Über den Bildungsstreik

Streiken, bis der Sommer kommt

Eine durchaus begrüßenswerte Kritik nicht nur am Bildungssystem war während des Bildungsstreiks zu vernehmen. Doch wie geht es weiter?

In der Vergangenheit hatten Politik und Medien meist eine wirksame Strategie, das öffentliche Aufbegehren von Schülern und Studenten zu einem ergebnislosen Ende zu bringen: Die Protestierenden wurden so lange mit Verständnis überschüttet, den »kreativen und bunten Aktionen« wurde so überschwänglich applaudiert, bis der Protest schließlich zu Tode gelobt war. Allerdings haben es die Schüler und Studenten ihren Kontrahenten mit gefälligen Einlagen wie dem Schwimmen in öffentlichen Gewässern unter dem Motto »Die Bildung geht baden!« oder Bastelarbeiten wie den Pappsärgen mit der Aufschrift »Bildung« häufig leicht gemacht.
Auch der Bildungsstreik 2009 wurde hier und da mit Wohlwollen bedacht. Andererseits gab es aber ablehnende Worte. Vor einem »ideologisch höchst einseitigen und rechtsstaatlich äußerst fragwürdigen Aktionismus« warnte der Deutsche Lehrerverband. Bundesbildungsministerin Annette Schavan (CDU) erhob den schlimmsten Vorwurf, den man jungen Menschen machen kann: Der Protest sei »gestrig«. Die Berliner Polizei beließ es nicht bei Worten und verhinderte im Mai ein Pressegespräch mit spanischen Studenten mit einem Großeinsatz. Auch während des Streiks hatte die Polizei zu tun: In Göttingen ging sie gegen etwa 200 Demonstranten vor, die nach einer Demonstration eine Straße blockiert hatten. In Heidelberg räumte sie das von Studenten besetzte Rektorat. An der Universität Stuttgart beendete die Polizei das Abschlusskonzert des Bildungsstreiks mit dem Einsatz von Schlagstöcken und Pfefferspray.
Warum kam es zu solchen Verstimmungen und wenig nachsichtigen Reaktionen? Neben dem üblichen Lamento über undichte Schul- und Universitätsdächer, vergilbte Bücher oder zu große Klassen und Seminare war auch grundlegender Protest zu vernehmen: gegen ein Bildungssystem, dessen einziger Zweck es ist, Menschen für die Erfordernisse der kapitalistischen Konkurrenz zuzurichten. Und auch die Einfälle der Streikenden, sich öffentlich in Szene zu setzen, beschränkten sich nicht auf das Bad in städtischen Brunnen. So etwas hören und sehen Rektoren und Bildungspolitiker dann doch nicht allzu gern.
Dass alle 260 000 Schüler und Studenten, die an den Demonstrationen der vergangenen Woche teilgenommen haben, die Kritik an den kapitalistischen Verhältnissen, denen das Bildungssystem unterworfen ist, teilen, ist unwahrscheinlich. Manchmal klingt die Forderung nach »besserer Bildung« doch nur wie der Wunsch, sich möglichst effizient zum Arbeitsroboter machen zu lassen, während die beliebte Parole »Geld für Bildung statt für Banken« von einem naiven Staatsvertrauen zeugt. Dennoch sind etwa die Kritik an einem den »so genannten Gesetzen des Marktes unterworfenen« Bildungssystem, an »Leistungsdruck und Konkurrenzdruck« und die Forderung nach einem freien Zugang zur Bildung und der Abschaffung sämtlicher Gebühren, die das Streikbündnis formuliert und öffentlich vertreten hat, begrüßenswert.
Und nun? An einigen Orten wurde der Streik verlängert. Das Bündnis will ihn im August auswerten und die Frage beantworten: »Wie weiter nach dem Streik?« Mal sehen, wie groß die Beteiligung dann ist. Denn auch wenn der Protest dieses Mal nicht an der überschwänglichen Zustimmung der politischen Gegner zugrunde ging, hat ihn ein Ereignis bisher immer beendet: der Ferienbeginn.