Opel bleibt bei GM

Wechselverkehr

Bei den großen US-amerikanischen Autokonzernen verschieben sich die Besitzverhältnisse. Vor allem wegen der kürzlich beschlossenen Umweltauflagen der US-Regierung investieren die Unternehmen in technologische Neuerungen.

»Cash for Clunkers« hieß die US-amerikanische Version der Abwrackprämie in Höhe von 3,8 Milliarden Dollar, die im Sommer innerhalb von einem Monat schon aufgebraucht war. Auch General Motors konnte davon profitieren. Einstimmig entschied der Aufsichtsrat des Konzerns Anfang November, die europäischen Tochterunternehmen von GM, Opel und Vauxhall doch nicht mehrheitlich an den österreichisch-kanadischen Zulieferer Magna und die russische Staatsbank Sberbank zu verkaufen. Dies dürfte nicht zuletzt mit den guten Verkaufszahlen des Konzerns im dritten Quartal dieses Jahres zu tun haben.
Nach dem Deal, der unter dem Druck der deutschen Bundesregierung zustande gekommen war, hätte das Konsortium Magna-Sberbank 55 Prozent von Opel-Vauxhall erhalten sollen. GM plante, einen Anteil von 35 Prozent zu behalten. Doch bereits seit dem Sommer ließ der Konzern erkennen, dass er einen Verkauf an den belgischen Finanzinvestor RHJ International bevorzugte. Wenige Wochen vor der Bundestagswahl gab es in der US-Presse deutliche Anzeichen eines Zögerns der GM-Führung. In Deutschland hingegen galt der Verkauf von Opel an Magna bis zum Abschluss des Koalitionsvertrags als so gut wie beschlossen.
Die Besitzverhältnisse bei GM haben sich nach dem erfolgreichen Insolvenzgang im Sommer und nach einer Investition der US-Regierung in Höhe von 50 Milliarden Dollar maßgeblich geändert. Gut 61 Prozent des Unternehmens gehören nun der US-Regierung, 17,5 Prozent besitzt die US-Automobilgewerkschaft UAW, weitere zehn Prozent gehören der kanadischen Regierung. Auch der Aufsichtsrat wird seit Juli von Vertretern dieser Eigentümer besetzt. In Deutschland erklärte man in den vergangenen Wochen den Rückzieher von GM unter anderem mit der Angst davor, dass das für GM wichtige Opel-Technologiezentrum »an die Russen« verkauft wird. Doch Bloomberg News zufolge soll der Erhalt der Opel-Technologien für den Mutterkonzern ausschlaggebend gewesen sein. Denn für den heimischen Markt braucht GM die vergleichsweise umweltschonenden Technologien, die von Opel entwickelt werden.

In den vergangenen Wochen war der Verkauf von Opel nicht der einzige geplatzte Deal für GM. Anfang Oktober scheiterte der im Frühjahr beschlossene Verkauf des GM-Tochterunternehmens Saturn an die Autohandelskette Penske Automotive Group. Dem Käufer, der 350 Autovertriebsstellen unterhält, aber eher durch Penske Racing – seinen Indy-Automobil-Rennstall – bekannt ist, gelang es nicht, eine Manufaktur für die Marke Saturn im Ausland zu finden. Nach der derzeitigen Planung von GM sollen 350 Verkaufsfilialen und die Produktionsstätten von Saturn mit 13 500 Mitarbeitern geschlossen werden.
Die Marke Saturn wurde vor fast 25 Jahren eingeführt. Mit seinen benzinsparenden Modellen sollte Saturn eine Konkurrenz zu den Kom­pakt­autos ausländischer Firmen wie Toyota, Honda und Volkswagen sein. Dies funktionierte einige Jahre lang, aber seit etwa einem Jahrzehnt glichen sich die Saturn-Produkte immer mehr denen des Mutterkonzerns an, und die Verkaufszahlen sanken. Auch der Versuch, die Produktionsbedingungen der japanischen und deutschen Autokonzerne in den US-amerikanischen Produktionsstätten einzuführen – flexible Belegschaft, keine festen Renten –, funktionierte auf Dauer nicht, denn Toyota und Honda konnten weiterhin bil­liger an ihren gewerkschaftsfreien US-Standorten produzieren. Der Volkswagen-Konzern, der bei der Gründung von Saturn eine Fa­brik mit Gewerkschaftsvertretung im US-Bundesstaat Pennsylvania unterhielt, entzog sich alsbald der Konkurrenz durch die Werksschließung. Fortan produzierte VW in Mexiko und den Billiglohnländern Südamerikas für den US-amerikanischen Markt. 2011 plant VW, einen gewerkschaftsfreien Produktionsstandort im US-Bundesstaat Tennessee zu errichten.
Hingegen erscheint der Verkauf von Saab an das schwedisch-chinesische Konsortium Koenigs­egg-Beijing-Auto immer wahrscheinlicher. Im Oktober ließ die Europäische Investitionsbank einen Kredit in Höhe von 400 Millionen Euro an Koenigs­egg zu, einen winzigen Luxus-Sportwagenhersteller.
Der Verkauf der GM-Marke Hummer – das US-amerikanischen muscle car schlechthin – an ein chinesisches Konsortium unter der Führung der Sichuan Tengzhong Heavy Industrial Machinery Corp. fand Anfang Oktober statt. Bis 2011 werden Hummer noch in den USA produziert, danach ist die Zukunft der US-Produktionsstandorte ungewiss. Ähnlich erfolgreich scheint Ford – der US-Autokonzern, der bislang ohne direkte Staatshilfe seinen von der Krise erfassten Betrieb ­saniert – mit seinem geplanten Verkauf der schwedischen Marke Volvo an einen weiteren chinesischen Autokonzern, die Zhejiang Geely Holding, zu sein. Obwohl noch einige Fragen zum Technologietransfer offen bleiben, haben sich Medienberichten zufolge die Verhandlungspartner im Wesentlichen geeinigt. Mit dem Kauf von Volvo will ­Geely Produktionsstandorte in China errichten und vor allem den Umsatz dieser Marke auf dem chinesischen Markt deutlich vergrößern. Dementsprechend soll der neue Volvo mit dem dort erfolgreichen Audi A6 konkurrieren.

