Interview mit Petra Fröhlich über die Forderung nach einem Verbot von »Killerspielen«

»Wir wählen keine Spielekiller«

Warum die bayerische CSU vor drei Wochen ausgerechnet Computerspiele zum Wahlkampfthema machte, ist vollkommen unklar. Einen großen Gefallen hat sie sich damit allerdings nicht getan, denn mit ihrer Forderung nach dem Verbot von Games, die sie als »Killerspiele« bezeichnet, schaffte sie es, ausgerechnet die eher unpolitische Gamer-Szene zu politisieren. Die Initiative »Wir wählen keine Spielekiller« kämpft nun mit T-Shirts und Logos publicityträchtig gegen die absolute Mehrheit für die CSU bei der Landtagswahl in Bayern. Federführend mit dabei ist die Zeitschrift »PC Games«. Ein Gespräch mit der Chefredakteurin Petra Fröhlich.

Dass ausgerechnet eine Spiele-Zeitschrift sich in einen Landtagswahlkampf einmischt, ist ungewöhnlich. Wie kam es dazu?

PC Games beschäftigt sich seit mehr als 16 Jahren mit Computerspielen und natürlich ist die Diskussion um Gewalt in Spielen für uns nichts Neues; wir begleiten den Prozess auch konstruktiv, haben gemeinsam mit anderen Redaktionen die Aktion »Gaming is not a crime« gestartet, suchen das Gespräch mit der Politik, arbeiten mit Verbänden zusammen und informieren unsere Leser regelmäßig über den aktuellen Stand in Sachen Jugendschutz.
Neu für uns ist die Schärfe, die Ministerpräsident Günther Beckstein und Innenminister Joachim Herrmann unter Schützenhilfe von Professor Christian Pfeiffer in die Diskussion getragen haben – explizit Vergleiche von Action­spielen mit Kinderpornographie und Nazi­propaganda haben das Fass zum Überlaufen gebracht. Wir sind Fachpresse und damit – ähnlich wie der ADAC im Autosektor – auch In­ter­essenvertretung für Computerspielefans in Deutsch­land.

Halten Sie Äußerungen bayerischer Politiker, noch dazu im Wahlkampf, wirklich für ernst zu nehmen? Gab es überhaupt einen konkreten Anlass für die CSU-Forderungen nach einem Verbot bestimmter Spiele?

Nein, für die Pressekonferenz am vergangenen Montag gab es jenseits von Wahlkampftaktik keinen Anlass für Populismus und hemdsärmelige Verbotsforderungen.

Haben Sie Beispiele für besonders lächerliche Argumente derjenigen, die Games verbieten wollen?

Da gibt es eine ganze Reihe. Immer wieder werden Spiele angeführt, die in Deutschland entweder ohnehin verboten sind oder in extrem ent­schärfter Form erschienen sind. Es ist ein großes Ärgernis, dass ein Multiplayer-Spiel wie Counter-Strike ständig als Beispiel angeführt wird – der Shooter ist ab 16 Jahren freigegeben, ein entsprechender Indizierungsantrag wurde bereits im Jahre 2002 von der Bundesprüfstelle mit gutem Grund abgelehnt. Trotzdem wird Counter-Strike immer wieder wie die berühmte Sau durchs Dorf getrieben – ein Spiel, das Millionen von erwachsenen Menschen in Deutschland spielen.
Besonders beliebt waren eine Zeitlang irreführende Spielausschnitte. In Nachrichtensendungen wurden Meldungen über Verbotsdiskussionen mit einer bewaffneten Spiel­figur illustriert, die ein Nazi-Emblem trug. Dass es im Game darum ging, eben diese Nazis zu töten, war aus dem Kontext für Nicht-Spieler nicht ersichtlich – auf den Zuschauer wirkte die Szene so, als handele es sich um ein Spiel, in dem Nazis Helden sind. Haben Redakteure und Journalisten mittlerweile wenigstens ein bisschen mehr Ahnung von Spielinhalten?
Wir haben den Eindruck, als ob die gezeigten Spielszenen mit Vorsatz zugunsten der Schlagzeile stark verkürzt und komprimiert dargestellt werden. Ein Beispiel: GTA 4 hat eine Spielzeit von mindestens 50 bis 60 Stunden; in dieser Zeit ist man zu 80 bis 90 Prozent der Zeit damit beschäftigt, durch ein simuliertes New York mit Autos oder Motorrädern zu fahren, um zum nächsten Einsatzort zu kommen. Dennoch werden in der Diskussion stets nur die Szenen gezeigt, in denen geballert wird. Das wäre in etwa so, als wenn man einen 90-Minuten-Tatort auf die zwei Minuten des eigentlichen Verbrechens reduzieren würde. Insgesamt habe ich den Eindruck, dass die meisten TV-Journalisten sehr genau wissen, was sie tun, und das Thema bewusst zuspitzen.

