Die Beziehungen zwischen Frankreich und Gabun

Frankreich verliert einen Freund

Nach dem Tod des Diktators Omar Bongo werden die inoffiziellen politischen und wirtschaftlichen Verbindungen zwischen Frankreich und dem Regime in Gabun bekannt.

Nicht jeden Tag passiert es, dass ein Präsident nach 42 Amtsjahren an der Spitze seines Staates verstirbt. Nachdem eben dieses Schicksal das Staatsoberhaupt der zentralafrikanischen Erdölrepublik Gabun, Omar Bongo Ondimba, am 8. Juni ereilt hat, wird er nun in dieser Woche zu Grabe getragen. Am Dienstag fand die offizielle Beerdigungszeremonie in der Hauptstadt Libreville statt, in Anwesenheit von Jacques Chirac und Nicolas Sarkozy.
Warum zwei demokratisch gewählte Staats­oberhäupter an der Trauerfeier eines Diktators teilnahmen, der seit 1967 ohne reale Machtteilung über sein Land herrschte, ist leicht erklärt. Es ist bekannt, dass Omar Bongo den Wahlkampf Chiracs von 1995 finanzierte. Vergangene Woche machte nun der damalige französische Präsident Valéry Giscard d’Estaing öffentlich, dass Bongo auch für Chiracs Wahlkampf von 1981 bezahlt haben soll.
Die jeweilige Sponsorenrolle des Oberhaupts der reichen Erdölrepublik, deren Bevölkerung – trotz des nominell höchsten Pro-Kopf-Einkommens in Afrika – mehrheitlich in Armut lebt, wurde jeweils durch die Rivalitäten bei den französischen Konservativen öffentlich. Die Machtkämpfe im eigenen Lager sorgten dafür, dass die inoffiziellen wirtschaftlichen und politischen Beziehungen des Kandidaten Chirac zum Ölstaat Gabun – dem »Kronjuwel« der neokolonialen Ein­flusssphäre Frankreichs in Afrika – kein Geheimnis blieben.

Dabei kennt das Publikum aber bislang nur einen Teil der Wahrheit. Roland Dumas, Außenminister unter dem damaligen sozialistischen Präsiden­ten François Mitterrand, erklärte am 11. Juni der Tageszeitung Le Parisien: »Jede Partei wurde bedient.« Alle politischen Parteien in Frankreich waren damit gemeint. Einschränkend muss man hinzufügen, dass die KP, die Grünen und die radikale Linke als einzige politische Kräfte in Frank­reich vom Fluss der Petrodollars aus Gabun ausgeschlossen blieben.
Bekannt ist hingegen, dass Omar Bongo und sein Regime in den achtziger und neunziger Jahren die neogaullistische Partei RPR und die Sozialistische Partei unter François Mitterrand finanzierten. Aber auch den rechtsradikalen Front National, dessen Chef Jean-Marie Le Pen in Libreville empfangen wurde. Und seinem Dunstkreis entstammten einige Söldner, die bei dem gabunischen Diktator Dienst taten. Beispielsweise Bob Denard, der berüchtigte französische Söldnerführer, der vor zwei Jahren verstarb.
1977 war Denard der persönliche Sicherheitsbeauftragte des Präsidenten von Gabun, als er mit einer schwer bewaffneten Putztruppe im 800 Kilometer entfernt liegenden Land Bénin aufgegriffen wurde. Diese wollte dort das Regime des damaligen »marxistisch-leninistischen« Präsidenten Mathieu Kérékou stürzen. Der Putschversuch wurde vereitelt. Frankreichs Rolle wurde kaum öffentlich erörtert, obwohl es alsbald klar wurde, dass Denard verdeckte Dienste im Auftrag staatlicher Stellen verrichtete. Beim anschlie­ßenden Prozess gegen die Putschisten bezeichnete Jacques Foccart, langjähriger Berater franzö­sischer Präsidenten für afrikanische Angelegenheiten, Bob Denard als »einen Patrioten«. Denard wurde in Frankreich freigesprochen. Das Staatsgebiet Gabuns wurde unterdessen durch Frankreich auch für andere offene oder geheime Operationen benutzt. Etwa als Drehschreibe für den Handel, den Frankreich trotz internationalen Embargos mit dem Apartheid-Regime in Südafrika trieb.
Jacques Foccart berichtete ab 1990 im Zuge der Veröffentlichung seiner Memoiren freimütig über seine Rolle bei der Entstehung des gabunischen Regimes. Er sei es gewesen, der Bongo »entdeckte«. Der junge Mann war vor der Unabhängigkeit Gabuns vom August 1960 Offizier der französischen Kolonialarmee und später für den französischen Geheimdienst tätig. 1965 war der erste Präsident des Landes nach der Unabhängigkeit, Léon Mba, bereits politisch und körperlich geschwächt. Foccart ließ Bongo seine »mündliche Prüfung« passieren, indem er ihn bei Frankreichs damaligem Präsidenten Charles de Gaulle vorsprechen ließ. Als der krebskranke Léon Mba anderthalb Jahre später in Paris im Krankenhaus lag, legte Foccart ihm ein Dokument zur Unterschrift vor. Es änderte die Verfassung, um das Amt eines Vizepräsidenten einzuführen, der ihm verfassungsmäßig nachfolgen sollte. Und so kam es. Mba starb im November 1967, Bongo wurde Präsident, von Paris aus gewählt. Im folgenden Jahr wurde Gabun zu einem Einparteien-Staat.

