Proteste gegen Ahmadinejad in New York

Hasstiraden in New York

Mahmoud Ahmadinejad sorgte bei der UN-Vollversammlung mit seinen Hasstiraden gegen Israel und »den Westen« wieder einmal für Skandal. Tausende in den USA lebenden Iranerinnen und Iraner protestierten vergangene Woche in New York gegen das iranische Regime mit teilweise sehr unterschiedlichen Positionen.

Er beschimpfte die Israelis als »zionistische Mörder«, griff das »amerikanische Imperium« an und verteidigte das Atomprogramm seines Landes, woraufhin gleich mehrere Delegationen gemeinsam den Saal verließen. Die Provokationen von Mahmoud Ahmadinejad, iranischer Präsident durch Wahlfälschung, auf der internationalen Bühne haben mittlerweile fast Tradition. So war es auch vorige Woche, als Ahmadinejad die Vollversammlung der Vereinten Nationen in New York für seine Hasstiraden gegen Israel und die Politik des »Westens« nutzte.
Zwei Tage später setzte Ahmadinejad noch eins drauf und verkündete, der Iran besitze eine zweite Atomanlage zur Anreicherung von Uran. Dies war für die westlichen Staatschefs weniger erwartbar. Am Rande des G20-Gipfels in Pittsburgh verabschiedete sich US-Präsident Barack Obama von der Politik der outstreched hand mit dem iranischen Regime, wie US-Medien seinen bisherigen Kurs bezeichneten, und drohte mit Sanktionen, sollte den Inspekteuren der Internationalen Atomenergiebehörde der Zugang zur Anlage verweigert werden. Sogar Russland schließt Sanktionen jetzt nicht mehr aus.

Bereits vor Ahmadinejads Einreise in die USA hatte sich das Bündnis United Against Nuclear Iran mit einer energischen Kampagne darum bemüht, dem iranischen Präsidenten zu signalisieren, dass er nicht willkommen ist. Schon ein Hotel zu bekommen, war für die iranische Delegation schwer genug gewesen, weshalb man in New York witzelte, Ahmadinejad müsse möglicherweise im Beduinenzelt des libyschen Staatschefs Muammar al-Gaddafi um Asyl bitten.
Tausende Iranerinnen und Iraner kamen vergangene Woche nach New York, um ihre Kritik an Ahmadinejad und seinem Regime auf die Straße zu tragen. Dabei konnte man wieder einmal beobachten, wie heterogen die Oppositionsbewegung gegen das iranische Regime ist.
Drei verschiedene Demonstrationen fanden an diesem Tag statt. Organisiert wurden sie von den linksislamischen Volksmujaheddin, von den Nationalisten und Monarchisten und schließlich von den Anhängerinnen und Anhänger der »Grünen Bewegung«, deren Initiatoren von der Gruppe Voices for Iran auf ein überparteiliches Grassroot-Image setzten. Die Grünen bestimmten durch ihr auffälliges Erscheinungsbild eindeutig den Protest. Wer sich anschließen wollte, bekam schnell ein grünes Banner oder T-Shirt in die Hand gedrückt – und schon konnte man sich an den Protesten vor der iranischen Vertretung in der 42nd Street beteiligen oder beim eindrucksvollen Protestzug mitmarschieren, der ein drei Kilometer langes grünes Banner über die Brooklyn-Bridge zog.
In den vergangenen 30 Jahren hat sich das herrschende klerikal-militärische Establishment des iranischen Regimes Generationen von Feinden unterschiedlichster politischer Couleur gemacht. Millionen von Iranerinnen und Iraner haben seit der so genannten islamischen Revolution von 1979 das Land aus politischen und ökonomischen Gründen verlassen, sie sind vor der Repression im Alltag, der Arbeitslosigkeit oder dem Krieg mit dem Irak in den achtziger Jahren geflüchtet.
Die erste Welle von Exiliranerinnen und -iranern bildeten die Anhänger des Schahs, die heute in Los Angeles in einem goldenen Ghetto leben und die Illusion hegen, die Uhren ließen sich eines Tages zu den Zeiten der Monarchie zurückdrehen (Jungle World 1/08). Anders als die Monarchisten, die sich ohne nennenswerte Gegenwehr aus dem Land jagen ließen, führten die Volksmujaheddin in den achtziger Jahren einen blutigen Kampf gegen die junge islamische Republik. Auch sie bilden heute eher eine weit verzweigte, aber relativ geschlossene Community.
Von den übrigen Exiliranerinnen und -iranern scheinen allerdings nicht viele Interesse an einer Zusammenarbeit mit diesen beiden Gruppen zu haben. Das wurde auch bei den Protesten in New York deutlich. »Die Monarchisten sind Fossilien, und die Mujaheddin sind Terroristen!« platzt es aus Gole Anar heraus. Ihre Gruppe Queer and Women for Iran aus New York hat sich der grünen Demonstration angeschlossen. »Wir wollen im Iran linke und feministische Positionen stärken«, erklärt sie. Sie ist im Iran in den achtziger Jahren aufgewachsen und hat die irakischen Bomben­angriffe erlebt. Dass sich die Volksmujaheddin damals vom Irak aus an Kampfhandlungen gegen den Iran beteiligten, hat sie ihnen nicht verziehen. Gole gehört zu jenem Segment der iranischen Diaspora, das erst durch die jüngsten Ereignisse im Iran politisiert wurde.