Ausgerechnet die Spiele-Industrie verhält sich allerdings seltsam passiv und duckt sich unter anderem bei jeder neuen Verbotsdiskussion. Woran liegt dies Ihrer Meinung nach?

Ich finde es ausgesprochen positiv, dass der deutsche Entwicklerverband GAME in den Deutschen Kulturrat aufgenommen wurde; das ist ein erster guter Schritt. Prinzipiell ist es nicht ungewöhnlich, dass sich die Industrie mangels Interessenkonflikt nicht aus der Deckung wagt. Wenn es um das Thema Tempolimit geht, ist eher der ADAC der richtige Ansprechpartner – und nicht BMW oder Porsche. Das Problem: Für Computer- und Videospiele gibt es keinen ADAC, also muss die Fachpresse ihrer Verantwortung gerecht werden.

Wie waren bislang die Reaktionen innerhalb der Industrie auf Ihre Initiative? Werden Sie finanziell unterstützt?

Ich habe eine ganze Reihe von Anfragen für das »Ich wähle keine Spielekiller«-Shirt erhalten, das der Online-Versender 3Dsupply anbietet und an alle in Bayern lebenden Wähler sogar verschenkt. Weniger von der Industrie, sondern vielmehr von den Entwicklern in den Studios erhalten wir enorme Rückendeckung: Prominente Spiele-Designer haben sich bereits zu Wort gemeldet und unterstützen die Aktion. Eine finanzielle Unterstützung der Industrie in dieser Sache ist nicht erforderlich und findet auch nicht statt.

Wie reagierte die Computerspielszene? Wie viele T-Shirts haben Sie bislang verschenkt, wie oft wurden die Logos heruntergeladen?

Der Brief und die Banner wurden mehrere zehntausend Mal heruntergeladen; da das Material häufig von Clans oder Fansites selbst angeboten wird, können wir über die Verbreitung nur spekulieren. Wie oft das T-Shirt verschenkt wurde, kann ich leider nicht sagen, da wir es nicht selbst anbieten.

Gab es Reaktionen von Politikern?

Oh ja, eine Menge. Die CSU-Fraktion sah sich veranlasst, eine Pressemitteilung herauszugeben und sich gegen die »Diffamierung als Spielekiller« zu wenden – was ich besonders putzig finde in Anbetracht der Tatsache, dass die CSU selbst mit dem diskriminierenden, kriminalisierenden, missverständlichen Begriff der »Killerspiele« Politik macht.

Thema Jugendschutz: Haben Sie Anregungen, wie man Kinder und Jugendliche vor nicht altersgerechten Spielen schützen kann? Und, ganz wichtig, wie man verhindern kann, dass Eltern ihren Nachwuchs vor dem Rechner parken, um ihre Ruhe zu haben?

Geschwister, Eltern, Großeltern müssen klare Grenzen ziehen und »hart« bleiben. Wenn ein 14jähriger GTA 4 spielen will, muss die Antwort »nein« lauten, genauso wie sie auch bei Alkohol oder Zigaretten »nein« lauten würde. Die Sticker auf den Packungen und Film-DVDs sind in ihrer Größe nicht zu übersehen. Wer einen 18er-Film oder ein 18er-Spiel trotzdem einem Minderjährigen zugänglich macht, handelt absolut verantwortungslos. Es muss klare Vereinbarungen über die Nutzung von TV, Internet, Handy und Computer geben.

Wie sähe eigentlich ein Spiel aus, bei dem Sie für ein Verbot wären?

Ich bin völlig auf Linie mit dem Gesetz, das sagt: Verherrlichungen von Gewalt und Kriegsverbrechen haben auf Leinwänden, Fernsehgeräten und Bildschirmen nichts verloren. Solange Computerspiele das Niveau von Hollywood-Action haben, ist für mich die Welt in Ordnung. Spiele und Filme, die für ein erwachsenes Publikum gemacht sind, sollen von Erwachsenen konsumiert werden dürfen. Alles andere ist Bevormundung, Entmündigung, Zensur.