Jörg Haiders BZÖ im Kräftemessen mit Politik und Justiz in ­Österreich

Der Ortskaiser schiebt ab

Mit harten Maßnahmen gegen angeblich straffällige Flüchtlinge will das Bündnis Zukunft Österreich (BZÖ) Stimmen gewinnen. Doch nun hat der Vorsitzende der rechten Partei selbst Probleme mit der Justiz.

»Das ist ein politisches Urteil«, sagte Peter Westenthaler. Der Vorsitzende des BZÖ (Bündnis Zukunft Österreich) betrachtet sich als Opfer einer »roten Justiz« und einer »linksextremen Justizministerin«. In der vergangenen Woche wurde er wegen einer falschen Zeugenaussage zu neun Mo­naten Haft auf Bewährung verurteilt. »Hauts eam auße« (schmeißt ihn raus), soll er seine Leib­wächter den Zeugenaussagen zufolge angewiesen haben, als er sich bei einer Feier am Tag der Nationalratswahlen Ende 2006 von einem kurz zuvor aus seiner Partei Ausgetretenen gestört fühlte. Sein Leibwächter hatte den ungebetenen Gast daraufhin aus dem Lokal geprügelt. Vor Gericht behauptete er, an diesem ruhigen Abend von Radau nichts mitbekommen zu haben.
Das Urteil ist nicht rechtskräftig, die Anwälte des BZÖ kündigten umgehend »volle Berufung« an und gehen in die zweite Instanz. Gegen Westenthaler läuft jedoch noch ein weiteres Ermitt­lungs­ver­fah­ren. Nach dem Match Österreich gegen Deutschland bei der Fußballeuropameisterschaft soll er einen Polizisten mutwillig mit dem Auto angefahren haben. Mittlerweile ist Westenthaler in der Partei umstritten, Jörg Haider wird Vorsitzender des BZÖ und wahrscheinlich auch Spitzenkandidat bei den Wahlen.

»Wer sich nicht benehmen kann, hat hier nichts verloren«, sagte Haider, Landeshauptmann Kärn­tens und dort auch Landesvorsitzender des BZÖ. Allerdings sprach er nicht von rabiaten Parteifreunden, sondern von Flüchtlingen.
Mitte Juli ließ Haider vier Männer und eine Frau mit ihrem Kind, die in Österreich Asyl erhalten hatten und in Kärnten untergebracht worden waren, in einen Bus setzen. Er schickte sie auf den Weg nach Traiskirchen, in das größte Asylbewerberlager des Landes in Niederösterreich.
Haider wirft den Asylbewerbern vor, sie seien straffällig geworden – doch die von ihm erhobenen Vorwürfe wurden bisher noch von keinem Gericht bestätigt. Dennoch entzog er den Menschen die Versorgungsleistungen in Kärnten. Doch damit nicht genug, ließ er sie zuvor unterschreiben, dass sie »freiwillig« das Bundesland verließen. Die Betroffenen schildern das Vorgehen aber etwas anders. In einem Interview mit dem ORF erzählte einer von ihnen: »Er hat gesagt, wenn du nicht unterschreibst, dann verlierst du alles: Meldezettel, Taschengeld, alles. Du kannst in Österreich bleiben, aber ohne Unterbringung.« An der Grenze des Bundeslandes wurde der Bus jedoch auf Weisung des Innenministeriums von der Polizei gestoppt, die Asylbewerber mussten in Kärnten bleiben.
Das hinderte Haider aber nicht daran, gleich wenige Tage später etwas Ähnliches zu un­ter­neh­men: Drei Asylbewerber, unter ihnen ein 14jähriger, wurden erneut aus Kärnten »abgeschoben«. Diesmal in einer streng geheimen Nacht- und Nebelaktion. Die Innenministerin Maria Fekter (ÖVP) kündigte daraufhin rechtliche Konsequenzen an. Denn entgegen den Beteuerungen Haiders, alles sei legal, sieht sie im Vorgehen des Lan­deshauptmanns einen Rechtsbruch.

