»Es gibt einen gewissen Unwillen«

Auf dem Treffen der Gebirgsjäger in Mittenwald könnte im nächsten Jahr ein regelmäßiger Teilnehmer fehlen: Der 90jährige Josef Scheungraber muss sich vor dem Münchner Landgericht wegen vierzehnfachen Mordes verantworten. Er soll 1944 in Italien ein Massaker an Zivilisten befohlen haben. Bereits 2006 wurde er von einem italienischen Militärgericht verurteilt, Deutschland lieferte ihn aber nicht aus. Ein Gespräch mit der Anwältin Gabriele Heinecke, die 19 Angehörige der Opfer vertritt.

Seit wann verfügen die deutschen Behörden über die Informationen, die der Anklage gegen Josef Scheungraber zugrunde liegen?
Spätestens seit 2002, als die italienischen Behörden bei der Staatsanwaltschaft München um Amtshilfe ersuchten. Die Informationen wurden aber bereits 1995 im »Schrank der Schande« gefunden. Das ist ein Schrank der Militärstaatsanwaltschaft in Rom, der seit den Vierzigern bis 1995 mit der Vorderseite zur Wand stand. Die Unterlagen wurden damals auch den deutschen Behörden zur Verfügung gestellt.
Warum kam es erst jetzt zu einer Anklage?
Das müssen Sie die deutsche Staatsanwaltschaft fragen. Ich halte es für einen Skandal, dass es so lange gedauert hat. Man hätte den Prozess längst führen können. Es gibt bei solchen Prozessen aber immer einen gewissen Unwillen, darum gibt es ja auch so wenige. Und es gibt einen Zeitgeist, der sagt: Das sind alte Männer, die soll man in Ruhe lassen.
2004 stellte der Bundesgerichtshof das Verfahren gegen einen NS-Kriegsverbrecher wegen seines hohen Alters ein. Könnte das Verfahren gegen Scheungraber auch so enden?
Der BGH wollte den Fall damals zurück an das Landgericht Hamburg verweisen, hat aber gesagt: Wir nehmen an, dass der Angeklagte ein weiteres Verfahren nicht mehr erleben würde, weil er so alt ist. Scheungraber hingegen erfreut sich, soweit ich es im Prozess gesehen habe, guter Gesundheit.