Proteste in den USA nach dem Verbot der Homo-Ehe in drei Bundesstaaten

Same sex, different rights

Nach dem Verbot der Homo-Ehen in drei US-Bundesstaaten gehen amerikanische Schwule und Lesben auf die Barrikaden.

Der 4. November war für US-amerikanische Schwule und Lesben kein so erfreulicher Tag wie für die Mehrheit ihrer Mitbürger. Am selben Tag, an dem die »Change«-Botschaft messianisch um die Welt ging, wurde in den drei US-Bundesstaaten Kalifornien, Arizona und Florida die gleichgeschlechtliche Ehe per Volksentscheid verboten. Seitdem vergeht in mehreren US-Bundesstaaten kein Tag ohne Proteste gegen die durch das Referendum nun verabschiedete so genannte Proposition 8, derzufolge in der kalifornischen Verfassung festgeschrieben werden soll, dass eine Ehe nur als Verbindung zwischen Mann und Frau zu definieren ist.
Das Oberste Gericht in Kalifornien hat in der vergangenen Woche zugestimmt, die Verfassungsmäßigkeit des Verbotes erneut zu prüfen, indem es drei Klagen gegen die »Proposition 8« annahm. Für die Menschen, die sich seit Wochen in Kalifornien gegen das Verbot engagieren, war dies bereits ein Erfolg. Doch die Klagen könnten weiterhin vor dem konservativen Obersten Gericht der USA landen, und das ist bekanntlich ein schwieriges Terrain für die Rechte von Homosexuellen. Daher halten viele Aktivisten den Druck auf der Straße für angemessener, als auf Entscheidungen der Justiz zu warten.
Erst im Juni hatte das Oberste Gericht in Kalifornien schwule und lesbische Hochzeiten legalisiert, und Kalifornien galt bis vor drei Woche als das Reiseziel schlechthin für heiratswillige Homosexuelle aus den ganzen USA. Im vergangenen halben Jahr wurden dort rund 18 000 gleichgeschlechtliche Ehen geschlossen, die sich derzeit in einer rechtlichen Grauzone befinden.
Die Proteste richten sich in Kalifornien vor allem gegen die in diesem Bundesstaat mäßig vorhandenen mormonischen Kircheneinrichtungen, insbesondere gegen den gigantischen Mormonen-Tempel in West-Los-Angeles. Denn es waren vor allem die erzkonservativen, einflussreichen Mormonen, die mit rund 20 Millionen Dollar für die Finanzierung einer groß angelegten homophoben Kampagne sorgten.
Am anderen Ende der Republik feierten heiratswillige Schwule und Lesben dagegen einen Erfolg. Am 12. November bekam im Bundesstaat Connecticut das erste gleichgeschlechtliche Paar eine standesamtliche Heiratsgenehmigung. Wie bereits im Nachbarstaat Massachusetts 2004 wurde in Connecticut die Homo-Ehe erfolgreich per Verfassungsgericht eingeklagt. Somit haben derzeit in nur zwei US-Bundesstaaten Homo- wie Heterosexuelle in Hinblick auf die Institution der Ehe dieselben Rechte. Im Gegensatz zu Kalifornien ist es dort zu keiner Kampagne gekommen, die gegen Homosexuelle agitiert und die Gerichtsentscheidung durch einen Volksentscheid rückgängig zu machen versucht.