Es bestehe Verdacht auf Freiheitsentzug, Nötigung und Täuschung, so Fekter, denn den drei Asylbewerbern sei ihre Unterschrift, »freiwillig« unterwegs nach Niederösterreich zu sein, ohne Anwesenheit eines Dolmetschers abverlangt worden. Der renommierte Verfassungsrechtler Bernd-Christian Funk teilt Fekters Ansicht. In einem Gespräch mit der Tageszeitung Der Standard sagte er: »Hier wird, ohne die Befugnis dazu zu haben, polizeiliche Zwangsgewalt ausgeübt. Und das Ganze noch mit dem Anschein der Freiwilligkeit getarnt.«
Das waren allerdings nicht die einzigen Fälle, in denen Haiders Vorgehen möglicherweise im Widerspruch zu den österreichischen Gesetzen steht. Bereits im Januar schob der Landeshauptmann 18 Asylbewerber aus Tschetschenien aufgrund des bloßen Verdachts auf eine straffällige Handlung nach Traiskirchen ab. Unter ihnen waren zehn Schüler und ein vier Monate altes Baby. Sie klagten beim Unabhängigen Verwaltungssenat (UVS), der sein Urteil am Montag voriger Woche fällte und es aller Wahrscheinlichkeit noch im August bekannt geben wird. »Mit ziemlicher Sicherheit gehen wir davon aus, dass das Vorgehen von Haider als rechtswidrig erkannt wird, also keinerlei Rechtsgrundlage hatte«, erklärt Philipp Sonderegger von der Hilfsorganisation SOS Mitmensch, die die Beschwerde betreute, der Jungle World.
Doch all dies scheint Haider kalt zu lassen. Er kündigte die Einrichtung von »Sonderanstalten« für mutmaßlich straffällig gewordene Asylbewerber in Kärnten an. 24 Stunden am Tag sollen sie dort bewacht werden. Haider will dafür Wach­personal bei der Polizei beantragen; wenn ihm das verweigert werde, werde er eine private Security-Firma beauftragen. »Wer bei uns gegen das Gesetz verstößt, dem machen wir einen kurzen Prozess«, soll er dem Standard zufolge kürzlich gesagt haben.
Für die Abschiebungen innerhalb Österreichs erhielt Haider sogar von der rechten FPÖ (Freiheitliche Partei Österreichs) wenig Zustimmung. »Es löst kein Problem, Asylwerber zwischen den Ländern hin- und herzuschieben«, sagte die Landesobfrau Barbara Rosenkranz. Vor gut drei Jahren wäre das noch unvorstellbar gewesen, damals hatte Haider selbst noch großen Einfluss in der FPÖ. Aber im Jahr 2005 trennten er und Peter Westenthaler sich von der FPÖ. Gemeinsam mit ihren Anhängern gründeten sie das BZÖ, doch die neue Partei bekam bei den Wahlen im Jahr 2006 kaum mehr als die für den Einzug in das Parlament nötigen vier Prozent. Den landesweiten Einfluss verdankt das BZÖ vor allem seinem Erfolg in Kärnten, 2004 erhielt dort die FPÖ 42,5 Prozent der Stimmen. Haiders Popularität sorgte dafür, dass fast alle FPÖ-Mitglieder und die meisten Wähler in Kärnten zum BZÖ überliefen.
Deshalb wird damit gerechnet, dass das BZÖ auch nach den bundesweiten Parlamentswahlen am 28. September in der künftigen Legislaturperiode im Nationalrat vertreten sein wird. Sollte die Partei bundesweit weniger als vier Prozent der Stimmen erhalten, kann sie nämlich auch über ein »Grundmandat« in Kärnten ins Parlament kommen. Dafür müsste sie in einem Wahlkreis et­wa 30 Prozent der Stimmen erhalten – ein solches »Ortskaisertum« könnte das BZÖ Umfragen zufolge zum Beispiel in Kärnten-Ost haben. Haider jedenfalls ist optimistisch, nach den umstrittenen Abschiebungsversuchen sagte er: »Wir leben in einem Staat, wo Österreicher Recht bekommen«, und sprach von einem »breiten Zuspruch in der Bevölkerung«.