Ali Kebbali hingegen ist in Europa in einer Mujaheddin-Familie groß geworden. »Es gibt so viel üble Propaganda gegen die Mujaheddin«, beschwert er sich. Er ist genauso alt wie Gole. Von seiner Familie sind einige Mitglieder in iranischen Gefängnissen unter der Folter gestorben. Er sympathisiert durchaus mit der Protestbewegung der Grünen im Iran. »Das Problem ist die alte Generation, da sind die Gräben sehr tief«, sagt er.
Ali kann das teilweise verstehen. »Die politischen Führer der heutigen Protestbewegung, Mir-Hossein Mousavi und Mehdi Karroubi, waren in den achtziger Jahren überzeugte Anhänger von Ayatollah Khomeini«, sagt er. Angesichts von Verfolgung, Ermordung, Folter und Expatriierung sei es schwer, der anderen Seite zu verzeihen, wer immer auch die gerade ist. Zu Beginn der »Revolution« waren Volksmujaheddin, Kommunisten und Anhänger von Khomeini noch Verbündete gewesen und hatten gemeinsam Monarchisten, echte und vermeintliche Konterrevolutionäre gehängt, bis die Revolution begann, ihre eigene Kinder zu fressen. Diese Geschichte von Verstrickung und darauffolgendem Ausschluss ist ein Trauma der iranischen Diaspora.
Auch die Vertreter der Grünen Bewegung, die sich gerne als überparteilich und heterogen darstellt, haben eine politische Agenda, die bei weitem nicht alle Demonstranten hier in New York teilen. »Es geht uns ausschließlich um Menschenrechtsverletzungen und den Wahlbetrug«, sagt Sara Azadi von Voices for Iran. »Wir sind gegen alle Arten von militärischen Drohungen und Sanktionen. Die Menschen im Iran wollen keinen regime change«, erklärt sie.
Diese Positionen sind umstritten. »Diese Reformer glauben tatsächlich noch, dass der religiöse Führer Ali Khamenei unter Druck Ahmadinejad fallen lassen wird und ihren Kandidaten Mousavi zum Präsidenten macht«, meint Amir-Abbas Fakhravar, der mehrere Jahre im Iran im Gefängnis verbrachte. »Aber das wird nicht passieren.« Der 34jährige steht heute den US-Neokonservativen nahe. Er ist zuversichtlich, dass die Grünen ihre Meinung ändern werden, wenn ihre Politiker erst einmal im Gefängnis sitzen, ihre Büros in Teheran geschlossen sind und kein Geld mehr für Kampagnen im Ausland fließt.
Andere sind noch misstraurischer. Sie sehen in der Protestbewegung das direkte Wirken von regimenahen Lobbyisten aus dem Umfeld der Campaign Against Sanctions and Military Interventions in Iran am Werk. Diese wollten gezielt die Bewegung im Ausland entpolitisieren, indem sie sie auf humanitäre Forderungen reduzierten und sogar solche Parolen unterbänden, wie sie in letzter Zeit auf Demonstrationen in Teheran gerufen wurden – etwa Rufe nach einer »iranischen« statt einer »islamischen Republik«.