Klimagipfel in Kopenhagen. Erfolgreich war nur die Polizei

Demokratie vor dem Zaun

Für den Klimaschutz brachte der Gipfel in Kopenhagen nichts, erfolgreich war nur die Polizei im Kampf gegen friedliche Demonstranten.

Der Slogan »This is what democracy looks like« ist seit den Protesten von Seattle im Jahr 1999 bei vielen Demonstrationen zu hören. Er kann zwei Bedeutungen haben. Oft verwenden ihn Demon­stranten ironisch, als Reaktion auf Polizeigewalt und Repression. Doch er erklingt manchmal auch bei erfolgreichen Aktionen, wie zum Beispiel beim G8-Gipfel in Heiligendamm, als es Protestierenden gelang, die Zufahrten zum Tagungsort zu blockieren.
In einem solchen Sinn beschreibt der Slogan auch eine der eindrucksvollsten Szenen des Klimagipfels von Kopenhagen, eine Versammlung von rund 1 000 Demonstranten in einem Zirkuszelt im Stadtteil Christiania am Montag der vo­rigen Woche. Eingeladen hatte das Netzwerk Climate Justice Action (CJA), auf dem Podium saßen die Publizistin Naomi Klein, der Theoretiker Michael Hardt und Tadzio Müller, einer der Sprecher der CJA. Zur Debatte stand der Plan, auf das Gelände des Gipfeltreffens zu gelangen und dort eine »people’s assembly« abzuhalten.
Manche argumentierten dafür, vor dem Zaun zu bleiben, um einer Eskalation aus dem Weg zu gehen. Andere propagierten eine harte Konfrontation mit der Polizei, man wolle sich nicht erneut wehrlos verhaften lassen. In einer intensiven Debatte gelang die Übereinkunft, den Zaun mit Mitteln des zivilen Ungehorsams zu überwinden. Mehr noch als das Ergebnis beeindruckte die Diskussion selbst. Hier waren Hunderte beteiligt, und es schien, als würde keine Stimme ignoriert. So sieht Demokratie aus.
Der Gipfelsturm gelang nicht, doch gewaltfrei blieben die Demonstranten dabei die gesamte Zeit. Die dänische Polizei hingegen bewies, dass sie nicht viel hält von Kritik und Demonstrationsfreiheit. Fast 2 000 Menschen wurden während der Proteste in Kopenhagen verhaftet, bis auf wenige Ausnahmen präventiv. Mehrere Sprecher der CJA, unter ihnen Müller, wurden von der Polizei abgehört, beschattet und schließlich in Gewahrsam genommen. Sie hätten zu Ausschreitungen aufgerufen, lautet der Vorwurf. Doch niemand hatte so leidenschaftlich für Gewaltfreiheit argumentiert wie die Sprecher der CJA.
Die dänische Regierung lobte die Polizei für ihre »gute Arbeit«. Doch deren Vorgehen verstieß gegen elementare demokratische Regeln. Demonstranten präventiv zu verhaften, weil sie möglicherweise Gesetze brechen könnten, widerspricht dem Prinzip der Unschuldsvermutung. Aus Polizisten, die der Exekutive angehören, werden Richter, die Menschen schuldig sprechen und unmittelbar bestrafen können. Ein solches Vorgehen lässt vom Demonstrationsrecht wenig übrig.
Doch nicht nur im Prinzip, sondern auch in der Sache lagen die Protestierenden in Kopenhagen richtig. Der UN-Gipfel mag offener angelegt gewesen sein als die Treffen der G8 oder G20. Doch seit Mittwoch der vergangenen Woche mussten die meisten der akkreditierten NGO-Repräsentanten draußen bleiben, angeblich aus Platzmangel. Nicht wenige fragten, ob sich der Ausschluss unter anderem damit erklären lasse, dass viele planten, mit den Protestierenden vor dem Zaun zur »people’s assembly« zusammenzukommen.
Beim UN-Gipfel in Kopenhagen ist es nicht gelungen, wirksame Maßnahmen zum Klimaschutz zu verabschieden. Einigen Ländern liegt nichts an einem Ergebnis, weil sie vom Verkauf fossiler Brennstoffe leben. Vielen Regierungen sitzen einflussreiche Lobbygruppen der Industrie im Nacken, die meisten sehen keine Alternative zur Wachstumspolitik. Das Scheitern verweist auf die Schwierigkeit, kapitalistisches Wirtschaften und Umweltschutz zu vereinbaren. Die Protestierenden haben darauf hingewiesen. Das mag unangenehm sein, aber so sieht Demokratie aus.