Ausforschung der Beschäftigten bei Airbus

Vorsorgeuntersuchung

Der Airbus-Konzern hat die Bankverbindungen seiner Angestellten in Deutschland von 2005 bis 2007 ausgeforscht.

Airbus hatte im Gegensatz zu Lidl noch einen Ruf zu verlieren. Dass bei dem Lebensmitteldiscounter Listen über die Krankendaten seiner 50 000 Angestellten geführt wurden, verwunderte schon nicht mehr. Was der Spiegel berichtete, legt eine systematische, gnadenlose Ausforschung der Beschäftigten nahe, um diese bei Krankheit unter Druck oder gleich vor die Tür zu setzen.

Beim Luftfahrtkonzern Airbus kam die Buchhaltung auf die Idee, ähnlich wie bei der Bahn, die Kontonummern von Beschäftigten mit denen von Zulieferern abzugleichen. Natürlich ebenfalls, um mögliche Korruptionsfälle aufzudecken. So wurden im Jahr 2005 einmal und von 2006 bis Mitte 2007 vierteljährlich die Kontodaten aller Mit­arbeiterinnen und Mitarbeiter überprüft, ohne dass ein Fehlverhalten festgestellt worden sei, wie eine Sprecherin des Unternehmens sagte. Es sei eine Art »Vorsorgeuntersuchung« gewesen.
Das Datenscreening sei »zum damaligen Zeitpunkt als rechtlich zulässig angesehen« worden, teilte Airbus weiter mit. Noch unter dem früheren Management seien die Überprüfungen 2007 beendet worden. »Im Rahmen der öffentlichen Dis­kussion um Datenvergleiche« habe die neue Geschäftsführung von Airbus Deutschland im De­zember 2008 eine Untersuchung eingeleitet, um festzustellen, »ob in der Vergangenheit Mitarbeiterdaten mit externen Daten verglichen wor­den sind«.
Der Betriebsrat des Konzerns sei umgehend über das Ergebnis unterrichtet worden, am 23. März auch die Belegschaft in Hamburg, sagt die Firmensprecherin Nina Pretzlick. Auch ein entsprechendes internes Rundschreiben an alle Airbus-Mitarbeiter mit dem Titel »Interner Datenvergleich durch Audit aufgeklärt«, welches der Jung­le World vorliegt, legt nahe, dass alles einvernehmlich geklärt wurde: »Umgehend nach Abschluss des Audits wurde der Airbus-Deutschland-Gesamtbetriebsrat über die Aufklärung dieses internen Datenvergleichs informiert. Kurz danach wurden die Mitarbeiter in einer ordentlichen Betriebsversammlung über den Sachverhalt in Kenntnis gesetzt. Freundliche Grüße, Interne Kommunikation.«

Ganz so sozialpartnerschaftlich ist es aber wohl doch nicht gelaufen: »Wenn so der Eindruck erweckt werden soll, dass wir seit Dezember mit im Boot sind, ist das falsch«, sagt Rüdiger Lütjen, der Vorsitzende des Gesamtbetriebsrats von Airbus Deutschland. Erst am 6. Februar sei er auf eigenes Nachfragen von einem Personalmanager über den Vorgang aufgeklärt worden – und muss­te dann weitere sechs Wochen auf genauere Informationen warten. Am 23. März wurden die Beschäftigten auf Betriebsversammlungen informiert. Gerald Weber, seit Anfang 2008 Chef von Airbus Deutschland, habe verkündet, dass er das Vorgehen – einen Kontenabgleich ohne Einbeziehung des Betriebsrats einzuleiten – nicht gut heißt.
Am 2. April titelte das Hamburger Abendblatt: »22 000 Beschäftigte bei Airbus überprüft«. Seitdem ist der heimliche Kontenabgleich öffentlich und rief Hamburgs Datenschützer auf den Plan. Hans-Joachim Menzel, der stellvertretende Hamburger Datenschutzbeauftragte, erklärte: »Wir hal­ten den Vorgang nach bisherigen Erkenntnissen nicht für einwandfrei«, denn »alle Mitarbeiter wurden überprüft, es gab keine Beschränkung auf mögliche Verdächtige«. Der Datenschützer kritisierte, die Aktion bei Airbus sei »nicht mit dem Betriebsrat oder dem betrieblichen Datenschutzbeauftragten abgestimmt« gewesen.

Gar nicht informiert wurden die im Rahmen des Sanierungsprogramms »Power 8« ausgegliederten Beschäftigten in den Werken Laupheim und Nordenham: »Keiner von uns wusste davon«, sagt Betriebsrat Stefan Hammer aus Laup­heim. »Auch wenn wir inzwischen nicht mehr zu Airbus gehören, hätte man uns auf jeden Fall unverzüglich über den Sachverhalt informieren müssen. Wir waren ja offensichtlich alle von der Aktion betroffen.« Aber, so Airbussprecherin Nina Pretzlick: »Eine zusätzliche Information an ­Laup­heim gab es aufgrund der Ausgliederung nicht.«
Auch die Kontonummern der Mitarbeiter des Nordenhamer Flugzeugwerks, das seit Anfang 2009 zur neu gegründeten Premium Aerotec GmbH gehört, wurden überprüft. Der Betriebsratsvorsitzende Michael Eilers hält das für einen »Skandal«, der sich im illegalen Raum abgespielt habe. Er betrachtet die heimlichen Kontrollen der Geschäftsführung als einen Verstoß gegen die Daten- und Personenschutzrechte der Mitarbeiter. In der Belegschaft habe der Vorfall »Entsetzen ausgelöst« und Misstrauen geschürt. Immerhin bestanden in dem Konzern seit 1997 Vereinbarun­gen zum Datenschutz
»Nach unserer bisherigen Erfahrung gibt es leider eine zunehmende Tendenz, die Mitarbeiter zu überprüfen«, sagte der Bundesbeauftragte für den Datenschutz, Peter Schaar, der WAZ im Hinblick auf die Kontrollen bei Airbus. Der Grund dafür ist: Die technischen Möglichkeiten zur Ausforschung der Beschäftigten haben sich durch die Computerisierung enorm erhöht, ein Abgleich von Dateien mit digitalisierten Kontonum­mern ist schnell gemacht. Schaar sagte voraus, dass weitere Überprüfungen von Beschäftigten »stückweise hochkommen« würden.