Der Putsch in Honduras, die Protestbewegung und die kritischen Medien

Verhandeln und verhaften

Die Putschisten in Honduras sind international isoliert und verhandeln mit dem gestürzten Präsidenten Zelaya. Doch die Protestbewegung und kritische Medien werden unterdrückt.

Der Ausnahmezustand wurde aufgehoben, und auf den Straßen in Tegucigalpa geht alles seinen gewohnten Gang, wenn nicht gerade ein Demonstrationszug vorbeikommt. Doch wurde am Wochenende Roger Iván Bados ermordet, der der Demokratischen Vereinigung (UD) angehörte, einem linken Wahlbündnis, dem auch die KP angehört. Vergangene Woche demonstrierten die Putschgegner, geführt von der Ehefrau des gestürzten Präsidenten Manuel Zelaya, vor dem Justizministerium, wo Staatsanwälte Beweise für Vergehen Zelayas sammeln. Das Ministerium wird ständig von Soldaten und der Polizei bewacht, die Abschlusskundgebung verlief ruhig.
An den Häuserwänden gibt es immer wieder neue Graffiti zu lesen, Parolen gegen die »Gorillas«, wie die Militärs genannt werden, gegen den neuen Präsidenten Roberto Micheletti und Kardinal Rodríguez Maradiaga. Auf der Straße nennt man den Putschpräsidenten nur noch »Goriletti«.
Im Café hinter der US-Botschaft treffen sich die Damen der Oberschicht nach ihrer Unterstützungskundgebung für die neue Regierung und dem Friedensgebet mit dem Kardinal. Es wird auf Hugo Chávez geschimpft, man wünscht dem abgesetzten Präsidenten eine lange Haftstrafe, macht sich gegenseitig Mut für den Fall, dass die Entwicklungshilfe und die Erdölversorgung gestoppt werden, und bekundet die Bereitschaft, sich ein paar Wochen lang wie die Armen von Reis und Bohnen zu ernähren.

Nach dem gescheiterten Versuch, am vorvergangenen Sonntag auf dem von der Armee blockierten Hauptstadtflughafen Toncontín zu landen, gibt es für Zelaya wohl keine Möglichkeit mehr, per Flugzeug ins Land zu kommen. Scharfschützen hatten das Feuer auf die etwa 50 000 Menschen eröffnet, die vor dem Flughafen für Zelaya demonstrierten. Der 19jährige Student Isis Obed Murillo starb durch einen Schuss, der ihn von hinten, auf der Flucht vor den Soldaten, im Genick traf. Er ist das erste Todesopfer des Putsches, das nicht geleugnet werden kann. Andere Todesfälle werden offiziell als »Folge krimineller Auseinandersetzungen« bezeichnet, auch wenn ein Journalist erschlagen oder ein Demonstrant von einem Panzerwagen überfahren wurde.
Derzeit verhandeln in Costa Rica Delegationen Zelayas und Michelettis, vorerst indirekt. Ihr Vermittler ist Óscar Arias, der Präsident Costa Ricas. Für November sind in Honduras Präsidentschaftswahlen angesetzt, bei denen Zelaya nicht kandidieren darf, weil die Verfassung eine Wiederwahl verbietet. Ein Kompromiss könnte darin bestehen, dass Zelaya wieder in sein Amt eingesetzt wird, aber von weiteren Sozialreformen absieht. Micheletti besteht bislang jedoch darauf, Zelaya vor Gericht zu stellen. Anschließend könne er eventuell amnestiert werden. Die internationale Lage sei zwar »etwas schwierig«, doch »ich habe einen starken Glauben an Gott und daran, dass wir nach und nach das Vertrauen wiedergewinnen, das wir brauchen«.
Die Verhandlungen treffen bei der Protestbewegung gegen den Putsch auf Kritik. Der »Dialog mit einem Gehörlosen« sei »fruchtlos« und gebe den Putschisten »nur mehr Zeit«, um ihre Macht zu festigen, sagte Juan Barahona, Koordinator des linken Bündnisses Bloque Popular (Block des Volkes) und Generalsekretär des Gewerkschaftsverbandes CUTH, einer der wichtigsten Organisationen der Bewegung gegen den Putsch. Mabel Márquez von der Landarbeiterorganisation Vía Campesina berichtet, dass die Straßenblockaden und Demonstrationen weitergehen, und kündigt weitere Proteste an: »Es wird stärkere Aktionsformen geben.« Viele wollen sich, wie Bertha Cáceres, die Präsidentin des Zivilrates der Indigenen- und Volksorganisationen von Honduras (COPINH), nicht auf die Unterstützung Zelayas beschränken: »Wir müssen den Prozess der partizipativen Demokratie vom Volk aus fördern und wir müssen den Weg zur verfassungsgebenden Versammlung vom Volk aus ebnen.« Ein Vertreter des COPINH sitzt auch in Zelayas Verhandlungskommission, ebenso wie eine Abgeordnete der UD.
Die Protestierenden sind weiter einer stetigen Repression ausgesetzt: Zahlreiche Demonstranten werden stundenlang festgehalten, bei gewaltsamen Räumungen von Blockaden gibt es regelmäßig Verletzte, und an den Militärsperren auf dem Land wurden systematisch die Reifen von Bussen zerschossen, mit denen Anhänger von Zelaya versuchten, in die Hauptstadt zu gelangen.

