Das Auto als Glücksversprechen des Kapitalismus

Glücksversprechen abwracken!

Das Auto ist das Symbol der Irrationalität des Kapitalismus schlechthin.

Immer wenn es um die »Realökonomie« geht, fällt den Politikern vor allem eines ein: die Automobilindustrie. Während Nicolas Sarkozy mit Blick auf Renault und Peugeot-Citroën dezent pro­tektionistisch handelt, ist das US-amerikanische »Konjunkturpaket« geradezu auf General Motors & Co. zugeschnitten. Deutschland kümmert sich dagegen, mancher nationaler Töne im Hinblick auf eine potenzielle Loslösung Opels von GM zum Trotz, gleich um die gesamte Branche. »Abwrackprämie« nennt sich die Subventionierung des nach wie vor wichtigsten Industrieprodukts, und fünf Milliarden Euro wurden mitt­lerweile dafür bereitgestellt. Kritiker haben ausgerechnet, dass die Maßnahme die Steuerzahler sogar 6,5 Milliarden Euro kosten wird.
Verwunderlich ist die Großzügigkeit an dieser Stelle kaum. Die Autoindustrie ist nach wie vor der Zweig, in dem in Deutschland die meiste produktive Arbeit vernutzt wird. Millionen Jobs, nicht nur bei Daimler, BMW, VW selbst, sondern auch bei Zulieferern, Händlern und Callcentern hängen daran. Auch wenn nach der Theorie der kondratieffschen Zyklen das Zeitalter des Automobils vorbei ist: Ein Ersatz ist trotz allem Gedöns um den Dienstleistungssektor nicht in Sicht.
Das Auto ist nicht nur Symbol, sondern vor allem auch Glücksversprechen des modernen Kapitalismus schlechthin. Altbundeskanzler Helmut Kohl galt die unbegrenzte Raserei auf Deutschlands Autobahnen als die letzte verbliebene Freiheit in der Moderne. Und Margaret Thatchers Neudefinition des Klassensystems anhand der Mo­torisierung ist ins Alltagsbewusstsein eingedrungen: »Ein Mann, der mit 26 immer noch mit dem Bus zur Arbeit fährt, kann sich als Versager betrachten.«
Freiheit, technischer Fortschritt, die Möglichkeit sozialen Aufstiegs und die relative Beschleunigung der Welt durch das Kapital – für all das steht das zum Fetisch gewordene Auto. Das Glücksversprechen von Individualität und Freiheit wurde aber vom Individualverkehr und der durch ihn möglich gewordenen Suburb-»Wohnkultur« keineswegs erfüllt. Statt dessen findet man gleichermaßen domestizierte Wesen, die in Abgeschie­denheit und Vereinzelung leben.
Was zählen dagegen schon die Verpestung der Luft, die Zerstörung der Städte, die Verschwendung von Ressourcen, die Zersiedelung der Natur und die Millionen von Verkehrstoten und Schwer­verletzten? Offensichtlich nichts. In der staatstragenden Linken ist auch die letzte Kritik an der Destruktivkraft des Autos längst verstummt. So weigerte sich Klaus Franz, der Vorsitzende des Gesamtbetriebsrats von Opel, strikt, das Unternehmen so zu verändern, dass es umweltverträglichere Fahrzeuge herstellt.
Dagegen sind Stimmen, die die Neutralität der Technologie gerade im Falle des Autos in Frage stel­len, kaum zu vernehmen. Immerhin findet sich in der aktuellen Ausgabe der Betriebszeitung der bei Opel in Bochum aktiven Gruppe »Gegenwehr ohne Grenzen« als »Zukunftsgedanke« ein Hinweis auf die Verschwendung menschlicher und natürlicher Ressourcen durch die Fixierung auf den Individualverkehr.
Wenn sich die Erkenntnis durchsetzt, dass Eman­zipation weniger mit Lohnkämpfen zu tun hat als mit einer Kritik der Abhängigkeit und des da­raus resultierenden Zwangs, unnützen und gesellschaftlich schädlichen Müll produzieren sowie unter völlig entfremdeten Bedingungen arbeiten zu müssen, dann könnte das Auto endlich zum Symbol der völligen Irrationalität des Kapitalismus werden.