158

Aua, aua, aua! »Der Schmerz an der Wall Street hält an«, war am Anfang der Woche in großen Leuchtbuchstaben auf dem ABC-Newsticker am Times Square in New York zu lesen. Kein Wunder, hatten die Börsenhändler doch nach einem »schwarzen Sonntag« gleich noch einen »schwarzen Montag« zu verkraften.
Am Sonntag musste die seit 158 Jahren bestehende Investmentbank Lehman Brothers ihren Konkurs bekannt geben. Am Montag wurde die Investmentbank Merrill Lynch von einem anderen Unternehmen aufgekauft. Die beiden Banken gehörten zu den fünf größten an der Wall Street notierten Investmentbanken, von denen mittlerweile aber nur noch zwei übrig geblieben sind. Lehman Brothers, Merrill Lynch und Bear Stearns hatten im Zuge der amerikanischen Immobilien- und Hypothekenkrise zu hohe Verluste zu verzeichnen. Die Laune an der Wall Street verbesserte sich auch am Dienstag nicht. Da gab der größte amerikanische Versicherungskonzern American International Group (AIG) bekannt, dass er kurz vor dem Bankrott stehe.
Und nicht nur in New York ging es schmerzhaft zu. Der Deutsche Aktienindex (DAX) fiel erstmals seit Oktober 2006 unter 6 000 Punkte. An den Börsen in Tokio, Hongkong, Shanghai und Seoul liefen die Geschäfte so schlecht wie seit Jahren nicht mehr.
In den Medien sorgten die neuen Entwicklungen hingegen für Kreativität und Innovationen. Die Financial Times Deutschland nahm die Vorgänge sportlich und richtete auf ihrer Homepage eigens einen Live-Ticker zur Finanzkrise ein, wie man ihn eigentlich eher aus der Fußballberichterstattung kennt. Die Süddeutsche Zeitung verblüffte mit sprachlicher Drastik und verkündete die Nachricht vom »Wall-Street-Massaker«. Die Wirtschaftswoche registrierte »transatlantische Schockwellen« und versuchte der »Spur des Monsters« nachzugehen.
Die französische Zeitung La Tribune gelangte dabei unverhofft zu Einsichten in die abstrakten Funktionsmechanismen des Kapitalismus: »Man war davon überzeugt, dass es in dem Flugzeug einen Piloten gab. Dass dieser die Krise kannte und wusste, was zu tun sei. Doch dies war ein Irrtum.«