25 Jahre später kam Omar Bongo erstmals in Schwie­rigkeiten. Nach dem Zusammenbruch der realsozialistischen Staaten in Osteuropa formierten sich Anfang 1990 in vielen afrikanischen Diktaturen Demokratiebewegungen. Omar Bongo setzte sich unversehens an die Spitze der Bewegung, um ihr den Wind aus den Segeln zu nehmen, nach der Devise: Alles müsse sich ändern, da­mit nichts sich ändert. Am 22. Mai 1990 verkündete Bongo die Einführung eines Mehrparteiensystems und die Einsetzung einer »Konsens«-Regierung, in der aber seine Gefolgsleute die Schlüs­selposten kontrollierten. Ein Teil der Opposition ließ sich einkaufen, ein anderer protestierte. Daraufhin wurde ein prominenter Oppositionspolitiker, Joseph Rendjambé, ermordet. Es kam zum Aufstand in den Armenvierteln von Li­breville und der Hafenstadt Port-Gentil. Die französische Armee, die eine ständige Militärbasis in Libreville unterhält, griff mit Fallschirmjägertruppen ein und stellte Ruhe und Ordnung wieder her. In den folgenden drei Jahren konnte das Regime sich, trotz Schwierigkeiten, wieder stabilisieren.
Das Hauptinteresse Frankreichs an Gabun liegt in den immensen Rohstoffvorkommen des Landes: Erdöl, Uran, Mangan- und Eisenerz oder Edelhölzer, das Land besitzt ungeheure natürliche Reichtümer. Mit nur 1,2 Millionen Einwohnern ist es zudem ausgesprochen bevölkerungsarm. Alle seine Bewohner könnten im Prinzip in Wohlstand leben. Aber die Krankenhäuser, Schu­len und die allermeisten Straßen des Landes sind in miserablem Zustand. Die Exporterlöse Ga­buns werden von einer schmalen oligarchischen Oberschicht abgeschöpft oder aber von französischen Konzernen wie dem Ölriesen Total und der Transportfirma Bolloré. Die Reichtümer des Präsidentenclans werden wiederum nicht im eigenen Land angelegt, sondern in Frankreich, wo seine Familie allein 67 Bankkonten besitzt, oder in der Schweiz.
Aber wer zum Establishment gehört, lässt sich ohnehin nicht in Gabun behandeln, sondern in europäischen Krankenhäusern. So auch Präsident Omar Bongo, der am 6. Mai in eine Klinik in Barcelona ausgeflogen worden war, oder sein Sohn und Verteidigungsminister Ali Bongo, der zur selben Zeit in Paris im Krankenhaus weilte. Genützt hat es dem alternden Präsident zuletzt nichts mehr, denn er hatte seinen Darmkrebs zu lange unbehandelt gelassen. Seine Tochter Pascaline und deren Ehemann sowie der älteste Sohn Ali streiten sich nun um die Nachfolge.