Bei Chrysler, dem Dritten der so genannten Großen Drei aus Detroit, haben sich die Besitzverhältnisse schon länger verschoben: Nach einem schnellen Gang durch die Insolvenz – finanziert durch die US-Regierung – wurde im Sommer der Verkauf von 20 Prozent des neuen Unternehmens an Fiat beschlossen. Künftig wird Fiat seinen Anteil an »New Chrysler« erhöhen. Derzeit jedoch gehört das Unternehmen mehrheitlich dem Pensionsfonds der Gewerkschaft UAW. Fast zehn Prozent des Unternehmens sind im Besitz der US-Regierung, knapp über zwei Prozent in dem der kanadischen Regierung. Unter anderem hat die US-Regierung Fiat als Anteilseigner ausgewählt, weil die Italiener den Technologietransfer im Bereich der Kompaktautos anboten. Jüngst stellte der Fiat- und Chrysler-Chef Sergio Marchionne einen Fünfjahresplan vor, nach dem vor allem die Verkaufszahlen in Nordamerika erheblich gesteigert werden sollen. Dieser Plan wird jedoch mit Skepsis betrachtet, denn seit Daimlers Einstieg bei Chrysler sinken die Verkaufszahlen in den USA. Industrieanalysten begrüßen dennoch die geplante Abkehr von der weltweiten Strategie Chryslers und sehen darin eine Chance, mit italienischer Technologie eine neue Reihe benzinsparender Autos auf den US-Markt zu bringen.
Insgesamt ist der US-Markt von Überproduktion gekennzeichnet. Durch die derzeitigen Entwicklungen bei den Detroiter Konzernen allein wird sich dies nicht ändern. Dass technologische Neu­erungen bei diesen Marktbewegungen – der Beibehaltung von Opel bei GM, dem Fiat-Einstieg bei Chrysler und der Konsolidierung der Ford-Geschäfte zugunsten neuer Kompaktklassen – eine große Rolle spielten, deutet darauf hin, dass die Großen Drei für den künftigen Markt in den USA aufrüsten. Voraussichtlich werden die geplanten Umweltauflagen der US-Regierung auf diesen Markt großen Einfluss haben. Aber hier spielt nicht nur Detroit mit: Toyota, Honda, Nissan und VW – der Konzern versucht seit diesem Herbst, mit der Einführung eines Diesel-Audi in den USA dem dortigen Markt ein umweltfreundliches Auto schmackhaft zu machen – wollen auch in den USA künftig mehr Autos verkaufen. Wer diesen Wettbewerb um die künftigen Marktanteile gewinnen wird, bleibt offen. Fest steht dennoch: Wenn GM oder Chrysler ihn verlieren sollten, würden vor allem die US-Regierung sowie die Gewerkschaft UAW und dadurch die jeweiligen Belegschaften die Verluste tragen.