Widerspruch: »Letzteres macht nicht süch­tig, und sterben kannst du davon auch nicht. Diese Logik begreift jeder, der richtig nachdenkt.«