Das mögliche Ende der Ära Udo Voigt

Voigt, weggetreten!

Die Kameradschaften kündigen die Unterstützung auf, die Staatsanwaltschaft ­ermittelt wegen falscher Rechenschaftsberichte, und ein Nachfolger steht schon bereit – ist Udo Voigt als Parteivorsitzender der NPD am Ende?

In manchen Dingen sind die Unterschiede nicht so groß: Der derzeitige NPD-Bundesvorsitzende Udo Voigt spricht von einer nötigen »nationalen Sammlungsbewegung«, sein Konkurrent Andreas Molau von einem »nationalen Milieu«, dessen es bedürfe. Denn beide wissen: Alleine kann die NPD nur schwer politische Erfolge erzielen, sie braucht die Hilfe der Kameraden außerhalb der Partei. Konkurrenten sind Voigt und Molau dennoch. Er werde auf dem kommenden Bundesparteitag im März gegen Voigt kandidieren, versicherte Molau kürzlich. Bis dahin muss sich Voigt aber nicht bloß mit dem ehemaligen Waldorf-Lehrer herumschlagen. Alte Konflikte treten wieder zutage – die Partei sucht wieder einmal nach dem Gleichgewicht zwischen einer vermeintlich nur „deutsch-nationalen“ und einer „system-radikalen“ Politik. Kurz vor Neujahr präsentierten die NPD-Fraktionsvorsitzenden in Sachsen und Mecklenburg-Vorpommern, Holger Apfel und Udo Pastörs, den Gegenkandidaten Molau. Das dürfte Voigt getroffen haben, galt doch Apfel als sein »Ziehsohn« und erwünschter Amtsnachfolger. Seit Voigts Amtsantritt 1996 setzten beide eine veränderte Politik in der NPD durch: Sozialpolitische Themen wurden häufiger aufgegriffen, örtliche Verankerungen angestrebt und mit allen »Kräften der nationalen Opposition« zusammengearbeitet. Im vergangenen Jahr sollen Apfel und Voigt jedoch regelmäßig aneinander geraten sein. Dass Apfel nicht selbst gegen Voigt antritt, dürfte taktischen Überlegungen geschuldet sein. Der sächsische Fraktionschef ist in der NPD und den »Freien Kameradschaften« nicht sehr beliebt und wird abschätzig auch als »Parteibonze« und »Parlamentshocker« bezeichnet. Im vergangenen Oktober trat Molau, der stellvertretende Landesvorsitzende in Niedersachsen und Fraktionspressesprecher in Mecklenburg-Vorpommern, von seinen Bundesämtern zurück. Er und etliche Parteifunktionäre waren verärgert: Voigt habe keine eigenen Konsequenzen aus dem Finanzskandal um den ehemali­gen Bundesschatzmeister Erwin Kemna gezogen. »Das kann ich nach meinen moralischen Vorstellungen nicht mittragen«, sagte Molau damals. Etwa 870 000 Euro hatte Kemna, einst ein enger Freund Voigts, aus der Parteikasse veruntreut und für seine insolvente Privatfirma verwendet. Die Verurteilung Kemnas im September 2008 war eine Niederlage für Voigt. Im November erhöhte sich der Druck auf ihn, die Polizei durchsuchte die Bundeszentrale der NPD, um Beweismaterial wegen mutmaßlich gefälschter Spendennachweise zu sichern. Voigt selbst soll 2004 angeblich 25 000 Euro an der Buchhaltung vorbeigeschleust haben. Mittlerweile ermittelt die Staatsanwaltschaft Münster gegen den Vorsitzenden. Er wird verdächtigt, zumindest davon gewusst zu haben, dass seine Partei der Bundestagsverwaltung in Berlin gefälschte Rechenschaftsberichte vorgelegt und damit gegen das Parteiengesetz verstoßen haben soll. Zudem fordern Politiker bürgerlicher Parteien erneut den Ausschluss Voigts aus dem Bundeswehrverband, dem er als Reserveoffizier angehört. Schon auf dem Bundesparteitag im Mai 2008 griff Molau den Parteivorsitzenden indirekt an. Wie von Voigt gewünscht, bestimmten die Delegierten damals den Szeneanwalt und Hamburger Landesvorsitzenden Jürgen Rieger zum stellvertretenden Bundesvorsitzenden. Angesichts dieser Wahl sprach Molau von einer »Katastrophe«. Er befürchtete, Rieger könne dem bürgerlichen Image schaden, um das sich Teile der Partei bemühten. Dieser Vorwurf wird auch den »Freien Kameradschaften« gemacht. In der NPD sorgen sich einige Funktionäre wie etwa der stellvertretende Bundesvorsitzende Sascha Roßmüller, dass die weniger zurückhaltenden Mitstreiter der Verbürgerlichungsstrategie schaden könnten. Deshalb löst die Kandidatur Molaus nicht nur bei Voigt wenig Freude aus. Einige bekannte Personen aus den »Freien Kameradschaften« wie Thomas Wulff schätzen Molau auch nicht sonderlich. Zum Jahresbeginn sagte Voigt in seiner Neujahrsbotschaft angesichts der Lage: »Innerparteilich beginnt das Jahr allerdings mit einer, meiner Meinung nach, destruktiven Personaldebatte.