Peter Ramsauer und die Entschädigung polnischer NS-Opfer

Der Asphalt ist deutsch

Der Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) ist Mitglied einer schlagenden Verbindung. In seinem Ministerium wird die Entscheidung über eine Entschädigung für polnische Opfer des Nationalsozialismus getroffen.

Es hätte auch anders kommen können. Beinahe wäre Peter Ramsauer nach dem Abitur seiner Leidenschaft erlegen – der zur Musik beziehungsweise zu »meinem dritten Bein«, wie er diese liebevoll nennt. »Doch gleich zu Beginn des Musikstudiums in München hat er gemerkt, dass er zwar begabt, aber nicht begabt genug ist, um unter den Pianisten einen Spitzenplatz einzunehmen«, gibt die Homepage des CSU-Politikers Auskunft.
Für eine politische Laufbahn hat die Begabung gereicht. Seit Oktober ist Ramsauer Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung. Er hat bereits einiges bewirkt. Dank einer Änderung der Luftverkehrsordnung ist es beispielsweise seit Anfang Februar untersagt, sogenannte Himmelslaternen in der unmittelbaren Umgebung von Flughäfen aufsteigen zu lassen, denn »fliegende Papiertüten sind keine Luftfahrzeuge«, wie der Minister richtig erkannt hat.
Doch Ramsauer ist kein Bürokrat, der nur Verordnungen erlässt. Er begibt sich hinaus ins Land und packt selbst an: Den »Spatenstich Günzburg B16, Donaubrücke Günzburg und Umbau der Einmündung B10/B16 zum Kreisverkehr« hat der Minister kürzlich eigenhändig ausgeführt. In der vergangenen Woche hat er auf den »15. Deutschen Asphalttagen« in Berchtesgaden eine Rede gehalten. Das »Frauenfrühstück« im bayerischen Traunstein (Motto: »Sagen, was wir meinen, denken, wünschen und wollen!«) hat er in dieser Woche besucht.

Man könnte zu dem Schluss kommen, dass Ramsauer mit solchen Amtsgeschäften keine allzu großen Verheerungen anrichten könne. Dass er zu Schlimmem fähig ist, steht angesichts zahlreicher Einlassungen außer Zweifel. Man stelle sich den Mann beispielsweise im Amt des Innenministers vor, zuständig für Zuwanderung und Integration. Diese Themen treiben Ramsauer schon lange um. »Der Konjunkturaufschwung geht restlos am Arbeitsmarkt vorbei, weil jährlich bis zu 250 000 Ausländer den Arbeitsmarkt in Deutschland belasten«, ließ er 1997 wissen. 1999 verärgerte ihn die Diskussion über die doppelte Staatsbürgerschaft, da durch diese »massenhaft Millionen, Zigmillionen« in Deutschland lebende Ausländer zu »Neodeutschen« gemacht würden.
Im vergangenen Jahr machte er mit dem Vorschlag von sich reden, die Kriterien der Kriminalstatistik zu verfeinern. Straftäter als »deutsch« oder »nichtdeutsch« zu erfassen, sei zu undifferenziert. Es müsse ermittelt werden, wie viele Straftäter »Deutsche nichtdeutscher Herkunft« seien, verlangte Ramsauer. Denn: »Zur Bekämpfung der Kriminalität gehört, dass man ihre Wurzeln klar benennt.« Zwar ist es ohnehin das Ziel der deutschen Zuwanderungspolitik, die Zuwanderung zu verhindern, so gut es geht. Dem CSU-Politiker käme aber sicher noch die eine oder andere wirksame Maßnahme in den Sinn.
Eigene Akzente könnte der Mann auch in der Außenpolitik setzen, in der er große Ambitionen hegt. Als Außenminister ginge es ihm nicht nur darum, »Bayerns Wirtschaft, aber auch die Strahlkraft unserer Kultur« in aller Welt zu vertreten. »Auch wenn uns das Regime in Teheran nicht gefällt, halte ich es für wichtig, den Gesprächsfaden nicht abreißen zu lassen. Vertrauen gründet sich auf persönliche Beziehungen, und nur wer im Kleinen anfängt, darf auf Erfolge im Großen hoffen«, so wünscht er sich etwa den Umgang mit dem Iran. Um ganz persönlich mit dem Regime vertraut zu werden, reiste der damalige Vorsitzende der CSU-Landesgruppe 2008 nach Teheran (Jungle World, 3/09) und traf sich u.a. mit dem immer noch amtierenden Außenminister Manouchehr Mottaki. Eine »innovative Außenpolitik« werde eben »nicht gedeihen, wenn man Scheuklappen anlegt«.
Kann Ramsauer also als Verkehrsminister mit dem Spaten in der Hand wirklich vergleichsweise wenig anrichten? Zu diesem Schluss dürfte nur kommen, wer das Amt unterschätzt. Mit mehr als 26 Milliarden Euro steht Ramsauer der drittgrößte Etat im Bundeshaushalt zur Verfügung. Außerdem ist der Mann aus Bayern auch im Kleinen sehr rührig. Kürzlich erließ er in seinem Ministerium ein striktes Verbot von Anglizismen. »Ich will, dass im Haus wieder mehr Deutsch gesprochen wird«, sagte er. Vorbei ist es mit »Meetings« und »Deadlines«. Nun müssen sich die Beamten im Verkehrsministerium ein Beispiel an ihrem Dienstherren nehmen, der als strammdeutscher Sprachästhet Schöpfungen wie diese hervorbringt: »Wir können es uns in Deutschland nicht leisten, auf Dauer in der Fläche Substanz auf Verschleiß zu fahren.«
Was wichtiger ist: Auch als Verkehrsminister darf Ramsauer Entscheidungen von internationaler Bedeutung treffen.

