Österreichischer Fußball wieder im Aufwind

»Geil, ein gutes Gefühl!«

Nach der Fußball-EM im eigenen Land erlebte der österreichische Fußball geradezu unglaubliche Aufs und Abs. Mit einem neuen Trainer befindet sich das Nationalteam nun wieder im Aufwind. So sehen das zumindest die immer noch sehr aufgeregten Österreicher. Der Grund für ihren Optimismus ist ein schmeichelhaftes 2:1 gegen Rumänien.

Die jüngere Geschichte des österreichischen Fußball-Nationalteams ist eine traurig-amüsante. Die Europameisterschaft im vergangenen Jahr endete zwar nicht so katastrophal wie befürchtet, dennoch sprangen unterm Strich lediglich ein Punkt und ein Tor bei einem Elfmeter heraus. Als nach der Europameisterschaft der damalige Teamchef Josef Hickersberger aus persönlichen Gründen seinen Hut nahm, machte sich der österreichische Fußballbund (ÖFB) auf die Suche nach einem Menschen, der sich die undankbare Aufgabe eines österreichischen Nationaltrainers zumuten würde. Zur Überraschung aller fiel die Wahl auf Karel Brückner, der mit der »Goldenen Generation« des tschechischen Fußballs einiges an Erfolgen vorzuweisen hatte. Seine Mission war jedoch von vornherein zum Scheitern verurteilt: Nicht gewillt, sich den österreichischen Zuständen anzupassen, wurde er von den Sportmedien des Landes gnadenlos gemobbt.
Ihren Anfang nahm die »kritische« Berichterstattung schon kurz nach der Bestellung Brückners zum Teamchef Ende Juli 2008. Etliche Medien lieferten ausrangierten Ex-Internationalen wie Toni Polster oder Hans Krankl eine Plattform für ihre fadenscheinigen Argumente. Zu alt sei er, der Brückner, seine Berufung sei ein Widerspruch zu der vom ÖFB propagierten Verjüngung, hieß es auf vielen Sportseiten. Der zweite große Kritikpunkt an Brückner neben dem Alter war seine Herkunft: Ein Ausländer, der sich mit dem österreichischen Fußball nicht auskenne und kein Deutsch könne, was will der denn hier? Dieses latent fremdenfeindliche Argument zog sich durch die Diskussion.
Dann der Schwenk. Herrschte nach dem 2:2 gegen Italien im August 2008 unter Verweis auf den absurden Spielverlauf noch Zurückhaltung, wurden nach dem 3:1 gegen Frankreich erste Symptome einer manisch-depressiven Stö­rung im Land sichtbar. Karel-Brückner-Sprechchöre hallten durch das Oval des Wiener Ernst-Happel-Stadions, und in den Tagen darauf wurde der Tscheche zum Heilsbringer des öster­reichischen Fußballs stilisiert, der »uns« zur WM bringen würde.
Leider wurde nichts aus dem neuen Wunderteam. Fiel die Kritik nach der 0:2-Niederlage gegen Litauen noch relativ gemäßigt aus – die linksliberale Tageszeitung Der Standard attestierte, dass Brückner nach Titeln wie »Wundertrainer« nun jedenfalls in der österreichischen Realität angekommen sei –, fiel das Land nach dem 1:1 auf den Färöern und dem 1:3 gegen Serbien in eine tiefe Depression. Schließlich hatte Brückner genug vom österreichischen Hunds­kick und der heimischen Presse und bot, unter anderem bedingt durch massive gesundheitliche Probleme, Ende Februar dieses Jahres seinen Rücktritt an.
In einer atemberaubenden Inszenierung ging der neue Präsident des Österreichischen Fußballbundes, Leo Windtner, eine Woche später an die Öffentlichkeit und schaffte es tatsächlich, den Rücktritt Brückners zum Rausschmiss umzuinterpretieren und sich selbst als starken Mann zu präsentieren, der die Dinge in die Hand nimmt. Einige Tage später stand auch schon der neue Teamchef fest, wenig überraschend wur­de es der vom Volk geliebte Didi Constantini. Dieser war in den frühen neunziger Jahren zwar Assistent des legendären Ernst Happel, ansonsten lesen sich seine weiteren Stationen als Trainer eher unspektakulär: Unter anderem war er bei Giganten wie dem 1. FSV Mainz 05 oder Su­perfund Pasching am Werke.