« Doch er versicherte: »Der Deutschlandpakt und die Zusammenarbeit mit den freien Nationalisten haben sich bewährt.« Am selben Tag jedoch veröffentlichte auch Wulff eine Erklärung, in der er das »Ende der Volksfront« androhte: »Diese Parteiführung ist zu einer Zusammenarbeit auf Bundesebene nicht mehr willens.« Vor vier Jahren hatte Wulff mit den ebenso einflussreichen Kameradschaftern Thorsten Heise und Ralf Tegethoff öffentlich seinen Eintritt in die NPD erklärt. »Es war der Wille zu spüren«, hatten sie im September 2004 verkündet, dass »sich die Partei in das Gesamtgefüge einer Bewegung des Widerstandes« eingliedern wolle. Die NPD war froh. Die Bundesführung strebte an, die Mitglieder aus den militanten Organisationen für die Wahlkämpfe zu gewinnen, und hoffte, Jugendliche gezielter anwerben zu können. Vor dem Bundesparteitag 2008 hatten sich aber in der Partei die Kritiker dieser Zusammenarbeit wieder deutlicher zu Wort gemeldet. Von »Verleumdungen« und »Hetze« schrieb Wulff deshalb in seiner Erklärung. Apfel und Rossmüller würden die »Volksfront« belasten, ­betonte er. Vor allem beschwerte Wulff sich über den »Intri­ganten« Peter Marx, den NPD-General­sekretär. Den Parteivorsitzenden Voigt griff Wulff wegen des Skandals um Kemna an, vermutete aber, dass Voigt als »Königsopfer« gebracht werden müsse, um das »System Voigt-Apfel« erhalten zu können. Die »klebrig-bleierne Kameraderie der kleinen Führungsclique« müsse beendet werden, forderte Wulff. Mit Molau, der für ihn ein »lohnabhän­giger, williger Marionettenvor­sitzender aus dem Haus Apfel/Pastörs« wäre, würde sich nichts ändern. Aufgegeben hat er die NPD deshalb aber noch lange nicht, denn er schrieb: »Unsere Entscheidung wird nicht unbedingt zu einer Austrittswelle aus der NPD führen.« Christian Worch, ein Kameradschaftsanführer aus Hamburg, wird in einer Stellungnahme deutlicher: »Es kann nicht angehen, dass die Aktivisten die Arbeit tun und andere die Erfolge für sich in Anspruch nehmen. Es kann auch nicht angehen, dass die (…) politischen Möglichkeiten einer Minderheitenfraktion (…) alleine der Partei zugute kommen und parteifreie Kräfte davon nichts haben.« Auch höhere Geldzuwendungen von der NPD scheinen die Kameraden erwartet zu haben. Hinter den Kulissen sollen sich besonders Roßmüller und Apfel geringschätzig über die Kameradschaften geäußert haben. Worch empfehlt für die Zukunft »klare Absprachen«, um »synergetische Effekte« nutzen zu können. Trotz der persönlichen Anfeindungen aus den Kameradschaften hat Molau mittlerweile ein Angebot an sie gerichtet. In seinem neuen Thesenpapier »Die Ausbildung eines nationalen Milieus« spricht er sich dafür aus, dass »Freie Kräfte« wie auch konservative Kreise mit der NPD zusammenarbeiten sollten. Zudem schreibt er: »Jede Region muss ihre eigenen Formen der Zusammenarbeit finden.« In Thüringen scheint das schon zu gelingen. Wie der NPD-Landesverband vermeldet, fand der Neujahrsempfang dort in überaus harmonischer Atmosphäre »mit einem Buffet mit Thüringer Spezialitäten und Hausgemachtem« statt – trotz der Personal- und Strategiedebatten. An die 80 Personen kamen Anfang Januar in Erfurt zusammen, Mitglieder der Republikaner, der DVU, der Vertriebenenverbände – und Anhänger der »Freien Kameradschaften«. Diese »sichtbar gewordene Breite des nationalen Spektrums« soll der NPD in den Landtagswahlen im August einen Erfolg bescheren.