Unabhängige Menschenrechtsorganisationen sprechen von fünf extralegalen Hinrichtungen. Bis zum 12. Juli galt der Ausnahmezustand, das Parlament hatte die Unverletzlichkeit der Wohnung, das Brief- und Telefongeheimnis sowie das Versammlungsrecht aufgehoben. Soldaten besetzten die Rathäuser, kritische Berichte von Radio Globo und ausländischen Sendern wurden mit einem Störsignal unterdrückt. Reina Rivera Joya, Direktorin des Zentrums zur Untersuchung der Menschenrechte (DDHH), sprach von über 590 Festgenommenen. Einige sind seit der Verhaftung »verschwunden«.
Hinter dem Putsch steht die Oligarchie. Die Kirchenführung, die meisten Medien, das Militär sowie die Organisationen der Großgrundbesitzer und Unternehmer fürchten eine Linkswende. Doch vor dem Putsch fand auch ein inneroligarchischer Machtkampf zwischen Zelaya und dem damaligen Parlamentspräsidenten Micheletti statt. Zunächst ging es um Pfründe, als Zelaya sich für eine linke Politik entschied, wurde Micheletti zum Verteidiger der alten Ordnung. Der Konflikt wurde von beiden Seiten mit allen schmutzigen Tricks ausgetragen, er führte zu einer Verfassungskrise. Der vorläufige Sieger ist Micheletti, dem es gelungen ist, das Parlament, den Obersten Gerichtshof und die Wahlbehörde auf seine Seite zu bringen.
Zelaya kommt nicht aus der Linken, sondern aus einer Familie von Großgrundbesitzern und Holzbaronen. Er hatte gute ökonomische Gründe, sich für ein Bündnis mit den linken Regierungen Lateinamerikas zu entscheiden. Vor anderthalb Jahren begann die Wende mit der Annäherung an den von Venezuela initiierten alternativen Ölhandelsverbund Petrocaribe, dies war ein Versuch, die Abhängigkeit der honduranischen Bourgeoisie von US-Ölfirmen und deren Verbündeten zu mindern. Mit Petrocaribe erschloss Zelaya sich auch neue Finanzquellen.
Im Sommer 2008 hat Zelaya den Beitritt zum linken Wirtschaftsverbund Alba forciert. Honduras ist von der internationalen Entwicklungshilfe abhängig, Alba mit seinen Programmen zur Armutsbekämpfung, Ausbildung und Gesundheitsversorgung bot sich als Alternative an, zumal Zelaya auch von diesem Beitritt finanziell profitieren konnte. In seinem letzten Regierungsjahr begann Zelaya dann mit anfänglich zaghaften Sozialreformen, die einerseits auf den erbitterten Widerstand der Oligarchie stießen und andererseits allmählich die Unterstützung von Basisorganisationen fanden.

»Es ist offensichtlich, dass der Putsch das Ergebnis der Verschwörung einiger Wirtschaftssektoren und konservativen Politiker ist, die nicht ein Fitzelchen ihrer Privilegien abgeben wollen«, stellt Jesús Garza, Koordinator der Honduranischen Koa­lition der Bürgeraktion (CHAAC), fest. Doch Zelaya agierte, passend zu seinem Stetson, als einsamer Cowboy. Ihm fehlte die Unterstützung der sozialen Bewegungen, die sich, wie etwa in Bolivien, in Jahrzehnten politischen Einfluss erkämpft haben. Anders als der ehemalige Offizier Chávez hatte er auch keine Freunde im Militär. Überdies blieb unklar, ob die verfassungsgebende Versammlung, die er vehement forderte, vornehmlich seine Wiederwahl ermöglichen oder soziale Reformen beschließen sollte.
Die klassischen linken Organisationen der Arbeiter, Bauern und Indígenas, Kleinunternehmer wie die Taxifahrer, die Lehrer und Studenten, die oppositionellen Parteien und Initiativen fordern vor allem die Wiedereinsetzung Zelayas. Soziale Forderungen werden nicht erhoben, doch die Oligarchie ist diskreditiert, es verbreitet sich das Bewusstsein, dass Veränderungen möglich sind, und die Protestierenden organisieren sich. Nach den täglichen Demonstrationen finden Versammlungen in einer öffentlichen Hochschule statt, dort werden weitere Aktionen geplant.
Gestreikt wird an den Schulen und den Universitäten, doch in den Maquiladoras, den Textil- und Montagefabriken, wird weiter produziert. Sieben einflussreiche Kapitalverbände der USA, deren Mitglieder Maquiladoras in Honduras besitzen, haben am Wochenende der Zeitung La Tribuna zufolge US-Präsident Barack Obama gebeten, kein Handelsembargo zu verhängen, erst recht nicht im Textilgewerbe, wo Honduras für die USA der drittwichtigste Handelspartner ist. Vielmehr solle Obama »alles Mögliche tun, um die engen Handelsverbindungen und ökonomischen Beziehungen zwischen den Vereinigten Staaten und Honduras aufrechtzuerhalten«.