Frankreich und Ruanda haben wieder diplomatische Beziehungen aufgenommen

Mit Frankreich Englisch sprechen

Überraschend haben Ruanda und Frankreich die diplomatischen Beziehungen wieder aufgenommen.

Vergessen werde man nichts, sagte die ruandische Regierungssprecherin Louise Mushikiwabo am Montag der vergangenen Woche, doch sei es an der Zeit, »das diplomatische Klima zu verbessern«. Am Tag zuvor hatte das französische Präsidialamt eine Wiederaufnahme der diplomatischen Beziehungen zwischen beiden Staaten bekannt gegeben.
Die Nachricht kam relativ unerwartet, denn kurz zuvor waren neue Einzelheiten über die Verwicklung Frankreichs in den Völkermord im Jahr 1994 und vor allem über den anhaltenden Schutz für damalige Täter bekannt geworden (Jungle World 48/09). Überdies hatte die ruandische Regierung an demselben Wochenende den Beitritt Ruandas zum britischen Commonwealth als 46. Mitgliedsstaat bekannt gegeben. Ruanda hat damit endgültig formell seinen Übertritt von der französisch- zur englischsprachigen Zone im postkolonialen Afrika vollzogen. Dieser Schritt war innenpolitisch nicht unproblematisch, da derzeit nur wenige Ruander Englisch sprechen. Er soll auch die Integration in den Binnenmarkt der East African Community erleichtern, der die englischsprachigen Länder Kenia, Uganda und Tansania angehören.

Die Befürchtungen, die französische Geopolitiker und Strategen vor 1994 hegten, haben sich ungewollt als richtig erwiesen. Ein Teil der politischen Führung Frankreichs hatte damals das ruandische Regime auch noch während des Genozids unterstützt, weil man glaubte, im Falle eines Sieges der damaligen Guerillabewegung RPF könne Ruanda vom französisch- in den englischsprachigen Einflussbereich wechseln. Alle Vorwürfe gegen die ruandischen Verbündeten Frankreichs galten als Teil eines Komplotts der USA. Doch gerade die französische Hilfe für die génocidaires bewog die Führung der RPF später, mit Frankreich zumindest teilweise zu brechen und neue Verbündete zu suchen.
Der Abbruch der diplomatischen Beziehungen im Dezember 2006 hatte jedoch andere Gründe. Er resultierte aus den geradezu fanatischen Bemühungen des als »Terroristenjäger« bekannten französischen Ermittlungsrichters Jean-Louis Bruguière, die RPF-Führung selbst für den Völkermord verantwortlich zu machen. Sie habe die Massaker an den »eigenen Leuten«, also den Tutsi, gezielt provoziert, um über einen Vorwand für die Eroberung Ruandas zu verfügen.
Bruguière ist im Ruhestand, und seit Juni 2007 amtiert Bernard Kouchner als Außenminister. Er war während des Völkermords als humanitärer Helfer in Ruanda gewesen und hatte die damalige französische Politik teilweise kritisiert. Präsident Nicolas Sarkozy schickte ihn mehrmals in die ­ruandische Hauptstadt Kigali, um über eine Normalisierung der diplomatischen Beziehungen zu verhandeln.

Sarkozy gilt als der pro-amerikanischste Spitzenpolitiker Frankreichs seit langem. Vermutlich drängten die USA ihn zu Verhandlungen, mahnten aber auch Ruanda, keinen Kalten Krieg mit Frankreich anzufangen. Die ruandische Regierung benötigt eine Rückendeckung der westlichen Großmächte, zumal sie wegen Militärinterventionen und Kriegsverbrechen im benachbarten Kongo immer wieder kritisiert wird.
Die französischen Politiker haben aber wohl auch eingesehen, dass es keine kluge Strategie ist, die Vorwürfe wegen der unbestreitbaren Mitverantwortung für den Genozid mit waghalsigen Anschuldigungen gegen ruandische Politiker zu kontern. Dieses Problem hat Sarkozy mit der Normalisierung der Beziehungen nun wohl ausgeräumt. Den Ruhm soll allerdings nicht Kouchner ernten, sondern Sarkozys für die Staatsraison zuständiger Präsidentenberater Claude Guéant, der kurz vor der Ankündigung der Wiederaufnahme diplomatischer Beziehungen Kigali besuchte.

Erstmals entsandte Frankreich in der letzten Novemberwoche auch zwei Untersuchungsrichterinnen, die gegen in Frankreich lebende génocidaires ermitteln, nach Kigali. Dort vernahmen sie Zeugen, dies wurde in Ruanda als wichtige Geste betrachtet. In Frankreich wurden etwa 15 Strafanzeigen gegen génocidaires eingereicht, es kam aber bisher nicht zur Einleitung von Gerichtsverfahren. Anders in Belgien, wo am 1. Dezember Ephrem Nkezabera zu 30 Jahren Haft verurteilt wurde, weil er 1994 extremistische Milizen finanziert hatte. Auch in Frankreich könnte die Zeit, in der génocidaires keine Strafverfolgung fürchten mussten, bald vorbei sein.