Raumfahrtmissionen und Urlaubsreisen zum Mond

Mit dem Schlauchboot zum Mond

Das Interesse am Mond ist wieder gestiegen, neue Raumfahrtmissionen werden geplant. Auch Urlaubsreisen können schon gebucht werden.

Mit einem Shuttle verlassen Sie die Raumstation im Orbit des Mondes und nähern sich der Oberfläche. Plötzlich fallen die Instrumente aus, Ihnen gelingt zwar eine Notlandung, doch Ihr Shuttle ist nicht mehr flugfähig und das Funkgerät versagt. Die Mondbasis ist 120 Kilometer entfernt. Zum Glück befinden Sie sich auf der von der Sonne beschienenen Seite des Mondes und können sehen, dass in den Trümmern noch diverse unbeschädigte Gegenstände zu finden sind, die Sie auf Ihrem Marsch zur Mondbasis vielleicht brauchen können.
Nämlich eine Schachtel Streichhölzer (a), Lebensmittelkonzentrat (b), ein 18 Meter langes Nylonseil (c), Fallschirmseide (d), ein solarbetriebenes Heizgerät (e), zwei Pistolen Kaliber 45 (f), ein Paket Milchpulver (g), zwei Sauerstoffflaschen (h), ein Stellaratlas (i), ein sich selbst aufblasendes Schlauchboot (j), ein magnetischer Kompass (k), 15 Liter Wasser (l), Signalraketen (m), ein Erste-Hilfe-Kasten (n) und ein solarbetriebenes UKW-Funkgerät (o). Erstellen Sie nun eine Liste der Gegenstände in der Reihenfolge der Bedeutung für Ihr Überleben.
Das von der Nasa erstellte Spiel wird gerne bei Kommunikationsseminaren verwendet. Dort stürzen immer gleich mehrere Astronauten ab, damit Gruppendynamik aufkommt. Sie ahnen, dass die Aussage »Ich erschieße erst mal mit den Pistolen die anderen, damit mehr Sauerstoff für mich bleibt« Zweifel an Ihrer Teamfähigkeit aufkommen lässt. Vermutlich wissen Sie auch, dass Sie mangels einer nennenswerten Atmosphäre auf dem Mond kein Streichholz anzünden können. Wenn Sie den Film »Armageddon« gesehen haben und sich daran erinnern, wie die Kollegen von Bruce Willis angeschwebt kommen, fällt Ihnen vielleicht ein, dass der Rückstoß des sich selbst aufblasenden Schlauchboots Ihnen helfen kann, einen Abgrund zu überwinden.

Hartnäckig hält sich jedoch das Vorurteil, es sei kalt auf dem Mond. Doch Sie sollten das Heizgerät zurücklassen, denn die Temperatur beträgt etwa 130 Grad. Greifen Sie stattdessen lieber zur Fallschirmseide, um sich vor der Sonnenstrahlung zu schützen. Eincremen können Sie sich ja nicht. Unerlässlich ist auch der Stellaratlas, aber vergessen Sie den Kompass. Der Mond hat kein polarisiertes Magnetfeld, das Ding nützt Ihnen also gar nichts. Auch auf das Wasser sollten Sie nicht verzichten. Wie Sie es zu sich nehmen, ohne den Raumhelm abzusetzen, kann ich Ihnen auch nicht sagen. Fragen Sie bei der Nasa nach, diese Leute wissen sicher auch, warum jemand ein Schlauchboot mit zur Mondbasis nehmen will.
Ungeachtet einiger Ungereimtheiten gehört das Spiel der Nasa zu den unterhaltsamen spin-offs der Raumfahrt. Es offenbart aber auch, dass der Mond ein erhebliches Problem hat. Dort oben ist nicht viel los, und recht unwirtlich ist es auch. Wenn Sie also beabsichtigen, bei der Firma Space Adventures eine Reise zum Mond zu buchen, sollten Sie nicht nur eifrig sparen, denn der Flug kostet immerhin 100 Millionen Dollar. Sie sollten sich auch über die Fortschritte beim Strahlenschutz informieren. Denn Sie könnten das Pech haben, dass die Sonne sich ausgerechnet während Ihrer Reise zu einer Eruption entschließt und in stark erhöhtem Maß ener­giereiche Teilchen verschleudert. Einem solchen Solar Cosmic Ray Event beizuwohnen, mag verheißungsvoll klingen, kann aber tödlich enden.
Die Strahlenbelastung gehört zu den Hauptproblemen bei der Besiedlung des Mondes. Die Erde wird durch eine Atmosphäre und ein Magnetfeld vor kosmischer Strahlung geschützt, dem Mond fehlt beides. Manche Wissenschaftler empfehlen daher, eine Basis in Äquatornähe auf der Seite des Mondes zu errichten, die der Erde zugewandt ist. Dort könnte sie zumindest zeitweise vom ausgedehnten Magnetfeld der Erde profitieren, das einen Teil der Strahlung abfängt. Wahrscheinlicher ist, dass Wohnquartiere unterirdisch, genauer gesagt untermondisch angelegt werden.
Alles für den Bau und die Versorgung der Bewohner Notwendige muss von der Erde herbeigeschafft werden. Der Mangel an Ressourcen ist ein weiteres Problem des Mondes. Auf dem Mars gibt es zumindest ausreichend Wasser, Samuel P. Kounaves, der die chemischen Analysen der Phoenix-Sonde leitete, stellte fest, dass man dort sogar Spargel anbauen könnte, wenn es um die Atmosphäre besser bestellt wäre. Mondbewohner hingegen müssten auch den Boden für ihren Gemüsegarten von der Erde mitbringen. Wasser wurde auf dem Mond zwar nachgewiesen, doch ist die Gesamtmenge sehr gering und die Gewinnung schwierig.