Im Januar ersuchten polnische Opfer des Nationalsozialismus das Bundesverkehrsministerium um finanzielle Hilfe. Die etwa 100 000 mittlerweile alten Menschen waren während der deutschen Besatzung in Zügen der Reichsbahn deportiert worden. Diese ließ sich die Beförderung gut bezahlen: Einem Gutachten des Vereins »Zug der Erinnerung« zufolge nahm die Reichsbahn umgerechnet etwa 21 Millionen Euro mit den Deportationen ein, wobei die Massentransporte von Juden in die Vernichtungslager in Polen nicht eingerechnet sind.
Nun ist es also an Ramsauer, der als Verkehrsminister die Aufsicht über die Rechtsnachfolgerin der Reichsbahn, die Deutsche Bahn AG, hat, über eine Zahlung an die polnischen NS-Opfer zu befinden. Die Pressestelle des Ministeriums kann noch nichts über den Stand der Dinge sagen. Auf Großzügigkeit sollte man aber nicht unbedingt hoffen. Denn Ramsauers Geschichtsverständnis zufolge gehen nicht erst polnische Ansprüche, sondern bereits die Grenzen des Landes zu weit. So stimmte der CSU-Politiker 1991 im Bundestag mit 22 anderen Unionsmitgliedern gegen die Anerkennung der Oder-Neiße-Grenze. Diese laufe den »berechtigten Anliegen der deutschen Heimatvertriebenen und der jenseits von Oder und Neiße lebenden Deutschen«, »der Verwirklichung des Rechtes auf Heimat« und »offen gebliebenen Eigentums- und Vermögensfragen« zuwider, ließen die Abgeordneten damals in einer Erklärung verlauten.

In dem Milieu, in dem Ramsauer verkehrt, hat man ähnliche Ansichten. Der Minister gehört der schlagenden Burschenschaft Franco-Bavaria an, deren bekanntestes Mitglied wohl der Reichsführer-SS Heinrich Himmler war. Die Franco-Bavaria gehört zum Dachverband Deutsche Burschenschaft (DB), dem man sicherlich keine liberalen Ansichten nachsagen kann. Wenn sie nicht gerade »den volkstumsbezogenen Vaterlandsbegriff« erörtern oder der Frage »Gehen die Deutschen unter?« nachgehen, pflegen die Burschenschaftlichen Blätter, das Vereinsheft der DB, »die sachliche Diskussion« mit dem »Verbandsbruder« Arne Schimmer, der nebenbei auch NPD-Landtagsabgeordneter in Sachsen ist. Auch Autoren aus dem Ausland wie der französische »Vordenker der Neuen Rechten«, Alain de Benoist (Jungle World, 24/09), oder der österreichische Rechtsextremist Otto Scrinzi (Jungle World, 10/09) kommen zu Wort. Und für bestimmte Teile Polens verwendet man in den Blättern ausschließlich die Bezeichnung »Ostpreußen«.
Aber vielleicht sind Kleinigkeiten wie die Oder-Neiße-Grenze oder Zahlungen an polnische NS-Opfer für Ramsauer auch gar nicht mehr von vorrangigem Interesse. Geografisch denkt er jedenfalls in ganz anderen Dimensionen. In der FAZ tat er in der vergangenen Woche seinen Ärger über die winterlichen Ausfälle von Zügen mit den Worten kund: »Ich erwarte von der deutschen Industrie, dass ihre Züge bei minus 40 Grad in Sibirien und bei plus 40 Grad auf der arabischen Halbinsel fahren.«