Tägliche Anschläge und Repression in Griechenland

Bewegung und Gegenbewegung

Seit dem Aufstand im Dezember werden in Griechenland fast täglich Anschläge verübt, zu denen sich die verschiedensten linken Gruppen bekennen. Die staatliche Repression bekommen aber vor allem die sozialen Bewegungen zu spüren.

Kaum ein Tag vergeht seit Dezember, ohne dass in Athen und Thessaloniki irgendetwas zerstört, angezündet oder in die Luft gesprengt wird. Die Ziele der täglichen Anschläge, die allerdings meis­tens nachts verübt werden, sind vor allem staatliche Gebäude, Kraftfahrzeuge oder auch Einkaufs­zentren. Die Gruppen, die sich dazu bekennen, tragen teilweise extravagante Namen wie »Rat für Ordnungsabbau«, »Konspiration der Feuerzellen« oder »Gewissensbande« und sind mittlerweile auch in mehreren Kleinstädten aktiv.
Die bisher medienwirksamste Aktion ereignete sich am 13. März, als eine Gruppe von rund 30 Vermummten durch Athens nobelstes Einkaufsviertel zog und mehr als 20 schicke Läden, teure Autos und Bankfilialen zerstörte. Die Aktion galt als Solidaritätskundgebung für den Anarchisten Giorgos Voutsis, der wegen eines Bankraubs in Un­tersuchungshaft saß. Voutsis wurde vor einer Woche von einem Geschworenengericht zu neun Jahren Gefängnis verurteilt. Unter den vier Geschworenen waren drei Angestellte der als Neben­klägerin auftretenden Nationalbank, was erneut für Empörung sorgte.

Die griechische Polizei leidet sei Monaten unter einem enormen Imageverlust. Seit den Krawallen vor Weihnachten gilt sie als uneffektiv und als kaum in der Lage, für die Sicherheit der »anständigen Bürger« zu sorgen. Deshalb setzt der Staat seine repressiven Mittel verstärkt gegen die sichtbaren Angehörigen der Linken ein. So wies der Bundesanwalt Giorgos Sanidas Ende März die Staatsanwaltschaften in Athen, Thessaloniki und Volos an, gegen die Bewohner der besetzten Häuser zu ermitteln, und drohte selbst den Ei­gen­tümern (Banken und staatlichen Institutionen) mit rechtlichen Schritten, sollten sie hinsicht­lich etwaiger Räumungen nicht kooperieren. Diese Einschüchterungsversuche haben bislang jedoch nicht zu den erhofften Ergebnissen geführt.
Die Besetzerszene ist derzeit stärker denn je. Da­bei will man nicht nur Häuser besetzen, sondern auch andere »Freiräume schaffen«. Im zubetonier­ten Athener Stadtzentrum haben beispielsweise die Bewohner des Stadtviertels Exarchia eine Fläche von 1 500 qm selbst zum Park gemacht. Auf dem Grundstück, das direkt an dem Ort liegt, wo im Dezember Alexis Grigoropoulos erschossen wurde, sollte bereits vor 20 Jahren eine Parkfläche entstehen. Trotzdem wurde es bis vor kurzem als Parkplatz genutzt und sollte in Kürze bebaut werden. Eine Nachbarschaftsinitiative schaffte es, innerhalb eines Monats den Parkplatz auszupflastern, aufzugraben und zu bepflanzen.
Gegenüber der vielgestaltigen Bewegung, die sich derzeit in Griechenland entfaltet, sieht sich die Regierung gezwungen, alle Arten von Repressionsmaßnahmen anzuwenden. Seit einigen Tagen ist etwa eine neue Polizeieinheit im Einsatz, die so genannte Delta-Einheit. Sie besteht aus Polizisten, die auf Mopeds unterwegs sind, um im chaotischen Straßenverkehr Athens schneller eingreifen zu können. Ein vermehrter Einsatz von Überwachungskameras ist außerdem geplant. Angefacht wird der Repressionsdiskurs von der immer wiederkehrenden Debatte um die Abschaf­fung des Universitätsasyls.
Ein weiterer Schwerpunkt für die Polizei ist das Engagement verschiedener Gruppen und Initiativen gegen die Zeitarbeitsfirmen. Diese Aktionen haben sich seit dem Angriff auf die bulgarische Gewerkschafterin Konstantina Kuneva im Dezember vermehrt (Jungle World 08/09). Im Vor­dergrund stehen Firmen, die Reinigungsarbeiten im öffentlichen Sektor übernehmen und dabei ei­nen modernen Sklavenhandel betreiben, aber auch größere Firmen wie etwa Adecco. Die Aktionen gegen solche Firmen führten mittlerweile zu konkreten Ergebnissen. So hat der Rektor der Aristoteles-Universität Thessaloniki nach einer dreiwöchigen Besetzung der Zentralbüros erklärt, die Verträge mit solchen Zeitarbeitsfirmen unmittelbar zu überprüfen. Sogar Professoren der Jura-Fakultät haben erklärt, es sei im 21. Jahrhundert moralisch inakzeptabel, dass es in der Uni­versität derart prekäre Beschäftigungsverhältnisse gibt.