Fleisches Lust und Last

In einem haben die Jesuiten gewiss Recht: Sie sind nicht die einzigen, die sich an Kindern vergehen. Allerdings hat das auch niemand behauptet, weshalb dieser Hinweis dann doch nicht mehr ist als eines von vielen kläglichen Argumenten, mit denen der eigene, derzeit arg bedrängte Laden in Schutz genommen werden soll. Eine andere Ausflucht hatte Martin Lohmann parat: »Pädophilie und Homosexualität sind kein Spezifikum der katholischen Kirche«, richtete der Sprecher des »Arbeitskreises Engagierter Katholiken in der CDU« und frühere Jesuitenschüler via FAZ aus – und bediente damit ganz unverblümt das homophobe Klischee, nach dem es zuvörderst Schwule sind, die den lieben Kleinen nachstellen. Außerdem glaubt Lohmann felsenfest: »Am wenigsten ist die Sexuallehre der Kirche verantwortlich.« Verklemmt und also schuld an der ganzen Misere seien vielmehr »jene, die sich mit Fleischeslust und allenthalben erlaubter Triebbefriedigung begnügen zu können glauben und in niederer Erotik die Kostbarkeit wirklich verantwortlich gelebter Sexualität zu ertränken suchen«. Aha.
Noch doller trieb es der Jesuitenpater Eberhard von Gemmingen. In einem Interview mit der Heilbronner Stimme zog er einen wahrhaft historischen Vergleich: »Mit den Juden ist es so losgegangen, dass vielleicht der eine oder andere Jude Unrecht getan hat. Dann aber hat man schlimmerweise alle angeklagt und ausrotten wollen. Man darf nicht von einzelnen Missetaten ausgehen und eine ganze Gruppe verurteilen.« Worin das jüdische »Unrecht« bestanden haben soll, ließ er offen, nicht aber, dass die Jesuiten in seinem Verständnis die Juden von heute sind und daher von einem Holocaust bedroht. Nach der Veröffentlichung des von ihm autorisierten Interviews zog der frühere Leiter der deutschsprachigen Redaktion von Radio Vatikan diese Aussage schließlich zurück: Sie sei »unzutreffend«. Das immerhin lässt hoffen – Selbsterkenntnis ist bekanntlich der erste Weg zur Besserung.