Sonnet Ehlers im Gespräch über das Anti-Vergewaltigungskondom »Rape-axe«

»Rape-axe hilft, die Täter zu identifizieren«

Die 1949 geborene Südafrikanerin Sonnet Ehlers ist die Erfinderin des Anti-Vergewaltigungskondoms »Rape-axe«. Das von ihr erfundene Produkt ist eine Art Femidom mit Widerhaken. Im Fal­le einer Vergewaltigung bohren sich diese in den Penis des Vergewaltigers.

Sie haben das Anti-Vergewaltigungs-Kondom »Rape-axe« erfunden. Wann und wie kamen Sie auf diese Idee?

Ich hatte diese Idee schon 1969, als ich in der Klinik, in der ich arbeitete, ein Mädchen traf, das vergewaltigt worden war, und es sagte: »Wenn ich da unten doch Zähne gehabt hätte.« Dazu kam, dass ich in der Ambulanz von einem Jungen hörte, der seinen Penis im Reißverschluss seiner Hose eingeklemmt hatte. Die Ärzte sagten, dass sie ihn in der Klinik aus seiner Lage befreien müssten, weil er selbst sich vor Schmerz kaum bewegen könnte. Daher kam ich auf die Idee, etwas wie ein Anti-Vergewaltigungskondom zu konstruieren, in dem der Penis des Vergewaltigers stecken bleibt. Aber damals gab es noch nicht die richtigen Kunststoffe für eine solche Konstruktion. Als es die schließlich gab, traf ich mich mit vielen Ingenieuren, um ein Anti-Vergewaltigungskondom zu konstruieren. Ich sprach mit einem Professor, der mir empfahl, mich in der Natur umzusehen. Also kam ich auf die Idee, kleine dornenähnliche Widerhaken zu verwenden, die im Kondom angebracht werden.

Gibt es schon Fälle, in denen das Anti-Vergewaltigungs-Kondom zum Einsatz kam?

Nein, bisher ist es noch nicht auf dem Markt, Anfang Oktober soll es in Südafrika vorgestellt werden.

Fühlen sich Frauen wirklich sicherer mit einem solchen Femidom mit Widerhaken?

Ich habe viel geforscht, bevor ich »Rape-axe« konstruiert habe. Ich habe mit Tausenden Frauen aus der Oberschicht, der Mittelschicht und der Unterschicht gesprochen. Die ärmsten der armen Frauen können sich in Südafrika keine Verkehrsmittel leisten und müssen meist barfuß lange Strecken zur Arbeit gehen. Sie verlassen ihr Haus frühmorgens und kommen spätabends zurück. Viele werden auf diesen langen Fußwegen vergewaltigt. Diese Frauen sagten mir, sie bräuchten sieben solcher »Rape-axe«-Kondome pro Woche, jeden Tag eines. Die Frauen aus den Mittelschichten sagten, sie bräuchten drei oder vier pro Woche, und die aus den Oberschichten bräuchten etwa eines pro Woche, da sie sich ohnehin meist in Bereichen aufhalten, die mit Zäunen und Sicherheitspersonal abgeschirmt werden.

Aus der Perspektive des Vergewaltigungsopfers funktioniert »Rape-axe« nicht wirklich als Schutz vor Vergewaltigung, schließlich hat der Vergewaltiger die Frau schon vergewaltigt, wenn sich sein Penis in den Widerhaken verfängt. Aber immerhin ist es eine Art Strafe für den Vergewaltiger, oder?

Um Strafe oder Rache geht es mir gar nicht, es geht darum, die Täter zu identifizieren. Normalerweise verschwinden die Vergewaltiger nach der Tat, und die Polizei kann sie meist nicht finden, und wenn sie gefunden werden, leugnen sie die Tat. Das »Rape-axe«-Kondom kann vom Vergewaltiger selbst nicht entfernt werden, er muss es im Krankenhaus operativ entfernen lassen. Dass soll helfen, dass diese Männer gefasst werden.

Bietet es auch einen Schutz vor HIV-Infektion oder Schwangerschaft?

Ja. Es ist so konstruiert, dass trotz der kleinen Verletzungen am Penis kein Blut fließt, denn dies würde das Risiko einer HIV-Infektion erhöhen.

Wenn Frauen dieses Kondom den ganzen Tag tragen müssen – ist das nicht unkomfortabel?

Ich habe die Prototypen ausprobiert, es ist sehr weich und trägt sich gut, man merkt es kaum.

Und für die Frau bringen die Widerhaken keine Verletzungsgefahr mit sich?

Nein, das ist sicher.

Droht nicht, dass der Vergewaltiger durch den vom Anti-Vergewaltigungskondom hervorgerufenen Schmerz sein Opfer schlicht ermordet?

Um offen zu sein und ein wenig explizit zu werden: Sie wissen, dass das Blut das Gehirn des Mannes für einige Zeit verlässt und sich in einem anderen Körperteil sammelt und nicht so schnell zurückfließt. Also ist die Reaktion des Vergewaltigers verzögert. Außerdem bedeutet es für den Vergewaltiger doppelten Ärger, wenn er die Frau vergewaltigt und tötet und zudem ins Krankenhaus muss, um sich das Kondom entfernen zu lassen.
Ich habe dazu viel recherchiert. Ich besuchte Gefängnisse, um dort mit Vergewaltigern zu sprechen. Ich wollte wissen, was in ihrem Gehirn los ist, wie sie vorgehen. In der Regel ist in deren Kindheit etwas schief gelaufen, und in der Gegenwart dreht sich alles um Macht. Ich habe einen von ihnen gefragt, ob er Frauen vergewaltigen würde, wenn sie ihm an Macht und Kraft gewachsen wären. Er sagte, nein, dann würde er ja selbst attackiert werden. Die Vergewaltiger sagten, sie bevorzugten Opfer, die langsam laufen, die kleiner sind als sie, die Kleidung tragen, die sich leicht entfernen lässt, und die lange Haare haben, an denen man ziehen kann. Das sind deren Kriterien, so gehen sie vor.