Auch der frühere Assistent Brückners, der aus seiner Zeit bei Werder Bremen bekannte österreichische Rekordnationalspieler Andreas Herzog, trat zurück und ist seitdem für das durch­aus vielversprechende, neuformierte U21-Team verantwortlich. Der frühere Betreuer des Nachwuchsteams, Manfred Zsak, darf nun Constantini assistieren.
Eben dieser Zsak hat es durch zwei auf unglaub­liche Art und Weise vercoachte Spiele gegen Finnland zu verantworten, dass das U21-Team Österreichs in letzter Minute die Qualifikation für die diesjährige Europameisterschaft in Schwe­den verpasste. Typisch für den österreichischen Fußball, bei dem sich der Großteil der Betreuer aus ehemaligen Fußballern rekrutiert, die für Nebensächlichkeiten wie Taktik oder Systeme nichts übrig haben und dies auch in den Medien kundtun. Befreundet mit den Vertretern der österreichischen Mainstream-Sportpresse und mehr in VIP-Clubs als auf Trainingsplätzen oder Stadien zugegen, befinden sie sich in einer Art geschützter Umgebung und können ohne lästige Nebenerscheinungen wie Kritik an ihren veralteten Konzepten weiterbasteln.
Schon die ersten Interviews des neuen Teamchefs Constantini, Spitzname: »Feuerwehrmann des Landes«, ließen nichts Gutes erahnen: »Es ist eine Ehre und Verantwortung. Ich bin ein Trainer, der seine Geilheit auf den Job ausleben kann. Das ist eine Sucht«, meinte er auf der ersten Pressekonferenz nach seiner Verpflichtung – durchaus lässig gemeint, aber nicht gerade sympathiefördernd.
Dann präsentierte er den ersten Kader für das Länderspiel gegen Rumänien: Aus Populismus verzichtete der Teamchef aus Tirol auf den bisherigen Kapitän der Nationalmannschaft, Andreas Ivanschitz, der nach seinem Wechsel vom österreichischen Rekordmeister Rapid Wien zu Red Bull Salzburg oftmals in bester österrei­chischer Tradition »Judasschitz« genannt wurde, sowie auf eine weitere Stütze der Mannschaft, den Verteidiger Martin Stranzl. Beide mögen zwar derzeit zu den besseren Fußballern Österreichs zählen, doch ohne Spielpraxis bei ihren Vereinen (Pa­na­thi­nai­kos Athen respektive Spartak Moskau) gibt es keinen Auftritt im Nationalteam.
Und das ist ein weiteres Charakteristikum des österreichischen Fußballs anno 2009: Die wenigen Legionäre spielen nicht oder selten (Ausnahmen sind die in der Bundesliga beschäftigten Sebastian Prödl und Ümit Korkmaz). Stattdessen stellte der vom Wort »geil« besessene Teamchef (»Ich habe den geilsten Job der Welt!«) einen extrem jungen Kader mit einem Durchschnittsalter von 24 Jahren zusammen. Einige einberufene Spieler wie der 20jährige Yasin Pehlivan, der bei seinem Verein Rapid Wien bis zum heutigen Tage gerade mal sechs Erstliga-Einsätze vorweisen kann und davor bei den Ama­teuren in der dritten Leistungsstufe tätig war, wirkten jedoch, gelinde gesagt, etwas deplaziert.
Nach vielen Absagen, zehn Spieler hatten sich knapp vor dem Länderspiel angeblich verletzt, ging es also ins Match gegen Rumänien. Mit einer durchaus überraschenden Start-Aufstellung (z.B. der eben schon erwähnte Pehlivan im zentralen Mittelfeld) taten die Österreicher das, was sie am besten können: den Gegner mit der eigenen Unfähigkeit anstecken. In einem absurden Match mit noch absurderen Toren gewann Österreich schließlich äußerst schmeichelhaft mit 2:1. Und da ist sie wieder, die Euphorie. In vollkommener Verkennung der Realität schrieben die Zeitungen des Landes auf einmal eine Chance auf die WM-Qualifikation für Südafrika herbei. Diese ist mit fünf respektive drei Punkten Rückstand zu den beiden Führenden in der Tabelle, Serbien und Frankreich, sowie den ausstehenden schweren Auswärtspartien in Belgrad und Paris jedoch nur mehr äußerst theoretischer Natur.
Aber Hauptsache Constantini ist glücklich: »Geil, es war ein schönes Gefühl«, lautete sein Kommentar am Tag nach dem Triumph. Und ein gewisser Aufwärtstrend lässt sich nicht abstreiten: Durch den Sieg gegen Rumänien verbesserte sich Österreich in der Fifa-Weltrangliste um zehn Plätze und ist nun auf Rang 78, direkt hinter Kalibern wie Usbekistan, Bahrain oder Panama. Geil!