Über Sarah Palins Autobiografie

Allein gegen die Liberalen

Die rechte Republikanerin Sarah Palin will ih­ren Einfluss in der Partei erhöhen. Viele De­mokraten wünschen ihr insgeheim Erfolg.

Bereits Wochen vor dem Erscheinungstermin stand Sarah Palins Autobiographie »Going Rogue. An American Life« (»Im Alleingang. Ein amerikanisches Leben«) auf den Spitzenplätzen der US-Bestsellerlisten. Seit ihrer überraschenden Nominierung als republikanische Vizepräsidentschafts­kandidatin wirbelt die ehemalige Gouverneurin von Alaska die politische Szene in den USA auf. Der Zeitpunkt der Veröffentlichung ist günstig. Nach dem Ende der Ära Bush ist die Partei der Republikaner weiterhin ohne Führung. Vor der Kongress­wahl 2010 bemüht sich die erzkonservative Politikerin um Einfluss.
Der im Juli erfolgte Rückzug Palins aus ihrem Amt in Alaska wurde meist als taktisches Manöver zur Vorbereitung auf größere nationale Aufgaben gewertet. Während Palin mit der evangelikalen Journalistin Lynn Vincent an den 432 Seiten von »Going Rogue« arbeitete, bediente sie sich jener smear tactics genannten Strategie der gezielten Des­information, die sie schon im Wahlkampf anwandte. Via Twitter und Facebook ließ Palin beispielsweise verbreiten, die Gesundheitsreform von Präsident Barack Obama beinhalte Eu­tha­na­sie­programme für Kinder mit Down-Syndrom.
Nicht nur auf den hysterischen Demonstrationen im Sommer entfalteten solche Gerüchte ihre destruktive Wirkung. Die auf obskuren Verschwö­rungstheorien basierende Kampagne hat großen Einfluss auf die öffentliche Meinung. Zum Zweck der Selbstinszenierung wird das Kitschbild einer tiefreligiösen Patriotin verbreitet, die leidenschaft­lich »uramerikanische Werte« gegen den Feind in den »liberalen Medien« sowie im Weißen Haus verteidigt.
Palin hat einen hohen Unterhaltungswert, sie wur­de zur Projektionsfläche für die christliche Rechte wie auch für deren Kritiker, die genüsslich die Bekenntnisse ihrer Lieblingsfeindin goutieren. Doch jeder über CBS verbreitete Spott, jeder anzügliche Gag in der David Letterman Show bestätigt Palins Anhänger in dem Glauben, einer verleumdeten Gruppe anzugehören. Es war gerade die Häme der liberalen Medien, die Palin zur politischen Sym­bolfigur der christlichen Rechten machte.
Der larmoyante Verweis auf die Bösartigkeit ihrer Gegner ist denn auch das Grundmotiv ihrer Autobiographie. So tragen die Kritiker Palins zu deren Status als Glamour Girl der Evangelikalen bei. Palins bevorzugtes Image als authentische amerikanische hockey mum wird weiterhin von den Claqueuren eines rechten Medienapparats verbrei­tet. Palins Verlag Harper Collins gehört ebenso wie Fox TV zum Konglomerat des reaktionären Medienunternehmers Rupert Murdoch, der seine Leute seit Monaten gegen Präsident Obama agitieren lässt.
Doch aus dem ideologischen Konfrontationskurs folgen nicht zwangsläufig politische Erfolge. Bei den jüngsten Wahlen im 23. Distrikt der Stadt New York unterstützte Palin einen nahezu unbekannten Kandidaten der Conservative Party. Die Intervention richtete sich gegen die als »liberal« gebrandmarkte Republikanerin Dede Scozzafava. Die Polarisierung endete jedoch mit einem historischen Sieg für die Demokraten, die sich zum ersten Mal seit dem 19. Jahrhundert in diesem republikanischen Traditionsbezirk durchsetzen konnten. Deshalb bleibt Palins mögliche Präsident­schaftskandidatur nicht nur eine verlockende Vorstellung für die christliche Rechte, sondern auch für die auf Palin fixierten Medien – und für die Demokratische Partei.