Der Boykott von Studiengebühren in Hamburg

Studieren im Kundenverhältnis

Den letzten Boykotteuren von Studiengebühren an der Hamburger Hochschule für bildende Künste droht die Pfändung.

Mittlerweile, so glaubt man, zahlen die Studierenden zumindest in den meisten westlichen Bundesländern brav ihre Studiengebühren. Nicht so an der Hochschule für bildende Künste (HFBK) in Hamburg. Rund 200 der 570 Studierenden boykottieren die Studiengebühren von derzeit 375 Eu­ro pro Semester. »Der Boykott wird durch die meisten Studierenden an der HFBK getragen, Studierende anderer Unis, zu denen wir regelmäßig Kontakt pflegen, unterstützen das«, sagt der Student Frank Vogel*. Auch nähmen wohl noch ei­nige Kommilitonen mehr am Boykott selbst teil, wenn nicht ihre Aufenthaltsgenehmigung an die Immatrikulation gebunden wäre oder sie von den Gebühren befreit wären.
An allen anderen Hamburger Hochschulen wurde seinerzeit das nötige Quorum für einen Boykott verfehlt. So wollten sich etwa an der Universität Hamburg nur gut 6 000 der 27 000 zahlungspflichtigen Studierenden an einem solchen Protest beteiligen.

Über zwei Jahre währt nun der Streit zwischen den Boykotteuren und dem Präsidenten der HFBK, Martin Köttering, nebst Wissenschaftsbehörde. Mal schien eine Verhandlungslösung in Sicht, mal wurde den Studierenden mit Exmatrikulation gedroht. »Köttering, wir wissen, wo dein Auto steht«, steht an der Wand im Foyer der Hochschule geschrieben, und man ahnt, dass es einigen Unmut gibt. Die Studentin Claire Bonk ist nicht nur mit den Studiengebühren unzufrieden: »Effi­zienzsteigerung der Studienabläufe, Out-Sourcing uneffektiver Hochschulbestandteile, Qualitätssicherung, Evaluierung, Public Private Partnership, Campus Management, Servicebüros, Kundencenter und so weiter und so fort – das sind alles Methoden und Begriffe aus der Wirtschaft, die in den letzten Jahren Einzug in die Hochschulen gehalten haben.«
Vor einem halben Jahr wurden an der HFBK Bachelor- und Master-Studiengänge eingeführt. Der inzwischen aus seinem Amt geschiedene Wissenschaftssenator Jörg Dräger (parteilos) hatte im Gespräch mit der taz damals die Marge ausgegeben, dass nur jeder zweite Bachelor-Absolvent zum aufbauenden Master-Studiengang zugelassen werden solle.
Weiterhin wurde die nahe der HFBK gelegene neue, halbprivate Hamburg Media School (HMS) zulasten der Medienstudiengänge an der HFBK und der Hochschule für angewandte Wissenschaften (HAW) bestens ausgestattet. Die Zuweisungen an die HMS stiegen auf etwa 26 000 Euro pro Jahr und Student – trotz der 12 000 Euro Studiengebühren, die für den zweijährigen Studiengang zu zahlen sind –, während etwa die Fördermittel für die staatliche Medienfakultät der HAW bei 5 300 Euro pro Jahr und Student stagnierten. Ähnlich dürfte es an der HFBK aussehen.
Die Studierenden an der HFBK begründen den Boykott der Studiengebühren denn auch allgemeiner mit den Verhältnissen an den Universitäten. Marie Berg kritisiert »die Teilprivatisierung der Hochschulen, das Studieren im Kundenverhältnis«. Neben der Tatsache, dass die Arbeitsräume reduziert wurden, stört sie auch »die Einführung der Bachelor/Master-Modularisierung«, die »mit der Lüge der Sachzwanglogik begründet« werde.

Christa Goetsch von der Grün-Alternativen Liste (Gal), mittlerweile Zweite Bürgermeisterin in der schwarz-grünen Landesregierung, verkündete bereits während der Koalitionsverhandlungen, dass es keine Exmatrikulationen geben werde. Ihr Wahlversprechen, für die Abschaffung der Studiengebühren einzutreten, endete im Koalitionsvertrag dann so: »Studiengebühren werden ersetzt durch nachgelagerte Gebühren, die nach Ende des Studiums gezahlt werden müssen.« Mit dieser Regelung und der Absenkung der Gebühren pro Semester von 500 auf 375 Euro haben es die Grünen fast geschafft, in der Öffentlichkeit den Eindruck zu erwecken, für die Studierenden seien alle Probleme gelöst.
Die neue Wissenschaftssenatorin Herlind Gundelach (CDU) sorgte gleichzeitig dafür, dass viele Studierende doch sofort zahlen müssen – wer älter als 35 Jahre ist oder die Regelstudienzeit um vier Semester überschritten hat. Der auf Hochschulrecht spezialisierte Anwalt Joachim Schaller bescheinigte dem schwarz-grünen Senat, insgesamt schlechtere Bedingungen für die Studierenden bewirkt zu haben.
Über die Hälfte der zahlungspflichtigen Studierenden an der HFBK nahm deshalb im Winter­semester 2008/2009, als die »nachgelagerten Studiengebühren« fällig wurden, den Boykott wieder auf, der zuvor für Verhandlungen mit dem Universitätspräsidium unterbrochen worden war. Sie zahlten nicht und beantragten auch keine Stundung. 173 Leute legten Widerspruch gegen den Gebührenbescheid ein.
Köttering verkündete zwar medienwirksam, nie­mand werde exmatrikuliert werden. Stattdessen droht die HFBK nun mit dem Gerichtsvollzieher. Frank Müller von der Kasse Hamburg, die die Gebühren einzutreiben hat, hält neben einer Pfändung der Konten auch eine Sachpfändung für mög­lich. »Flachbildschirme oder Autos kommen in Frage.« Die Studierenden protestieren: »Unsere Konten werden gepfändet, doch die der Bankenmanager nicht! – Wir zahlen nicht für eure Krise!«
Tatsächlich darf sowieso erst bei einem Einkommen ab 989,99 Euro monatlich gepfändet werden, und die meisten Studierenden liegen deut­lich darunter. Teure Sachwerte dürften bei ihnen auch nicht zu finden sein.

* Namen der Studierenden von der Redaktion geändert.