Entwertet!

Der letzte linke Student ist entsetzt. Ja, der letzte linke Student ist sogar sehr entsetzt. Denn: bei sich selbst muss er einen Makel feststellen. Der Makel, den er bei sich feststellen muss, ist folgender: der letzte linke Student ist wertkonservativ. Jawohl, der letzte linke Student beharrt auf den guten alten Werten. Das allerdings hat der letzte linke Student schon immer getan. Zu recht! Denn: was wäre der Mensch ohne Liebe, Familie, Brüderlichkeit, ökologisches Bewusstsein, Moral, Nachhaltigkeitsdenken und Gerechtigkeit? Na? Genau! Nichts wäre der Mensch.
Nun sagt aber der, der sich noch immer Kommunist nennt, dass diese Einstellung wertkonservativ ist. Wertkonservativ aber: ist konservativ. Und konservativ: sind immer die anderen. Die Nichtanderen aber: sind wir. Und wir: wollen die Veränderung. Und die Veränderung: kommt nur mit der Revolution. Und das heißt: Umwertung aller Werte. Umwertung aller Werte aber: ist nicht konservativ. Sondern innovativ. Soweit: steht das auch alles schon im besonderen Notizbuch. Und ist wie immer richtig und wahr. Allerdings: Wenn die Theorie stimmt, muss auch der Mensch dazu passen. Heißt: der Mensch muss werden wie die Theorie. Heißt: der Mensch hat sich ihr anzupassen. Daher schreibt der letzte linke Student nun in sein besonderes Notizbuch: »Ich muss lernen, die Werte aufzugeben. Die Werte machen mich alt und grau. Nur die Wertelosigkeit hält mich jung und frisch.« So schreibt es der letzte linke Student. Und verlässt gleich darauf das Haus, um mal so richtig unhöflich zu sein. Nicht nur zu Fremden. Nein, auch zu Freunden. Und auch wir müssen die Sau rauslassen, wenn wir wollen, dass das Neue über das Alte obsiegt.