Das Anti-Vergewaltigungskondom ist ja aber eine sehr defensive Waffe. Statt so ein Femidom in sich zu tragen, könnte man ja auch sagen: Jede Frau bekommt eine Pistole, dann kann sie sich wehren.

»Rape-axe« ist nicht tödlich. Ich habe von Anfang an gesagt: Ich hasse nicht die Vergewaltiger, ich hasse diese Tat, und das mit Leidenschaft. Es geht mir auch darum, ein Bewusstsein zu schaffen über Vergewaltigungen weltweit. Die Leute sollen Bescheid wissen.

In manchen Internetbeiträgen zum Anti-Vergewaltigungskondom heißt es, wenn auch die Täter Bescheid wüssten, könnten Sie versuchen, vor einer Vergewaltigung dieses Kondom gewaltsam zu entfernen.

Ich habe mit Vergewaltigern gesprochen, um zu wissen, was sie tun. Vergewaltigen läuft nach dem Schema hit and run. Der Vergewaltiger fürchtet, ertappt zu werden, er ist in Eile, er muss sein Opfer zum Schweigen und auf den Boden bringen, mit seinen Händen hält er sie fest, mit den Knien öffnet er ihre Schenkel. Er hat kaum eine Chance, dabei das »Rape-axe«-Kondom zu entfernen.

Südafrika ist eines der Länder mit der höchsten Vergewaltigungsrate. Warum ist das so?

Ja, in Südafrika wird alle 22 Sekunden eine Frau vergewaltigt. Ich kann aber nichts Qualifiziertes über die Ursachen sagen, weil ich weder Politikerin noch Soziologin bin. Da müssten Sie jemand anderes fragen.

Sie haben angesprochen, dass vor allem arme Frauen Opfer werden. In Deutschland wird Vergewaltigung gerne als Phänomen von ungebildeten Unterschichten dargestellt, Studien zeigen aber in der Tat das Gegenteil.

Ich denke, dass einer Vergewaltigung meistens die kranke Persönlichkeit des Vergewaltigers zugrunde liegt, und man kann sehr gebildet sein und trotzdem eine kranke Persönlichkeit haben.

In Deutschland ist der Typus des Vergewaltigers, der ein ihm nicht bekanntes Opfer irgendwo in der Dunkelheit überfällt, offenbar seltener als der vergewaltigende Ehemann, der vergewaltigende Freund oder Ex-Freund. Oft kennen sich Opfer und Täter. Macht das den Einsatz des Anti-Vergewaltigungskondoms nicht komplizierter?

Nicht notwendigerweise. Ich bekomme viele Briefe und E-Mails von Frauen aus aller Welt. Ich bekam einen Brief einer Frau, die immer wieder von ihrem Vater vergewaltigt wird, und ihr Vater hat beste Beziehungen zur Polizei. Sie fragte mich, wann es endlich das Anti-Vergewaltigungskondom gebe, damit sie beweisen kann, dass er sie vergewaltigt.

Vergewaltigung ist ein soziales Phänomen, das mit Sexismus, mit Vorstellungen von männlicher Überlegenheit und der Idee der Minderwertigkeit von Frauen einhergeht, die es rechtfertigen, Frauen das Recht auf sexuelle Selbstbestimmung abzusprechen. Wenn dann Frauen zu ihrem Schutz nur ein Anti-Vergewaltigungskondom geboten wird, macht man da nicht die einzelnen Frauen für ein gesellschaftliches Phänomen verantwortlich? Was ist, wenn ein Richter eines Tages sagt: Wenn eine Frau sich nicht mit »Rape-Axe« schützt, ist sie selbst schuld?

Warum schützen Menschen ihre Häuser mit Schlössern? Sind ihre Körper und Seelen nicht viel mehr wert?

Ist »Rape-axe« nicht eher ein Instrument, um ein Bewusstsein für diese Verbrechen zu schaffen, als eines, um technischen Schutz zu bieten?

Ich denke, dass es auch darum geht, die Einstellungen gegenüber dieser Tat zu verändern. Noch immer denken Menschen, dass die Frauen für die Taten verantwortlich sind, weil sie etwa einen zu kurzen Rock, ein zu knappes Oberteil trugen. Aber das gibt keinem Mann das Recht, eine Frau zu vergewaltigen, auch wenn solche Kleidung in manchen Gesellschaften als unschicklich gilt.

Wann wird es das Anti-Vergewaltigungskondom in den Supermärkten geben?

Wir sind mit dem Entwicklungsprozess so gut wie fertig. Die Firma, die es produzieren wird, hat versprochen, dass es im Oktober auf den Markt kommen kann. Wir werden dann zunächst 1 000 kostenlos in dem Gebiet verteilen, in dem die Frau lebte, die mich auf die Idee brachte, es zu entwerfen. Und dann soll es weltweit auf den Markt kommen.

Wie viel soll das Anti-Vergewaltigungskondom pro Stück kosten?

Momentan kostet es relativ viel, weil es bisher noch individuell handgefertigt werden muss. Wenn es in die Massenproduktion geht, soll es 1,50 Dollar kosten – im Einkaufspreis.

Für ärmere Frauen in Südafrika ist das vermutlich nicht wenig.

In Südafrika arbeite ich mit Black Economic Empowerment (BEE) zusammen, wir möchten zusammen erreichen, dass die Regierung das Produkt subventioniert, damit es sich auch die ärmeren Frauen leisten können. Auch wollen wir, dass es in Klinken kostenlos erhältlich ist.