In Regensburg wird gegen den Bischof Richard Williamson ermittelt

Du sollst nicht leugnen

Die Staatsanwaltschaft Regensburg ermittelt gegen den Bischof Richard Williamson wegen Volksverhetzung. Ergeht es ihm nun ähnlich wie einem anderen Holocaustleugner?

Am vergangenen Wochenende zeigte Richard Williamson, Bischof und Holocaustleugner, dessen Piusbruderschaft kürzlich von Papst Benedikt XVI. wieder in die katholische Kirche aufgenommen wurde, die Bereitschaft zu einem Entgegenkommen: Er wolle über seine Aussagen zumindest noch einmal nachdenken, gab er bekannt, allerdings müsse er zunächst die historischen Quellen zum Holocaust prüfen. »Das wird Zeit brauchen«, mutmaßte er.
Weniger Zeit dürfte die Prüfung der Staatsanwaltschaft Regensburg in Anspruch nehmen. Sie will ermitteln, ob Williamson in dem Interview, das er in der Nähe von Regensburg gegeben hat, Volksverhetzung nach Paragraf 130 des Strafgesetzbuchs betrieben hat. Dem Gesetz zufolge wird »mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe« belegt, wer ein »unter der Herrschaft des Nationalsozialismus begangenes« Staatsverbrechen »öffentlich oder in einer Versammlung billigt, leugnet oder verharmlost«. Ob der Täter seine Äußerung später bereut oder gar widerruft, ist dabei unerheblich.
Die Geschichte hätte Potenzial: Ein spinnerter Bischof (»Die Juden erfanden den Holocaust, Protestanten bekommen ihre Befehle vom Teufel, und der Vatikan hat seine Seele an den Liberalismus verkauft«, so Williamson in einer Predigt im April 1989 in Kanada), der in schwarz-purpurner Soutane quer durch Europa vor den Ermittlern flüchtet, nie ohne sich der Welt über sein per­sönliches Blog »Dinoscopus« mitzuteilen, und selten ohne eine der weit verstreuten Einrichtun­gen der Piusbruderschaft als Nachtlager zu wählen. Die Ermittlungen sind jedoch nicht nur für Liebhaber des Klamauks interessant.
Im Fall des Holocaustleugners Ernst Zündel, der beinahe fünf Jahrzehnte lang von Kanada aus revisionistische Schriften verlegt hatte, führte die Anwendung des deutschen Volksverhetzungsparagrafen im Jahr 2005 tatsächlich zu einer Gefängnisstrafe von fünf Jahren. Zündel war 2003 von Kanada an Deutschland ausgeliefert worden. Die deutschen Behörden hatten argumentiert, er verbreite seine Texte auch in der Bundesrepublik.
Während allerdings in einigen wenigen Ländern – in Deutschland, Österreich, der Schweiz, Liech­tenstein, Polen, Rumänien, Tschechien, Frankreich und Israel – die Leugnung des Holocaust bestraft werden kann, wäre eine Bestrafung wegen »bloßer Worte« in der angelsächsischen Rechtstradition weitgehend undenkbar, ebenso wie in Skandinavien. Deshalb konnte Zündel in Kanada legal arbeiten. Und deshalb konnte auch Williamson dort bereits im Jahr 1989 den Ho­locaust als »Erfindung« bezeichnen, ohne juristische Konsequenzen fürchten zu müssen.

Der Grund für die rechtlichen Unterschiede zwischen den verschiedenen Staaten liegt nicht nur in der Geschichtspolitik, sondern durchaus in einer rechtsstaatlichen Grundsatzfrage: Personen für politisch gefährlich zu halten, ist das ei­ne, ihnen für ihre Worte mit Gefängnisstrafen zu drohen, das andere – so in etwa lässt sich der Ansatz der angelsächsischen Rechtstradition zusammenfassen. Zu den strafrechtlichen Bestim­mungen in der Bundesrepublik, die heutzutage als einer der letzten westlichen Staaten so genannte Gotteslästerungen unter Strafe stellt und in der der Ausspruch »Soldaten sind Mörder« noch bis vor wenigen Jahren als verbotene Kollektivbeleidigung von der Staatsanwaltschaft verfolgt wurde, könnte der Kontrast kaum größer sein.
Worte vor Strafverfolgung zu bewahren, heißt keineswegs, auch Taten zu dulden: Rassisten und Antisemiten, die ihre Gefährlichkeit durch so genannte Hassverbrechen zeigen, werden im Gegenteil in den USA hart bestraft. In Deutschland hingegen fehlen Gesetze gegen »Hate Crimes« bis­lang völlig.
Eine im Jahr 2007 ins Leben gerufene Initiative der Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD), die Leugnung des Holocaust in der gesamten EU unter Strafe zu stellen, stieß damals auf wenig Zustimmung in den meisten anderen Mitgliedsstaaten. Stattdessen wurde in Spanien die Strafbarkeit der Holocaustleugnung sogar wieder vom Verfassungsgericht aufgehoben, unter Verweis auf den hohen Stellenwert der Meinungs- und Wis­senschaftsfreiheit. Zur auch in Deutschland geführten Diskussion, ob die Leugnung des Holocaust juristisch verfolgt werden sollte, kommentierte Micha Brumlik 2006 in der taz: »Auch seelischer Schmerz kann in seiner Intensität und Legitimität gewichtet werden. Das alles in Betracht genommen, ist Paragraf 130 StGB, der die Holocaustleugnung unter Strafe stellt, mindestens so lange sinnvoll und geboten, als noch unmittelbar Überlebende des Holocaust unter uns leben. Danach sollte dieses Gesetz aber aufgehoben werden.«

Das derzeitige Beispiel von Richard Williamson, der die Leugnung des Holocaust mit der Aussage verbindet, »die Juden« würden absichtlich Falsches behaupten, »damit wir demütig auf Knien ihren neuen Staat Israel genehmigen«, verdeutlicht immerhin noch einen weiteren wichtigen Aspekt: Bestraft wird mit dem besagten Paragrafen nicht eine Gesinnung, sondern die in jeder Holocaust-Leugnung versteckte Behauptung, alle Holocaust-Überlebenden seien Lügner. Und die Regensburger Staatsanwaltschaft? Als die Ermitt­lungen gegen Williamson in der vergangenen Woche eröffnet wurden, sagte der zuständige Ober­staatsanwalt Günther Ruckdäschel, eine Vorladung Williamsons sei trotzdem »nicht wahrschein­lich«.