Auch an kommerziellen Nutzungmöglichkeiten mangelt es noch. Auf absehbare Zeit würde sich allenfalls der Abbau von Rohstoffen lohnen, die auf der Erde sehr rar sind. Am häufigsten wird Helium-3 genannt, in dieser Hinsicht profitiert der Mond von seinem mangelnden Strahlenschutz, denn das Isotop ist das Zerfallsprodukt einer Kernreaktion, die durch kosmische Strahlung ausgelöst wird. Allerdings ist Helium-3 vor allem von Bedeutung für Technologien wie die Kernfusion, die über das Experimentierstadium noch nicht hinausgekommen sind. Potenziell profitabel könnten neben dem Tourismus auch Forschungseinrichtungen sein, die gerade die dem Leben unzuträglichen Bedingungen nutzen. Ein Vakuum etwa muss auf dem Mond nicht erst mühselig hergestellt werden. Doch Mondforschung und -besiedlung werden vorläufig teuer und unprofitabel bleiben.
Dennoch ist das Interesse am Mond in den vergangenen Jahren wieder gewachsen. Denn der Trabant hat einen unschätzbaren Vorteil, er ist uns sehr nahe. Die 384 000 Kilometer, die uns von ihm trennen, sind nach kosmischen Maßstäben eine winzige Distanz. Selbst mit bereits vorhandenen Technologien dauert die Reise nur ein paar Tage, noch vor 200 Jahren brauchte man länger, um von Berlin nach Hamburg zu gelangen. Die Nähe erleichtert die Erforschung des Mondes, die auch Auskunft über andere, etwa die Entstehung des Sonnensystems betreffende Fragen geben könnte, und macht ihn zu einem reizvollen Standort für Versuche, vielleicht auch zum Startplatz für Raumflüge zu anderen Planeten.
Die erste Mondlandung verdanken wir vornehmlich dem »Sputnik-Schock«, den Erfolgen der Sowjetunion in der frühen Raumfahrt. Ansonsten hätte John F. Kennedy sich wohl nicht für das teure und riskante Apollo-Programm entschieden. So hat wenigstens ein Mal in der Geschichte der Menschheit verletzter Nationalstolz eine erfreuliche Wirkung gehabt. Es blieb bei diesem einmaligen Projekt, fortan konzentrierte sich das Interesse auch bei der Raumfahrt auf den Erdorbit. Auch dort können wissenschaftliche Erkenntnisse gewonnen werden, doch dienen Satelliten in der Erdumlaufbahn vor allem kommerziellen und militärischen Zwecken. Der Mond hingegen ist als Militärbasis wertlos, es gibt keinen vernünftigen Grund, Raketen in so großer Entfernung von der Erde zu stationieren, und auch die für eine irdische Kriegsführung zwischen Großmächten mittlerweile essenzielle Zerstörung feindlicher Satelliten würde im Orbit stattfinden.

Nationales Prestige ist jedoch noch immer ein wichtiges Motiv, vor allem für aufstrebende Weltmächte. Die chinesische Regierung plant für das Jahr 2020 eine Mondlandung, auch von bemannten Flügen zum Mars und zum Saturn ist bereits die Rede. In den USA und Russland hingegen hat das Interesse an der Raumfahrt abgenommen. Für die russische Regierung ist die Raumfahrt derzeit vor allem eine geschäftliche Angelegenheit. Die simple, aber robuste sowje­tische Technik gestattet noch immer zuverlässige Starts, das nutzen Firmen wie Space Adventures ebenso wie westliche Regierungen. Auch die USA, die aus Sicherheitsgründen höchstens noch einmal ein Space Shuttle starten lassen wollen, werden zumindest einige Jahre lang nur mit russischer Hilfe in den Weltraum gelangen. Die neuen Ares-Raketen und Orion-Kapseln werden frühestens im Jahr 2015 einsatzbereit sein.
Die bisherige Planung der Nasa sieht vor, im Jahr 2020 wieder Menschen auf dem Mond landen zu lassen und vier Jahre später eine Basis zu errichten. Bedauerlicherweise scheint Präsident Barack Obama nicht viel Sinn für die Raumfahrt zu haben, im Mai ordnete er eine Überprüfung der Nasa-Programme an. Eine Budgetkürzung ist wahrscheinlich, sie würde wohl alle Programme verzögern.
Eine zweite Mondlandung wäre sicherlich weniger aufregend als die erste, die eigentlich in­teressanten Ziele sind der Mars und der Jupitermond Europa, wo es flüssiges Wasser, vielleicht sogar Leben geben könnte. Doch der Mond ist eine notwendige Zwischenstation, und er hat auch seine Reize. Regierungen, die unzählige Milliarden für die Stützung maroder Banken aus­geben, sollten auch etwas für den Mondflug erübrigen können, und sei es durch die Erhebung einer moon tax auf schwerelose Finanzderivate und Geschäfte, die im luftleeren Raum stattfinden. Dann wird vielleicht auch der Mondurlaub rechtzeitig so billig, dass Sie sich den Flug leisten können. Vergessen Sie nicht, für alle Fälle ein Schlauchboot einzupacken.

Die Rangliste der Nasa-Experten: 1h, 2l, 3i, 4b, 5o, 6c, 7n, 8d, 9j, 10m, 11f, 12g, 13e, 14k, 15a