Über die »Postideologie« der Piratenpartei

Rechts über Bord

Die Piratenpartei ist so »postideologisch« wie der deutsche Stammtisch.

Was immer jeder einzelne Anhänger der Piratenpartei unter der von dieser propagierten »Post­ideologie« versteht – selbst aus »postideologischer« Sicht der Piraten dürfte die vergangene Woche nicht optimal verlaufen sein.
Es begann mit einem Interview von Andreas Popp, dem stellvertretenden Vorsitzenden der Piraten, in der Jungen Freiheit, dem kurz darauf ein ausgefüllter Fragebogen des Parteivorsitzenden Jens Seipenbusch in derselben Zeitung folg­te. Wieder einen Tag später annoncierten die ­Piraten begeistert die Wahlempfehlung, welche die »Freien Wähler Düsseldorf« abgegeben hatten, zu ihren Gunsten. Die »Freien Wähler« wurden gegründet von Torsten Lemmer, ehemals Manager der Naziband Störkraft und zuletzt im Mai 2009 wegen Volksverhetzung verurteilt. Man kenne »diesen Herrn« nicht, sagte dann der für die Veröffentlichung der Empfehlung verantwortliche Pressesprecher der Piraten Nordrhein-Westfalens – übrigens ein christlicher Lebensschützer – der ­Jungle World. »Aha, hm, da werde ich mich mal informieren.« Ob er es inzwischen geschafft hat, den Namen Lemmer zu googeln, ist unbekannt – die stolze Presseerklärung findet sich jedenfalls immer noch auf der Website der Partei.
Aber zurück zur »Postideologie«: Gegen Ende voriger Woche dämmerte es selbst der Piraten-Führung, dass die so gern beschworene vorurteilsfreie Offenheit gegenüber allen politischen Richtungen irgendwie auch bedeuten sollte, dass man nicht nur mit Rechten spricht. Und so rief man zwecks eines Ausgleichs im postideo­logischen Ping-Pong bei der Jungle World an und bat darum, interviewt zu werden. Vielleicht ist den Piraten immer noch nicht klar, wie glücklich sie darüber sein können, dass aus dem Gespräch mangels Interesse der Jungle World nichts wird. Denn bei der Basis, die schon die halbherzige Entschuldigung von Andreas Popp für sein Interview in der Jungen Freiheit mehrheitlich als Kapitulation vor dem unsäglichen Zeitgeist der political correctness empfand, hätte man sich gewiss empört, von den eigenen Helden in einem linken Blatt lesen zu müssen.
Das könnte durchaus daran liegen, dass die Klientel der Partei – jedenfalls die, die sich öffentlich äußert – zu großen Teilen aus Nazi-Nerds und Stammtischschwaflern mit IT-Kenntnissen besteht, die sich gegen das »ausgelutschte Links-Rechts-Schema« verwahren, weil sie ihren Stammtisch-Pragmatismus und ihr Lamento über »die da oben«, die alle »korrupt« seien, für »postideologisch« halten. Dass die Pressestelle der Piratenpartei im Büro des ehemaligen SPD-Abgeordneten Jörg Tauss residiert und der Pressesprecher der Piraten von diesem vor zwei Monaten auf Staatskosten als Mitarbeiter engagiert wurde, wird da­gegen als gute Idee gefeiert.
Die Zeitung, die zuerst hierüber berichtete, wurde von Piraten mit Protestmails eingedeckt. Wegen »unsachlicher Berichterstattung«. Da zeigt sich dann, wie es um das Demokratieverständnis und die Vorstellung von Meinungsfreiheit bei den Piraten steht. »Unsachlich« ist da alles, was ihnen nicht passt, und gegen solche »Auswüchse« vorzugehen, gehört zur Lieblingsbeschäftigung der Piraten. Zum Beispiel indem sie Twitter-Mobbing gegen missliebige Journalistinnen wie Julia Seeliger organisieren, die es gewagt hatte, in der Taz kritisch über rechte Tendenzen bei den Piraten zu berichten. Oder indem sie das eigene Forum mit flammenden Anklagen gegen den »faschistischen PC-Terror« vollschreiben, der doch tatsächlich vorschreibe, das Wort »Schwarze« statt »Neger« zu verwenden. Oder indem sie über Flashmobs am Wahlsonntag nachdachten, die wohl aus Parteimitgliedern bestehen sollten, die mit Piratenpartei-T-Shirts uniformiert vor den Wahllokalen in Stellung gehen sollten. Kleinliche Einwände wie der, dass so etwas an die Hitlerjugend erinnere, die seinerzeit Wähler terrorisierte, machen in diesem Milieu nur wenig Eindruck. Wegen der »Postideologie« wahrscheinlich.
Um sich klarzumachen, was das postideologische Geschwafel im realen Leben bedeuten könnte, reicht es übrigens, sich eine Abordnung der Piratenpartei auf offiziellem Staatsbesuch vorzustellen. In Polen. Oder in Israel.