Die Nichtanerkennung gleichgeschlechtlicher Ehen ist in den USA seit dem »Defense of Marriage Act« in der Verfassung festgeschrieben. Dieses »Gesetz zur Verteidigung der Ehe« wurde 1996 mit überwältigender Mehrheit in beiden Häusern des Kongresses unter der Regierung von Bill Clinton verabschiedet. Danach ist ausgeschlossen, dass Homosexuelle über dieselben Rechte verfügen, die heterosexuellen Paaren nach nationalem Recht zuerkannt werden. Weiter besagt es, dass die einzelnen Bundesstaaten nicht zur Anerkennung von gleichgeschlechtlichen Ehen verpflichtet seien, die in anderen Staaten womöglich geschlossen würden.
Die Rechtslage ist in den verschiedenen Bundesstaaten unterschiedlich, doch es zeichnet sich ein starker Trend zum Verbot ab. Mittlerweile verbieten fast alle US-Bundesstaaten entweder per Ver­fassungsklausel oder Statut die gleich­geschlecht­liche Ehe.
Nach dem Erfolg in Connecticut will nun die führende Organisation der dortigen Kampagne, die Gays & Lesbian Advocates & Defenders (Glad), versuchen, bis 2012 die gesamte Region Neuenglands für Ehen gleichgeschlechtlicher Paare zu öffnen. Das wären vier weitere Bundesstaaten – New Hampshire, Vermont, Rhode Island und Maine. Durch verschiedene politische und juristische Initiativen, so der Direktor der Organisa­tion, Lee Swislow, »können wir in Neuengland Gleichberechtigung für schwule und lesbische Paare erreichen, die heiraten wollen«. Diese Strategie, die Swislow zufolge auch als Modell für weitere Bundesstaaten funktionieren könnte, zielt darauf, die Staaten zu gewinnen, die sich seit Jahrzehnten im Liberalisierungstrend befinden.
Die Reaktionen rechtskonservativer Kommentatoren und Politiker auf die fortgesetzten Proteste in Kalifornien und in anderen Staaten sowie auf den Erfolg in Connecticut sprechen für die Virulenz einer Ideologie, die zu den Ergebnissen an den Wahlurnen am 4. November in Widerspruch zu stehen scheint. Doch man darf nicht vergessen, dass gerade in Kalifornien viele Afro­amerikaner und Latinos, die Barack Obama gewählt haben, nicht gerade open-minded gegen­über Homosexuellen sind. Befragungen nach der Wahl ergaben, dass rund 70 Prozent der Schwarzen für das Verbot der Homo-Ehe stimmten, unter den Latinos waren es 53 Prozent.

Das Verbot in Kalifornien scheint die Konservativen kein bisschen zu beruhigen. Bill O’Reilly, einer der prominentesten rechten Scharfmacher von Fox News, prognostiziert gar einen »Kampf der Kulturen«, wobei die Durchsetzung der Ehe gleichgeschlechtlicher Paare nur »der Anfang« sei. Man solle aufpassen, propagiert er, dass nicht als nächs­tes ein Verbot von Waffenbesitz durchgesetzt wird, dass Drogen legalisiert werden, dass Frauen ungestraft abtreiben dürfen und dass der Patriot Act nicht abgeschafft wird.
Die scharfe konservative Rhetorik zielt sicherlich darauf, die in den vergangenen Wochen zeitweilig nicht gerade friedlichen Proteste gegen Kircheneinrichtungen und Geschäfte von prominenten Unterstützern des Referendums in Kalifornien zu diskreditieren. Auf der anderen Seite wird es immer deutlicher, dass die Konservativen in den USA nicht nur einen vorläufig letzten Sieg im so genannten Kampf der Kulturen auskosten wollen, sondern auch die Gelegenheit nutzen, sich als rechtskonservative Oppositionsbewegung für die kommenden vier Jahre zu profilieren. O’Reilly, der seit Jahren an der vordersten Front in diesem Kampf steht, hat gerade einen saftigen Verlängerungsvertrag bei Fox News unterzeichnet und sich so die Möglichkeit gesichert, seine tiefen Einsichten zum Thema Familie und Homosexualität zu propagieren.
Trotz dieses konservativen Erfolgs in der Bekämpfung der Homo-Ehe haben die Wahlen am 4. November doch etwas gebracht: Zwei prominente Unterstützer des Protection of Marriage Act, Marilyn Musgrave aus Colorado und Virgil Goode aus Virginia, wurden nicht erneut in den Kongress gewählt. Für einige Beobachter ist das ein Zeichen für die Auflösung der konservativen Einheit im Kongress zum Thema Homo-Ehe. Auch die Bereitschaft unter den Konservativen, an Organisationen wie den christlich-konservativen Focus on the Family zu spenden, scheint deutlich abzunehmen. Jüngst gab der Leiter der Organisation, James Dobson, bekannt, dass er in den nächsten Wochen seine Organisation deutlich straffen und Dutzende Mitarbeiter entlassen müsse. Die Organisation beteiligte sich mit mehr als 600 000 Dollar an der homophoben Kampagne in Kalifornien, die »dabei hilft, Millionen von Kindern davor zu schützen, dass ihnen in radikaler Weise eine homosexuelle Lebensweise indoktriniert wird«.